Moon Safari
Das französische Elektronik-Duo Air gastierte diesen Juli im Innenhof der ehemaligen Abtei Neimënster in Luxemburg, um, mit einem Jahr Verspätung, den 25-jährigen Geburtstags ihres Albums “Moon Safari” zu feiern. Ein Klassiker der späten 90er Jahre, der vor dieser Tournee tatsächlich noch niemals komplett aufgeführt worden war.
Die Bühne, die im Luxemburger Grund errichtet worden war, erweckte den Anschein eines IKEA-Regals, Model “KALLAX”. Darauf Platz nahmen drei Männer, ganz in Weiß gekleidet. Auf der linken Seite, Jean-Benoît “JB” Dunckel hinter seinen Keyboards, ganz rechts, Nicolas Godin mit seiner Bassgitarre und dazwischen, Louis Delorme, der die beiden Versailler hinterm Schlagzeug unterstützte. Ein Bühnenbild, so schick wie minimalistisch, mit einer Ästhetik, die perfekt mit der Musik der Elektronik-Legenden abgestimmt war und auch irgendwie an das Cover Artwork ihres Albums “10000Hz Legend” erinnerte. Digitale Paneele im Hintergrund der Bühne vervollständigten die Szenerie und erleuchteten im jeweils passenden Licht, bzw. wurden dazu genutzt, Video-Sequenzen zu präsentieren.
Warum Air bis heute fast immer zu den Elektronik-Bands gezählt werden, das war schon immer irgendwie seltsam. Zwar dominierten die Keyboards JB Dunckels auch an diesem Abend fast sämtliche Stücke, doch machten Schlagzeug, Bass und immer wieder auch Gitarren das Konzert zu einer recht organischen Angelegenheit. Vom Band wurde praktisch nichts eingespielt, fast alles wurde live aufgeführt.
Tatsächlich präsentierten Air auf dieser Tournee nicht nur einfach ihr legendäres Debütalbum. ‘La Femme d’argent’, ‘Sexy Boy’, ‘All I Need’…, spätestens nach dem dritten Stück wurde man gewahr, dass “Moon Safari” am Stück in originaler Reihenfolge aufgeführt werden würde.
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Pop-Melodien, psychedelische Floyd-Momente, krautige Rhythmen und Electronica in der Tradition von Tangerine Dream prägten “Moon Safari” und wurden an diesem lauen Sommerabend geschmackvoll live umgesetzt. Man muss sich schon fragen, warum diese Band in Prog-Kreisen keinen größeren Anklang findet. So folgten der Kult-Song ‘Kelly Watch The Stars’, das ganz ohne Drums auskommende ‘Talisman’, sowie ‘Remember’, bei dem die durch einen Vocoder verfremdete Stimme Godins für Gänsehautmomente sorgte. Noch schöner war allerdings das so wunderbar gefühlvolle ‘You Make It Easy’ mit Glockenspiel und ganz viel Akustikgitarre, bei dem Schlagzeuger Delorme, wie schon bei ‘All I Need’, den Gesangspart von Beth Hirsch übernahm. Irgendwie war es beim Betreuer in Vergessenheit geraten, aber “Moon Safari” gehört tatsächlich zu jener rar gesäten Sorte von Alben, bei welchem jedes Stück einen zeitlosen Kult-Charakter besitzt. ‘Ce Matin là’ mit Mundharmonika und Soft-Porno-Flair, die wabernd-floydigen Soundscapes von ‘New Star In The Sky’ und die Synthiesounds erzeugende Flöte in ‘Le voyage de Pénélope’. Eine Platte für die Ewigkeit!
Natürlich beließen es Dunckel und Godin nicht bei der Aufführung ihres Erstlings. Denn einerseits war es noch viel zu früh für ein Ende des Konzertes, andererseits hatte man noch viel zu viele Hits in petto, die nicht fehlen durften. Glücklicherweise ließ man im Folgenden sämtliche Musik, die nach 2004 entstanden war, außen vor und beschränkte sich auf Stücke der Erfolgsalben “10000Hz Legend” und “Talkie Walkie”.
Das mysteriöse ‘Radian’ sorgte für einen stimmungsvollen Auftakt, zudem die Bühne in die hellen Orangetöne eines Sonnenaufgangs getaucht wurde. Das anschließende ‘Venus’ hingegen überzeugte durch seinen Kontrast aus groovig-sattem Schlagzeug-Klang und leuchtend hellen Synthie-Passagen. Zum zuckersüßen ‘Cherry Blossom Girl’, mit seiner einprägsamen Gesangslinie, wurde die Bühne dann in stimmiges Zartrosa getaucht. Passend dazu kullerten nicht nur beim Betreuer die Tränen. Tosender Applaus unterstrich im Anschluss die Begeisterung des Publikums und den Stellenwert dieses Stückes. Bei ‘Run’ wurde es danach sogar noch bedächtiger, denn das Stück hatte eine nahezu benebelnde Wirkung. Einzig das anschließende ‘Highschool Lover’ stammte nicht von einem dieser beiden Alben, sondern vom Soundtrack zu Sofia Coppolas “The Virgin Suicides”. Das Stück mit seinem unglaublichen Klavier-Riff gehört übrigens zu den bekanntesten Liedern der Franzosen und sollte einem jeden Film-Fan ein Begriff sein. ‘Don’t Be Light’ bildete den Abschluss des Hauptsets. Eine perfekte Wahl, denn der Schlagzeug-Beat des Stückes, zwischen Dancehall und Krautrock, zu welchem die Bühne im Disco-Licht erstrahlte, verwandelte das Publikum in eine Tanzbein-schwingende Menge.
Doch auch hiernach war noch nicht Schluss. Air hatten sich noch zwei Kracher für die Zugaben aufgehoben. ‘Alone In Kyoto’, das durch den Soundtrack zu “Lost In Translation” bekannt geworden war, war im Live-Setting mindestens genauso großartig wie der Kult-Film mit Bill Murray und Scarlett Johansson. Klavier, Glockenspiel und Akustikgitarre, das war ganz ganz großes Kino, allerdings ohne den dazugehörenden Film. Und danach, als Abschluss, vielleicht das beste Stück aus der Air-Diskografie: ‘Electronic Performers’, mit seinem markanten Knistern, seinen Streicherklängen und einem Ende, ganz nahe an Pink Floyd dran.
Da möchte man am Ende eigentlich nur noch eines sagen: Air sind so viel mehr als einfach nur Electronic Performers!
Besetzung:
Jean-Benoît Dunckel
Nicolas Godin
Louis Delorme
Fotos: Prog in Focus
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Rezensionen:
“The Virgin Suicides” (2000)
“Premiers Symptomes” (1999)
“Moon Safari” (1998)
Veranstalter: A-Promotions
Venue: neimënster