(79:15; Digital, 2-Vinyl; Suicide Records, 10.09.2024)
Roger Andersson (geboren 1975) lebt, atmet und steht für das seit 2006 existierende Label Suicide Records. Das Label selbst und in diesem Fall die vorliegende Compilation haben einen sehr ernsthaften Ausgangspunkt. Im eigentlich beschaulichen Schweden stirbt alle sechs Stunden ein Mensch an Selbstmord. Der Label-Chef selbst hat trotz glücklicher Kindheit bis ins Jahr 1997 eine selbstzerstörerische Obsession in Sachen Alkohol und Drogen gelebt, kam davon aber glücklicherweise weg und schaffte sich ab 1998 in Göteborg eine neue Ersatzdroge – die Musik! Andersson konnte sich in der ansässigen Szene etablieren und erfüllte sich ab dem Jahr 2006 einen lang gehegten Traum mit der Label-Gründung von Suicide Records. Sein primäres Ziel, nur Musik zu veröffentlichen, die er auch selbst bereit war zu konsumieren, wird mit mittlerweile über 100 Veröffentlichungen konsequent gelebt.
Der letztlich auslösende Schmerzpunkt für dieses Herzens-Projekt sind drei Todesfälle innerhalb kürzester Zeit in 2022/23 und all dies im direkten persönlichen Umfeld von Roger. Diese Selbstmorde in der eigenen und einer nahestehenden Familie und der Tod eines guten Freundes durch eine Überdosis setzten dem Schweden ordentlich zu und traumatisierten ihn für einige Zeit zusehends. Trotz oder gerade wegen des Schmerzes entwickelte sich die Motivation bei Andersson, irgendetwas Sinnvolles zu tun, einen helfenden Beitrag zu diesem Thema zu leisten. So wurde der Schwede zum Initiator dieses musikalischen Projektes. Mit Suicide Zero, einer gemeinnützigen Organisation, die zur Aufklärung, Prävention und Unterstützung Betroffener in Sachen Selbstmord bereits viel Aufmerksamkeit und Engagement im öffentlichen Bereich generierte, tat sich der Schwede zu dieser gemeinschaftlichen Idee zusammen. Alle Erlöse fließen somit direkt in die Organisation.
Mit der weiteren Unterstützung von Audiolord Mastering in Göteborg, welche dank Johan Reivén (Drummer von LOK) einen einheitlichen Klangteppich zauberten sowie der graphischen Unterstützung von Error! Design in Barcelona (Mastodon, Metallica uvm.) wurde liebevoll an einer ganzheitlichen Verpackung für dieses spezielle Projekt gefeilt. Der Label-Boss konnte bei der Vinyl-Pressung mit Vinyl Plant aus Estland sowie dem deutschen Label Metal Blade in Sachen Promotion weitere renommierte Unterstützer finden. Hårt Tryck produziert ein T-Shirt in limitierter Auflage und die Danmark Music Group hilft beim digitalen Vertrieb.
Kommen wir nun zum musikalischen Teil, der aus 16 explizit brandneu für diese Collection eingespielten Stücken besteht. Mit Grand Cadaver (Mikael Stanne von Dark Tranquillity am Mikro) hat man gleich griffigen Death Metal als Opener im Gepäck. Im weiteren Verlauf begeistern Fredag den 13:e und Knivad mit melodisch dunklem Hardcore und sogar Skitsystem, die alten Veteranen des Crust Punk, bekommen hier ihren Auftritt.
Apokalyptischer Post Metal von The Moth Gatherer und Downfall of Gaia, melancholischer Alternative Folk von Fabian Brusk Jahn und ätherischer Pop von Firebreather sowie melodischer Indie Rock der Division of Laura Lee sind in ihrer Kombination und Qualität auf den Punkt als spannend zu bezeichnen.
Psychedelisch leichter Stoner Rock von den angesagten Besvärjelsen, ambiente Sounds der Spanier von Ulmus und düsterer Female Doom von Guhts sind grundsätzlich musikalisch völlig verschieden gelagert, harmonisieren aber in ihrer Abfolge vorzüglich miteinander. Andersson hatte definitiv einen guten Riecher bei der Bandauswahl und für die Reihenfolge der Songs wurde perfekt Regie geführt. Aus musikalisch komplett verschiedenen Welten fügt sich nahtlos jedes einzelne Puzzlestück ineinander. Der gemeinsame Nenner ist der Schmerz, die dunkle Leidenschaft, ob Metal, Hardcore, Doom und Folk. Mix und Mastering lassen diese Collection wie aus einem Guss erscheinen und mit jedem weiteren Hören verfestigt sich der benannte Flow.
Eine Compilation mit wirklich spannendem inhaltlichen Hintergrund, einer immens wichtigen Thematik, die auch in einem eigentlich stark aufgestellten sozialen Netz wie Schweden deren Schattenseiten nicht verleugnen kann.Bewertung: 13/15 Punkten (RB 13, KR 13)
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Tracklist:
1.Grand Cadaver – Long Lost Light
2.Fredag den 13:e – Änglamakerskan
3.The Moth Gatherer – Black Lung
4.Knivad – Isen förlamar
5.M:40 – Tyngdlös
6.Skitsystem – Evig vinter
7.Downfall of Gaia – Concrete Cemeteries.
8.Demonic Death Judge – Poisoner
9.Division of Laura Lee – Vanishing Act
10.Firebreather – Last Train
11.Fabian Brusk Jahn – Perciption of the past
12.Besvärjelsen – Velvet Sky
13.Novarupta – Mosaic
14.Ulmus – Silenci
15.Guhts – Burn My Body
16.Rainbird – Going Down
Cover und Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von Suicide Records