(50:01; Digital; Eigenveröffentlichung, 04.09.2024)
Auf einigen Bes-Of-Listen (BBC und weitere britische Portale) standen die Youngster aus Sheffield bereits im letzten Jahr. Nun kommt man im September nach kleinen EPs mit dem Langspiel-Debüt “A Dagger In Every Tide” auf den Markt. Nahtod-Erfahrungen, Verlust geliebter Personen, unerfüllte Liebe und Schmerz in all seinen Schattierungen machen diese Platte zu einem kathartischen Füllhorn. New Ghost sind im weitesten Sinne intensiver melancholischer Alternative Rock, der mit Tonnen von Shoegaze, Dream-Pop-Zitaten und dichten, schweren Grunge-Momenten zuckersüß betäubt. Die Songs haben gern ein feines Maß an Überlänge (fünf bis sieben Minuten), sind meist im schwebenden Mid Tempo verhaftet und wollen mit wehmütigem Charme und Leidenschaft das Herz des Hörers gewinnen. Das gelingt sofort vom ersten Hörmoment an, vorausgesetzt, du magst die neue, leichtere Version von Deafheaven, den euphorischen Sound von Nothing oder Feeder und den süßlich-verklebten Shoegaze der Weirdos von My Bloody Valentine.
Nach kurzem Intro spinnt ‘Cherry Violence’ gleich ein Netz, groovige luftig schwebende Heavyness webt einen nebulösen Mantel ums Ohr. Psychedelisch-himmlische Vocals, meist im Wechsel zwischen Male/Female generieren Flashbacks an die frühen Ride, die poppigen Smashing Pumpkins, wahlweise auch Jane’s Addiction in melodisch. Die Gitarren sind angenehm druckvoll, wenn auch schön verwaschen im Shoegaze-Hall, wie sowieso die gesamte Produktion einen dichten voluminösen Teppich bekommen hat. Wer bei den lieblichen Melodien in ‘Over’ nicht an das Überwerk “Loveless” der Shoegaze-/Noise-Pop-Überband My Bloody Valentine denken muss, dem ist erstmal nicht zu helfen. Die weiblichen Vocals schmieren dir schmachtend gehörig Honig ums Maul, alles ist mit viel Schönklang aufgeladen und badet in einem Meer aus Wall of Sound, Melancholie und Verletztheit. Wer die sanften atmosphärischen Anklänge von Amplifier, Oceansize und vor allem Pure Reason Revolution mag, wird mit dem verträumten, immer leicht psychedelisch, rockigen Sounds der Sheffielder Überschneidungen finden (‘Dreamsong’). ‘Viscera’ könnte auf einer Feeder-LP stehen, erinnert die hoffnungsvolle Attitüde doch mehr als einmal an deren sonnig, melancholischen Sound. Mit erneut sehr traurigen Sehnsuchts-Melodien und schönen Electronica-Einflüssen rockt und schmachtet ‘Red And Blue’ wehmütig acht Minuten durch den Äther, erzählt von plötzlichem Verlust einer nahestehenden, geliebten Person. Auch hier sind die mehrstimmigen Vocals ein wunderbar ausgespielter Trumpf.
Mit dem Schluss-Triple, der Vorab-Single ‘Wayfarer’ (die Dream-Pop-/Wave-Einflüsse lassen sich nicht leugnen), dem kraftvollen ‘All Endings’ und dem noisig rauschhaften ‘Slow’ räumt man nochmal gehörig ab und badet im feinsten ätherischen Wolkenmeer. Alles in gehörigem Moll, ohne depressiv zu klingen, wollen New Ghost mit meist schleppend ausladenden Strukturen nie die offene Tür einrennen. Man rockt und schwebt immer mit gesundem Maß und Kopf in den Wolken, presst den Schmerz durch ätherische Vocals und angenehm Bass-lastige schwebende Gitarren-Wände. Ein wundervoll dicht produziertes Werk mit allerhand Referenzen und trotzdem hohem Wiedererkennungswert, dank vieler schöner Melodie-Bögen.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Besetzung:
Taran Ali
Nic Bowden
Gareth Hughes
Ellie Richards
Joe Richards
Chris Anderson
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Cover/Abbildung mit freundlicher Genehmigung von New Ghost