(1:01:11; Vinyl, CD, Digital; Pelagic Records, 06.09.2024)
Durchatmen… Album des Jahres in Sachen Post Rock? Was die beiden Schweden hier mit ihrem vierten Release auffahren, will erstmal verdaut werden. Orchestral, monumental, düster und anspruchsvoll wird dem Hörer in über 71 Minuten mit Kompositionen von über 18 Minuten Länge einiges an Aufmerksamkeit abgefordert. So viel vorweg: Die Band zahlt dieses mit “An Empire” um ein Vielfaches zurück. Auch wenn die Weltlage und persönliche Ereignisse im Jahre 2019 die Arbeit am Album für einige Zeit auf Eis legten, fand man offenkundig um so fokussierter und gestärkt wieder zueinander, um das selbsternannte Imperium zu erschaffen.
Stell dir vor, der letzte Tag auf Erden ist gekommen. Du sitzt alleine am Rande eines Canyons, hoch, hoch oben im Norden, schaust in die unglaublichste Abendsonne, die Du jemals erblicken durftest, sinnierst mit Bildern im Kopf, die Dein Leben definierten. Alles wird enden, unwiderruflich, in wenigen Stunden. “An Empire” ist der perfekte Soundtrack zu diesem Szenario. Denk’ als Orientierung an die transzendente Atmosphäre von Ulvers ‘Eos’, die dräuende, ewig dröhnende Dunkelheit einer Anna von Hausswolff auf ihrem “Dead Magic”-Album, das apokalyptische, das soundtrack-affine Endzeitliche der Norweger von Red Harvest auf ihrem Meisterwerk “Hybreed” (1996) und all das schmerzhaft Schöne der Japaner von Mono und du bist “An Empire” auf der Spur. Zwischen hoch zerbrechlichen, ambienten Texturen, über die immer wieder das zerbrechliche Organ von Jakob Berglund flüstert, phrasiert und sich fast wie ein zusätzliches Instrument integriert, und über tonnenschwere Gewalten wirst du mit diesen Kompositionen in einen Sturm geraten.
Der Opener ‘This Will End In Fire’ startet behutsam, wabernde Drones und Orgelklänge, fragile Gitarren und zerbrechlicher Gesang erzeugen eine unwirkliche, fast schmerzhaft introvertierte Atmosphäre. Definitiv bedrückend ist die Stimmung, sakrale Melodien lassen mich immer wieder an Anna Von Hausswolff denken, mit den Orgeln werden tiefe, warme Schwingungen kreiert, die mit gehörig viel Traurigkeit aufgeladen sind. ‘Heathen’ startet mit schaurig-schönen, ambienten Piano-, Orgel- und Drone-Texturen, nimmt dich an die Hand und steigt mit dir tief in unbekannte, düstere Katakomben. Man nimmt sich Zeit, es herrscht ein stetes An- und Abschwellen. Minutenlang treibt man durch Raum und Zeit, um im richtigen Moment im düsteren Finale die Absolution zu suchen. Tief schürfende, schwebende Drones und zarte Vocals lassen im späteren Verlauf etwas mehr Licht hinein. Wenn das Crescendo aus wühlenden Gitarren, einer leisen melancholischen Trombone (die mich an die genialen Beyond Dawn denken lässt) und kraftvollen Drums die Wolken aufbrechen lässt, entsteht ein Funken Glückseligkeit.
Mit knapp 18 kathartischen Minuten wird in ‘The Pyre’ die volle Breitseite präsentiert. Erneut sehr fragile, leise Parts mit brüchigen Vocals werden nach und nach mit symphonischer Kraft zwischen Sludge, Post Metal und Doom, dank vollmundiger Orchestrierung, zu einem Höhenrausch. Tiefe Einsichten, ein nicht zu fassender Schmerz, Metamorphose, Abkehr und ein gefühltes Ende machen dieses Sound-Monster mit vielen musikalischen Ebenen zu einem brodelnden Unruheherd. Auf ähnliche Weise werden diese Gitarren-Drone-Texturen im Titelsong hervorragend neben dem Piano integriert, wie man es auch von Sólstafir, wahlweise Isafjørd kennt – magisch. Dazu erneut dieser stille Gesang, der wie ein sanfter Hauch, ein schwaches Lüftchen durch die Zweige raunt.
Sehr düster und in Widescreen lassen die beiden letzten Songs, im Besonderen das erneut mit 18 Minuten epische ‘Anthem’, das ausufernde, konsequente Maß der Schweden wie dunkle Gewitterwolken über den Hörer ziehen. Nichts ist halbgar, unvollendet und inkonsequent, im Gegenteil. Die Musiker wissen die Stilistik weit über die bekannten Grenzen in Resonanz zu bringen. A Swarm Of The Sun haben mit “An Empire” ihr bisheriges Meisterwerk geschaffen, geben der Musik einen weiten, unglaublich intensiven Raum zur Entfaltung. Es bleibt pure Katharsis für die dunkle Jahreszeit. In Sachen Produktion, Soundgewalt und Konzept ist das Album ein betoniertes Statement für den geneigten Nischenfan, der sich gerne in düsteren, sehr detailverliebten Klangwelten verliert. Im richtigen Moment mit offenen Ohren und Herzen jetzt schon eines der Highlights in 2024.
Bewertung: 14/15 Punkten (FF 13, RB 14)
Besetzung:
Jakob Berglund – Vocals, Synths and Textures, Vibraphone, Harmonium, Musical Saw
Erik Nilsson – Guitars, Piano, Variety of Organs and Keys, Backing Vocals
Anders Carlström – Bass
Karl Daniel Lidén – Drums
Minna Larsson Heimo – Pipe Organ
Vilhelm Weréen – Trombone
Surftipps zu A Swarm Of The Sun:
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Live- und Festzivalberichte:
25.08.24, Maastricht (NL), Muziekgieterij, Pelagic Fest 15th Anniversary Edition
Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Pelagic Records und Sozius PR zur Verfügung gestellt.