Eivør, 05.10.24, Köln, Live Music Hall
Geballte Frauenpower
Eivør mit Sylvaine als Support – es war an zwei Elfen aus den nördlichen Gefilden Europas, den vergangenen Samstagabend in der Kölner Live Music Hall zu gestalten. Und es entwickelte sich ein schöner Abend mit eher leisen Tönen.
Bereits um 19 Uhr startete der musikalische Reigen und damit eine Stunde vor der auf der Facebook Veranstaltung kommunizierten Uhrzeit. Was mich als diensthabenden Betreuer etwas in die Bedrouille brachte, verließ ich mich doch auf die Daten der Facebook-Veranstaltung. So war ich erst zwei Minuten vor den ersten Klängen im Fotograben angekommen. Viel Zeit zur Vorbereitung blieb also nicht, denn Sylvaine betrat pünktlich die Bühne. Hinter dem Namen Sylvaine verbirgt sich die norwegische Multi-Instrumentalistin Kathrine Shepard. Ganz allein stand sie also im dunklen Kleid auf der dunklen Bühne und startete ihr kurzes Set – lediglich fünf Songs performte die Solokünstlerin.
Den Rahmen ihres Auftrittes bildeten zum Anfang und Ende zwei Songs aus ihrer Anfang 2024 veröffentlichten EP “Eg Er Framand”, einem sehr verträumten in norwegischer Sprache gehaltenen Tonträger. So absolvierte sie den sehr ruhigen, getragenen Opener ‘Dagsens auga sloknar ut’ quasi a capella. Und auch beim letzten Song, ‘Eg Er Framand’ (ein altes norwegisches Traditional) war es allein ihre Stimme, mit der Kathrine Shepard Glanzpunkte zu setzen vermochte.
Lediglich während der anderen drei (Long-) Tracks hing sich die Künstlerin eine E-Gitarre um, aber auch mit der Unterstützung der Gitarre blieben die dargebotenen Songs ‘Mørklagt’, ‘Nowhere, Still Somewhere’ und ‘L’Appel du vide’ um einiges ruhiger als ihre Albumversionen. Und so möchte man die auf Wikipedia erwähnte Genrebeschreibung für die Werke Sylvaines, namentlich ‘Black Metal’ und ‘blackgaze’, so nicht abnicken. Denn live und teils unplugged hatte der Auftritt einen ganz anderen musikalischen Anstrich als es die Alben vermuten lassen. Was keine Kritik sein soll: Kathrine Shepard machte ihre Sache hervorragend und wusste sehr zu gefallen.
Da es nach dem Gig von Sylvaine quasi nichts ab- oder umzubauen gab, war die Pause zwischen den beiden Acts des Abends auch nicht länger als unbedingt nötig. Im Gegensatz zur Norwegerin betrat der Hauptact des Abends Eivør, mit ganzem Namen Eivør Pálsdóttir, zusammen mit ihrer Band die Bühne. Ihr zu Seite standen ein Drummer, ein Keyboarder sowie Bassist (Kontrabass), der sich auch um die Synthie Sounds kümmerte.
Vor wenigen Monaten veröffentliche Eivør ihr aktuelles Album “Enn”. Und es waren die acht Songs dieses neuen Albums, auf die sich die Band während dieser Tour konzentriert. So wurde ihr Set mit den ersten vier Songs von “Enn” eröffnet: ‘Ein klóta’, ‘Jarðartrá’, ‘Hugsi bert um teg’ sowie ‘Purpurhjarta’ gaben sich die Klinke in die Hand und bildeten den Auftakt. Dann folgten vier Songs aus ihrem großem Vorrat an Songs aus den älteren Alben, anschließend die nächsten vier Songs von “Enn”: ‘Enn’, ‘Lívsandin’, ‘Upp Úr Øskuni’ und ‘Gaia’, und zum Abschluss noch einmal vier Songs aus dem umfangreichen Backkatalog. Ja, bei einem Konzertabend mit Eivør hat alles seine Ordnung, bemerkte auch die von den Färöer-Inseln stammende Sängerin augenzwinkernd.
Mit ‘Ein klóta’ begann also der Abend mit Eivør und ihren Mitstreitern. Und es war ein sehr bedächtiger Auftakt, der quasi nahtlos an die ruhige Performance des Supports Sylvaine anschloss. Auch mit dem folgenden ‘Jarðartrá’ wurde es auf der Bühne nur wenig spektakulärer. So war es schließlich am vergleichsweise poppigen ‘Hugsi bert um teg’, das Publikum weiter aus der Reserve zu lockern.
Eivør tat gut daran, im zweiten Block des Abends bestehend aus vier älteren Songs beispielsweise ‘Trøllabundin’ unterzubringen. Zum ersten Mal griff die Sängerin dabei zur Trommel, die über weite Strecken des Konzerts nur als Deko auf der Bühne stand. Ihr womöglich populärster Song wurde mit aufbrandendem Szenenapplaus begrüßt. Mit ‘True Love’ schloss sich ein weiterer poppiger Song an, der ebenfalls sehr gut beim Publikum ankam. Vielleicht waren diese beiden Songs auch die Inititalzündung, denn fortan sollte die Stimmung oben bleiben.
Im folgenden Block mit den vier verbleibenden Songs zum neuen Album machte der titelgebenden Track ‘Enn’ den Auftakt. Der Song handelt vom Finden von Hoffnung in Zeiten von Chaos, ließ uns Eivør im Vorfeld wissen. Geschrieben hat sie den Track auf einem Parkplatz in Island (oder Irland?), auf dem sie ihren Wagen nicht wiederfinden konnte. Bei der Suche nach ihrem Gefährt kam ihr die Melodie in den Sinn. Highlight dieses Blocks der zweiten Hälfte des “Enn” Albums war aber zweifellos ‘Upp Úr Øskuni’. Der etwas lautere Track kam auch beim Publikum hervorragend an.
Im abschließenden letzten Viertel des Konzerts griffen Eivør und ihre Männer noch einmal zum bewährtem Live-Material. ‘Salt’ und speziell ‘Í Tokuni’ waren ganz nach dem Geschmack des Publikums in der sehr gut gefüllten Live Music Hall. Als Eivør in dieser Phase nach einem kehligen Gesang kurz ein “Your turn!” in Mikrofon raunte, kam es zum Gelächter in den Reihen des Publikums. Aber: später im Song animierte die Sängerin das Publikum ein weiteres Mal. Und dieses Mal klappte die Übernahme des Gesangparts tadellos.
Noch vor 22 Uhr, der frühen Anfangszeit sei Dank, endete das Konzert in der Live Music Hall. Für mich als Freund gitarrenlastiger Musik war es eine angenehme Abwechslung, einen etwas ruhigeren Abend zu erleben. Beide Künstlerinnen zeigten sich als sehr sympathische Zeitgenossinnen, die beide ihr Handwerk bestens verstehen. Chapeau!
Fotos: Mister Ilms
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