Haken, 16.09.24, Esch-Uelzecht (LU), Rockhal Club
An Evening With Haken
Haken ist eine der Bands, die ich in letzter Zeit vielleicht ein paar Mal zu oft gesehen habe. Letztmals im Juni 2023, beim Midsummer Prog Festival, und drei Monate davor sogar noch in der Escher Rockhal, an gleicher Spielstätte, wo das Sextett auch im September 2024 wieder auftreten sollte. Eine gewisse Übersättigung hatte sich eingestellt, sodass die Frage aufkam, ob man sich die Band schon wieder geben sollte. Denn so viel anders als im letzten Jahr konnte es an diesem Abend ja eigentlich nicht werden.
Ein großer Irrtum, der wahrscheinlich aufgeflogen wäre, hätte man sich im Vorfeld über die Setlist des Abends informiert. Weitere Hinweise, dass es dieses Mal ganz anders werden würde, hätten der Titel der Tournee, “An Evening With Haken”, und die Tatsache liefern können, dass die Engländer ganz ohne Vorgruppe durch Europa tourten. So überraschten gleich zwei Dinge beim Betreten der Rockhal: Zum einen die digitalen Anzeigetafeln, die zwei, von einer Pause unterbrochene, Sets ankündigten, zum anderen das Auditorium des Clubs, das für dieses Konzert bestuhlt worden war. Haken im Sitzen? Ein Umstand, der wohl nicht für jedermanns Geschmack war, aber doch seine Vorteile hatte, denn Tanzen lässt sich zu der Musik der Briten sowieso nicht wirklich gut. Zudem ließ die Ankündigung zweier Sets die Vermutung aufkommen, dass es ein langer Abend werden könnte.
Pünktlich um 19:45 Uhr wurde das Licht im Saal gedimmt und vom Band der stimmungsvolle “Fauna”-Bonustrack ‘The Last Lullaby’ eingespielt. Ein passendes Intro für den Abend, denn das erste Set sollte ganz im Zeichen des aktuellen Albums stehen. Manch einer hatte dies schon bei der letzten Tour erwartet, doch obwohl das Bühnenbild und die Outfits der Musiker seinerzeit perfekt mit dem Artwork zu “Fauna” abgestimmt waren, lag der Fokus anno 2023 auf dem Vorgängeralbum “Virus”, das Corona-bedingt nicht hatte betourt werden können. An diesem Abend hingegen war nur Frontmann Ross Jennings im Dschungel-Look gekleidet.
Musikalisch gab es dafür aber die volle “Fauna”-Breitseite. Den Auftakt machte ein fulminantes ‘Taurus’, gefolgt vom Jazz-Fusion-Prog-Crossover ‘Nightingale’. Als es dann im Anschluss mit Peter Jones‘ Synthies und Avandgarde-Klängen in Form von ‘The Alphabet Of Me’ weiterging, wurde wohl auch dem letzten anwesenden Fan klar, dass “Fauna” an diesem Abend in voller Länge gespielt werden würde.
Zu Beginn des Konzertes war vielleicht noch ein wenig viel Hall im Sound zu vernehmen gewesen, doch reagierte das Team hinterm Mischpult schnell. Generell muss man den Tontechnikern für diesen Abend ein großes Lob aussprechen, denn wo Haken beim Midsummer Prog 2023 noch viel zu Metal-typisch abgemischt worden waren, was insbesondere den sanfteren Stücken nicht wirklich gut gestanden hatte, war der Mix in Esch ein ausgewogener. So schepperte es dann auch nur in den Passagen, wo es die Härte der Songs auch verlangte.
So kamen die 80er-Jahre Dance-Vibes des Stückes ‘Lovebite’ dann auch beschwingt über die Boxen, während die Band mit ‘Elephants Never Forget’, auch dank ihres Satzgesanges, ganz wunderbar diese Queensche Opulenz transportieren konnte, die man auch von der Studio-Aufnahme kennt. Insgesamt 62 Minuten beträgt die Spielzeit von “Fauna”, doch als man mit “Eyes Of Ebony” dann auch das letzte Stück der Platte zu ende gegangen war, entließen Haken einen noch lange nicht in die Pause.
Zwar folgte nur noch ein weiteres Stück, doch war dies das fast zwanzigminütige ‘Crystallised’. Vielleicht eines der besten Stücke der Band, da in ihm fast alle Trademarks der Band zusammen kommen. Am Ende des Stückes war die Begeisterung groß. Das aktuelle Album war komplett am Stück gespielt worden und dazu noch ein echtes Manus Opus.
Fast 90 Minuten hatten Haken zu diesem Zeitpunkt auf der Bühne gestanden und doch war erst Halbzeit. Passend zum Thema “Fauna” füllten – mit einem Augenzwinkern (oder Ohrenwackeln?) – Stücke aus Disneys “Dschungelbuch”, “Tarzan” und “Der König der Löwen” die Pause.
Und dann ging es richtig los!
Was folgte, war ein Programm, dass den Titel “Best Of” mehr als verdient gehabt hätte. Alle neueren Kapitel der Bandgeschichte wurden abgedeckt, sämtliche musikalische Facetten gezeigt. Angefangen beim technischen Progressive Metal von “Vector” (‘Puzzle Box’ und ‘Nil By Mouth’), über die 80er-Jahre Klänge von “Affinity” (‘Earthrise’ und ‘1985’) und den klassischen Progressive Rock des “The Mountain”-Klassikers ‘Cockroach King’ bis hin zu Stücken vom 2020er “Fauna”-Vorgänger “Virus”.
Das Album war u.a. mit ‘The Strain’ vertreten, wobei Schlagzeuger Ray Hearne bei diesem Song zu einem ausgiebigen Schlagzeug-Solo ausholte, welches von Peter Jones mit wunderbarem Sound-Design und eigenen Solo-Einlagen begleitet wurde. Der Übergang zu ‘Canary Yellow’, das von der gleichen Platte stammte, wurde fließend gestaltet und die Bühne dazu in passend gelbes Licht getaucht.
Im Anschluss nutzte Sänger Ross Jennings die Gelegenheit zu einer seiner wenigen Ansagen:
We wanna play a song from every studio album. This one goes back to the very first. This is ‘Drowning In The Flood’
Vor dieser Tournee, letztmals im Jahre 2013 live aufgeführt, war dieses “Aquarius”-Stück sicherlich die größte Überraschung des Abends. Gitarrist Richard Henshall wechselte phasenweise an die Keyboards und Jennings tauchte seine Stimme in Klangfarben, die Erinnerungen an Chris Cornell weckten. Wie sehr sich Haken doch in den letzten Jahren verändert haben…
Dann war Schicht im Schacht. Die Uhr zeigte 22:15 Uhr. Es waren zweieinhalb Stunden vergangen, seit Haken die Bühne betreten hatten. Noch nie hatte ich die Band ein solch langes Konzert spielen sehen. Und doch musste noch irgendetwas folgen. Schließlich war das 2011er “Visions” in der Songauswahl noch gar nicht berücksichtigt worden. Was würde noch folgen, in Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde?
Die Antwort auf diese Frage ließ nicht lange auf sich warten. Haken kehrten auf die Bühne zurück und ließen bei den Zuschauern mit den nächsten Tönen die Kinnladen herunterrunterklappen. Denn Haken schon stimmten nach knapp zweieinhalbstündiger Spielzeit tatsächlich den 20-minütigen Titel-Track der Platte an. What The Fuck!?!
Mehr braucht man dann an dieser Stelle wohl auch nicht mehr zu sagen …
Besetzung:
Ross Jennings – vocals
Richard Henshall – guitars, keys
Charlie Griffiths – guitars
Peter Jones – keys
Conner Green – bass
Ray Hearne – drums
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Rezensionen:
“Fauna” (2023)
“Virus” (2020)
“Vector” (2018)
“L-1ve” (2018)
“Affinity” (2016)
“The Mountain” (2013)
“Visions” (2011)
“Aquarius” (2010)
Konzert- und; Festivalberichte:
23.06.23, Valkenburg aan de Geul (NL), Openluchttheater, Midsummer Prog Festival 2023
19.03.23, Esch-Uelzecht (LU), Rockhal Club
07.03.19, München, Backstage
18.06.16, Köln, Gebäude 9
18.07.15, St. Goarshausen, Loreley Freilichtbühne, Night Of The Prog Festival X
Veranstalter und Venue:
Rockhal