Trafostation 61 Festival, 09.-11.08.24, Frechen

»Von Freunden für Freunde…«


… das Motto dieser Veranstaltung charakterisiert vielleicht am besten und einfachsten, worum es hier eigentlich geht: No nonsense, no stress, no money-grubbing. Just good clean noisy friendly fun…. Und das gilt von Sekunde eins des Festival-Erlebens an: Ein lächelndes “Schön, dass Du hier bist” am Einlass ersetzt hier das Anstehen, Leibesvisitationen bis kurz vor der Darmspiegelung, Gehampel wegen Ticket oder Gästeliste, das man von anderen Festivals so gut kennt. Nein, eigentlich setzte dieser “Wir freuen uns über/auf Dich”-Flow sogar noch früher ein. Als nämlich der unermüdlich zwischen Frechen (bei Köln) und der Grefrather Pampa pendelnde Shuttle-Bus für den fürbass marschierenden Autor auf freier Strecke hielt und hoffnungsfroh “Zum Festival?” fragte! Dieses Easy Livin’ Feeling schließt eine Festival-Orga ein, die selbst wenn grad eine der Formationen des Tages meldet, auf der Autobahn mit Bandbus-Panne liegengeblieben zu sein, äußerst entspannt bleibt (da Plan B vorhanden). Und sich sogar trotzdem noch Zeit fürs Journalistenpack nimmt.
Der persönlich schönste Festivalmoment vorab: Die freiwilligen Helfer, die heroisch einen von nur zwei vorhandenen und deshalb entsprechend belagerten Bierausschank befrauen und bemannen (EINMAL im Leben gegendert, boah) formieren zur Partymucke von The Crimson Ghosts einen circle of death – IN der rund aufgebauten Bierbude.


Und ja, Musik gab’s natürlich auch. Wobei hier wie bei anderen Lieblingsfestivals – ProgPower Europe zum Beispiel – gar nicht so oberwichtig ist, wer genau spielt. Sondern das. Und wie.

Freitag

Historische Transformator-Spule

Monolith

Das arbeitende Volk hatte es leider einfach nicht vor 19 Uhr von Bonn aufs Gelände geschafft – aber immerhin noch passend zum Doom der Nordlichter Monolith. Und ihrem (auf Platte noch weit mehr als live) unverschämt nach Ozzy klingenden Sänger. Das entpuppte sich schon mal als feine Kick-off-Veranstaltung.

Stepfather Fred

Stepfather Fred stammen aus 87634 Obergünzburg, sind eine nimmermüde tourende Band und daher auch souverän genug, ohne Brauenzucken den 20:50- gegen den 19:40-Uhr-Slot zu tauschen. Geständnis: “Schweinerock” à la AC/DC Coverbands, Rose Tattoo oder Ähnliches sind normalerweise nicht des Autoren allererste Prio. Aber jeder noch so versnobte Konzertgänger muss die Live-Qualitäten dieser Band schlicht anerkennen – und die des Sängers Basti, einer Frontsau allererster Kajüte (das Megaphon hätte er nun wirklich nicht gebraucht). Der binnen kurzem mit dem Publikum anstellen konnte, was immer er wollte. Und er wollte es halt springen sehen. Was blieb uns anderes übrig bei Granaten wie ‘I Have to End’, ‘Die hard – Live Fast’, ‘Tripped My Demon’, ‘Cocaine’? Die Midtempo-Nummer ‘Collecting Faith’ und die Ballade ‘Unconditional Love’ ließen die Gemeinde kurz vom Haken, aber grundsätzlich blieb die Devise “Rock till you drop”.

Sweeping Death

Wir erinnern uns – nun hätte eine Plan-B-Band (Onyx) spontan den Abend retten sollen. But this is live/life, ladies and gentlemen: Sweeping Death aus 82409 Wildsteig hatten es völlig wider Erwarten doch noch aufs Gelände geschafft. Schade für die hilfsbereiten kölschen Jungs, trotzdem schön für alle anderen. Ihr Melodic (Speed) Heavy Metal gefiel mit Twin Lead Guitar parts und einem E-Piano-Intro durchaus, fiel vom Energielevel her aber gegen die Stiefpapas ab.

Auf ein Wort mit Festival-(Co-)Organisator Sebastian Militar:

Wie viele Menschen sind heute auf dem Gelände?

Sebastian: Ich habe noch keine genauen Zahlen, gehe aber von um die 700 aus.
(Anm. d. Red.: Am Samstag wurden es 1.000!)

Ist das dann – bei Euren ultrafairen Eintrittspreisen – bereits kostendeckend?

Ja.

Wie viele würde das Areal im jetzigen Setup vertragen?

Laut unseren Brandschutz-Auflagen 1.800.
Aber wir sind zufrieden, wenn es so läuft wie dieses Jahr. Bei 1.800 wäre es keine Party unter Freunden mehr, sondern würde fürs Team in Arbeit ausarten. Es ist ja eh schon irre, wie unsere Leute einfach mal so zwei Wochen Urlaub fürs Festival nehmen.

Dann müsste auch noch erheblich mehr in Richtung sanitäre Anlagen passieren.

Stimmt.

Was kostet das aktuelle Sani-Setting eigentlich so über den Daumen?

Wir haben zwölf Dixies und etliche Pissoirs. Die Miete für drei Tage macht 4.000 Euro.

The Crimson Ghosts

Den Sack zu durften am Freitag die kölschen The Crimson Ghosts machen. Pretty funny for – in their words – “Horror Punk”, if you ask me. Was auch und gerade an den vielen Chören/mehrstimmigen Gesandsparts gelegen haben könnte. Ballerte jedenfalls erheblich.

Samstag

Bereits seit 2011 (!) gelingt dem positiv verrückten TrafoTeam – von der Presse weitgehend ignoriert – alljährlich eine märchenhafte Transformation: Vom lauschigen Waldstück zum Holy Ground, einer Art Mini-Wacken. Und danach wieder zurück zum unberührten – sagte ich das eigentlich schon? – wirklich besonders schönen Wald. Tatsächlich vermutet man hinter der nächsten Ecke eigentlich immer eher Waldschrate und -elfen statt der dann doch auftauchenden Heavy Metal Fans. Aber auf kein mir bekanntes Festival würde ich mit weniger Bedenken kleine Kinder mitnehmen. Tatsächlich gibt es am Einlass sogar ein Kontingent (freundlicherweise vom Kölner Music Store gesponsorter) “Micky-Mäuse” zum Verleihen an Eltern, die den Gehörschutz für ihren Nachwuchs vergessen haben!



Defiler…

… von denen meinereiner nur noch das letzte Lied mitbekommen hat, waren definitiv nicht die kalifornische DeathCore Band. Sondern sollen aus Köln stammen. Trotzdem keinen Link zu denen entdeckt. Bei ihrer Mucke handelt es sich jedenfalls nicht – wie das Bandlogo suggerieren könnte – um Black Metal (der eh nicht aufs Trafo gepasst hätte). Sondern eher um räudigen Street Punk. Nice though.

Tunica…
… verstecken sich nicht ganz so im weltweiten GeWEBe. Und auf der Bühne schon gar nicht. Was auch schade wäre, bei dem durchaus attraktiven Anblick, den sie bieten. Den Fotobeweis muss der Autor diesmal allerdings schuldig bleiben, da das entsprechende Bild leider “verschwunden” ist. Mit Sicherheit sagen lässt sich aber, dass der Indie Rock/Pop der Kölner live erheblich fetziger als auf Platte ist.

Transonic Science

Ebenfalls aus Kölle stammt das Psych-Stoner-Gewächs (Oder “Bulldozer Blues”, wie sie das selber nennen) Transonic Science mit einem guten alten Bekannten (Manuel Estrada, Riot In The Attic) am Bass. Material wie ‘Dusty’ vom aktuellen Album “Psychobulb” planierte jedenfalls gut und vermittelte hier im Wald beinahe wüste Kyuss Vibes.

Scream Of The Butterfly fielen nun einer kleinen Entspannungspause zum Opfer. Nicht aber …

… Wight

Die Darmstädter waren heute aus Frankfurt/Oder angereist und dankten ihrem Fahrer Jonas ausdrücklich für dessen offensichtlich bemerkenswerte Leistungen. Die Formation galt mal als Stoner Rocker. Das Trafo entzückten sie aber mit Psych, Kraut, Jazzigem, Funkigem, Whatever. Bei den Ansagen glaube ich einmal ‘The Sound Of Revolution’ verstanden zu haben, finde aber bislang keinen Wight-Titel dieses Namens. Auffällig war jedenfalls der marching rhythm, die schönen Orgel-Parts, ein Synth-Solo sowie das gekonnte throat singing.

Kassoghta

Der Progressive MeloDeath der Schweizer hat bei Arch Enemy recht gut hingehört. Das geht hin bis zu Ähnlichkeiten bei Songtiteln (‘Rise’ versus ‘We Will Rise’), aber das ist ja keine Schande. Sängerin Stephany kann sowohl clean wie Growls, was will man mehr? ‘Pale Horizon’ zum Beispiel will (und bekommt) man.
Solide alles.

Magnetic Mountain
Die Anziehungskraft der (für den Autor) letzten Band des Abends liegt in der puren Geilheit vom Stoner Rock dieses Darmstädter Vierers.

Shor… Shirt Story


Im Jubiläumsjahrgang ’22 hatte es ein besonders schön anzusehendes (marmorierte Grundfarbe, edler Druck) und anzuziehendes (allgemeine Top-Verarbeitung) limitiertes T-Shirt gegeben. Das T61-Leibchen gab es limitiert auf nicht etwa 666, sondern genau 61 Exemplare 😉. Und just dieses war am Samstag nun des Autoren Dienstkleidung. So etwas passiert vermutlich auch nur auf dem Trafo: Wildfremde Menschen prosten Dir zu und begehren zu wissen, welche Nummer der Serie Du am Leib trägst (Antwort: Lfd. Nr. 11).

Auf ein Kaltgetränk mit Sebastian Militar:

Was hat es eigentlich mit der “Grillstelle” auf sich?

Naja, auf diesem Areal ist Grillen grundsätzlich verboten. Weil es aber bei einem Festival im Sommer so oder so passiert, bieten wir lieber einen Platz an, den wir im Auge behalten können – und der sich ein paar Meter vom Standort der Feuerwehr befindet.

Sonntag

Wie süß: Der Announcer des Festivals hatte aufgrund der gestrigen Ausschreitungen fast ganz die Stimme verloren. Trotzdem quälte er sich mit einem imposanten “Kikeriki! Guten Morgen Trafo!” (es war 14 Uhr). Was auch so höflich wie passend beantwortet wurde: “Ausziehen!”

Lo Seal

Der Wave/Noise/Grunge(?) dieses Kölner Duos war es nicht so richtig, was die “Anstrengungen” der beiden Vortage zu dieser “frühen” Stunde bereits hätte vergessen lassen. Trotzdem nett. Denn in ihren alleroberüberbesten Momenten erinnerten sie zumindest ein wenig an The Fall!


Übrigens: Bei anderen Festivals, die ich nennen könnte, wird Besuchern Stress gemacht, die einen mickrigen Camping-Stuhl mit aufs Gelände nehmen wollen (“blockierte Fluchtwege”). Heute begrüßte die TrafoHeads eine komplette Couchgarnitur – direkt vor der Bühne platziert. Wo garantiert kein Fluchtweg beeinträchtigt wird.
Typisch Trafo mal wieder: all die vielen super bequemen Couches auf dem Gelände sind crowd-sourced, vulgo gespendet.

Ein minimal übernächtigter Sebastian dazu: “Gestern Nacht stand die Garnitur noch auf der Bühne. Darauf haben wir aftershow noch eine Jam Session mit Magnetic Mountain gemacht…”

Exdirectory

Die Band selbst: “Wir bewegen uns irgendwo zwischen Psychedelic Rock und Stoner Rock, der auch immer wieder von Progressive Rock und Jazz Rock durchzogen ist.”
Songs wie ‘The More I Live, The More I Die’ schienen aber eigentlich mehr dem Funk zugehörig. Die Vocals sind hell, klar, recht prägnant. Zumindest live aber auch nicht immer ganz hasenrein.

Sober Truth

Über die Siegburger Headliner der Herzen muss man nicht viele Worte verlieren. Sie kamen, sahen, rockten und siegten. Und hielten (jedenfalls mutmaßlich bis zum Auftritt von Bloodspot) mühelos den Härterekord der Festivalausgabe.

Mit diesem zutiefst befriedigenden Auftritt hat es der Autor dann auch gut sein lassen. Denn…
1. war das auch so schon sehr viel gute Musik an drei Tagen hintereinander gewesen,
2. hatte man ja gerade die Favoriten im Billing erleben dürfen,
3. muss mann morgen früh raus, und
4. wollte ich immer schon wenigstens einmal im Leben einen Festivalbericht nicht Wochen danach, sondern schon am letzten Tag des Festivals veröffentlichen. BINGO 😊

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FAZIT

NEGATIV:

  • Es sind eigentlich nur paarenvierzig Autokilometer. Speziell als Öffis-Parkour können die es aber in sich haben, wie der Autor ’22 herausfinden durfte (3,5 Stunden einfache Fahrt). Die aufgrund dieser Erfahrung heuer erstmals erprobte Kombi privates PROGgoMobil, Hotel in Frechen City und Shuttle löst aber denkbar entspannt auch dieses Logistikproblemchen.
  • Fürs leibliche Wohl sorgen zwei “Fressbuden”. Da kann es zu Stoßzeiten schon mal zu längerem Anstehen kommen. Aber kein Vergleich zum z. B. Midsummer Prog – zumal sich hier die Wartezeit eben auch richtig lohnt.

POSITIV:

  • Der verwunschene Zauberwald – der eigentliche Austragungsort -, aber auch das benachbarte Feld sind einfach nur schön…
  • Schatten: Trotz wolkenlos-prächtigem Wetter bei 30 Grad bleibt das Klima beim Trafo auch für die Jüngsten und die Ältesten unter den Besuchern stets angenehm. Und es findet sich bei Bedarf immer auch ein schattiges Plätzchen.
  • Extrem freundliche, gut draufige Festival-Orga und -Helfer sowie assoziierte Elemente (Security, Rotes Kreuz, Feuerwehr)!
  • Die beiden liebenswürdigen “Ghost Riders”, mit deren Shuttle-Schüttel-Bus man von Mittags bis 3 Uhr morgens jederzeit in Kontakt mit der Zivilisation “da draußen” treten konnte, wenn man das denn wollte, sind purer Kult. Bei einem von beiden lief im Bus permanent und heftigst laut Schlagermusik…
  • Ein Heavy-Mucke-Festival auf das Wesentliche reduziert: (fast) umsonst (55€ für drei Tage!!! ) und draußen.
  • Faire Preise für alles, vom (speziell fürs Festival gebrauten!) Bier (3,50€) übers Essen bis hin zum Festival-Merch (“Mörtsch” genannt)
  • Apropos Futti: Ansprechende Auswahl vom selbst und charmant betriebenen Crêpe-Stand oder vom Züni Foodtruck, dort auch mit attraktiven vegetarischen Angeboten, z. B. Couscous-Pfanne, Falafel an Salatbouquet, Veggie-Burger, Veggie-Bratwurst, vegane Remoulade habe ich auch gesehen.
  • Apropos Kohle: Die Festival-Währung “TrafoTaler” verliert (ganz im Gegensatz zum geldgeilen Gebaren bei anderen Festivals) nie die Gültigkeit. Sie stellt also geradezu eine Geldanlage in unseren inflationären Zeiten dar😊.
  • Local Poison: Ein Festival dieser Größenordnung kann und will keine Mondgagen zahlen, daher kommen viele der auftretenden Bands zwangsläufig aus der Umgebung.
  • Genre-Mix: Bei der bunten Mischung von Alternative Rock/Pop über Stoner Doom bis MeloDeath war nun wirklich für jeden etwas dabei.

Also: Auf bald im Wald! 😊


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Handy-Wackelbildchen: Klaus