(40:55; Vinyl, CD, Digital; Stickman Records, 11.10.2024)
“Ad Undas” in der Doppel-Betreuung
Teil 1: Rajko Baers
Luftig und verspielt und jederzeit hypnotisch performen diese Norweger ihre Art von Retro Prog. Schöne, prägnante Vintage-Rock-Riffs empfangen den Hörer im etwas jazzig angehauchten Opener ‘Neophobia’. Als würden Motorpsycho im Proberaum mit alten Prog-Veteranen wie Camel oder Jefferson Airplane zusammen jammen, kreiert man mit verspielten Rhythmen und Melodien eine positive, ausgelassene Stimmung, die natürlich die nordische Melancholie nie ganz außen vor lässt. Die letzte, wesentlich leichtere, Kadavar-Platte hatte einen ähnlichen Sound. Die Heavyness sonstiger Stoner-Vertreter will hier gar nicht erst aufkommen. Immer wieder werden die Dynamiken schubweise hochgefahren, um sich schnell wieder in diese entrückte Melancholie fallen zu lassen. Dieses Auf und Ab drückt sich auch inhaltlich in vielen persönlichen Kämpfen, Ängsten und dem Umgang innerhalb des gesellschaftlichen Drucks aus.
Das mal treibende, mal jazzig-vertrackte ‘Hyperion’ ist so sehr typisch für diesen nordischen Prog der Neuzeit, da dürfen Full Earth und Sykofant als Querverweise nicht fehlen. Es wird mit offenem Visier musiziert. Atmosphärisch dicht werden die ständigen Wechselbäder fließend arrangiert. In einer Sekunde musiziert die Band mit melancholischen, weiten Melodien, im nächsten Moment begeistert verzockte Progressivität. Diese Verspieltheit, dieses Selbstverständnis im Umgang mit alten Sounds und modernen alternativen Stilmitteln gelang den oben genannten Bands bereits hervorragend – Kosmodome stehen dem ebenfalls in nichts nach. Etwas zurückgelehnt, mit immer wieder sperrigen Partituren, fordert ‘Obsternasig’ die Geduld ein wenig mehr. Dafür weiß das rockige ‘Dystopia’ mit gelungenen Bass- und Gitarren-Arrangements den Kopf freizupusten. Die sehr aufgeräumte Produktion lässt jedem Instrument seinen Raum und Platz. Dies wird nochmals im rockigen, aber auch verschroben-atmosphärischen ‘Turmoil’ und dem Rausschmeißer ‘Fatique’ exzellent, ohne viel Leerlauf, vollends zur Geltung gebracht. Im Vergleich zum fulminanten Full-Earth-Album fehlt der ganz große Moment, aber die Brüder Sandvik machen ebenfalls, wie beim Vorgänger “Kosmodome”, eine starke Figur und werden jedem Freund von nordischem Prog Rock ein gehöriges Maß an Unterhaltung bescheren. Versprochen!
Bewertung: 12/15 Punkten
Teil 2: Carsten Agthe
Von wegen – gescheitert. Die Brüder Sturle und Severin Sandvik setzen nämlich genau dort an, wo sie vor zwei Jahren mit ihrem Debüt aufhörten. Nämlich bei dem fluffigsten norwegischen Westcoastsound, seit es fluffigen norwegischen Westcoastsound gibt. Also eigentlich nicht allzu lange. Das mit dem ‘Scheitern’ hat derweil seinen Grund, meint “Ad Undas” (der Ausspruch ist eigentlich griechischen Ursprungs und bedeutet ‘zu den Wellen’) in Norwegen eben das. Sinn für Humor besitzen die Gebrüder, die hier zu zweit einen Wall Of Sound inszenieren, schon irgendwie. Aber, das liegt am Konzept des Albums, bei dem es um die Geiseln der Gegenwart, wie Selbstzweifel und die existentiellen Kämpfe der modernen Zeit, geht. Nun hatten wir soeben schon den essentiellen Aufhänger, nämlich ‘Westcoast’. Und in eben jenen sympathischen Refugien bewegen sich auch Kosmodome, auch wenn das Thema ein ernstes ist. Mit weithin jubilierenden Gitarren, progressive-psychedelischen Ansätzen (‘Fatique’) oder gar groovenden Funk (‘Neophobia’) musiziert sich das Duo weit weg vom norwegischen Bergen, dahin, wo die Sonne ununterbrochen scheint. Angst vor einem eventuellen Scheitern braucht das Duo, das sich live gehörig musikalischen Beistand mit auf die Bühne holt, mit einem Album wie dem vorliegenden gewiss nicht zu haben.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Besetzung:
Sturle Sandvik – Guitar/Vocals
Severin Sandvik – Drums/Vocals
Ole Andreas Jensen – Bass
Erlend Nord – Guitar
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Cover mit freundlicher Genehmigung von Stickman Records.