Tim Bowness – Powder Dry
(39:45; CD, Digital, Vinyl; Kscope Music, 13.09.2024)
So, Mr. No-Man und der Kumpel von Steven Wilson ist nun auch bei Kscope gelandet. Die letzten Alben des Crooners waren alle im weitesten Sinne ein hochwertiger angenehmer Mix aus klassischem Prog und elegischem Pop, wie man es von einer der sanftesten Stimmen des Genres kennt. Mit Unterstützung von Wilson gibt sich “Powder Dry” regelrecht übermütig. Ein Sammelsurium aus Fragmenten und Schnipseln und ein deutliches Mehr an Experimentierfreude wird hier auf den Gabentisch gelegt. Fetzen aus Electronica, Industrial Pop und Post Punk finden sich im aktuellen Kosmos von Bowness um ein Vielfaches mehr wieder. Natürlich muss der geneigte Fan keine großen atmosphärischen Überforderungen mutmaßen, die Stimme trägt auch diese Einflüsse und macht das Album am Ende zu einem klassischen Bowness-Hörerlebnis. Die vielen kurzen Partituren ergeben am Ende ein großes funktionierendes Puzzle, was auch als solches so wahrgenommen werden sollte.
Es findet sich weniger die bewährte Epik manch alter Songs auf “Powder Dry”, sondern vielmehr mutiges Integrieren vieler fremdartiger Soundschnipsel, was das Album bunt, wild und offener macht. New Wave, die alte Berliner Elektronik-Schule oder Classic Rock verschmelzen zu knapp 40 Minuten Art Pop. Die melancholische Stimme bleibt dabei wie immer der gemeinsame Nenner. ‘Rock Hudson’ und ‘Lost Not Lost’ sind unruhiger, rastloser Elektronik Pop mit leichter Post-Punk-Schlagseite. ‘When Summer Comes’ und ‘A Stand Up For The Ding’ sind dieser typisch ätherische Weltschmerz-Pop, wie man ihn gerade von No-Man gewohnt ist. Krachigen, aber eingängigen Industrial Pop, wie im dynamischen ‘Idiots At Large’, kannte man so bisher nicht vom Briten. Er steht diesem definitiv gut zu Gesicht. Die Produktion tut ihr Übriges.
Viel zu kurze Stücke wie ‘Heartbreak Notes’ und auch ‘This Way Now’ sind fast schon als ärgerlich zu bezeichnen. Daraus hätte man mindestens epische Fünfminüter machen müssen! Viele kleine sommerliche Dance-Loops schleichen sich in “Powder Dry” ein, wie etwa im kurzen ‘Summer Turned’ oder beim strangen ‘Old Crawler’ mit seinen abgedrehten Geigen. Melancholisch-stimmig spielt sich ‘You Can Always Disappear’ direkt ins Herz, Dies gilt ebenso für den Titelsong, trotz noisiger Collagen. Wie schon auf den tanzbaren, früheren No-Man Veröffentlichungen finden sich einige Trip-Hop- und Electronica-Einflüsse im Sound wieder, sodass sich so mancher Kreis mit diesem Album schließt. Mit Steven Wilson als Regisseur im Hintergrund ist “Powder Dry” eine runde Sache geworden. Die butterweiche Stimme von Tim Bowness ist und bleibt der Mittelpunkt, auch wenn so manche Töne und Sounds dieses Album wesentlich wilder gestalten als man es bis dato von Bowness gewohnt war.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Kscope Music zur Verfügung gestellt.