Too Old To Rock ‘n’ Roll?
Ich bin nie ein großer Scorpions-Fan gewesen, aber irgendwann hatte ich mir einmal gesagt, dass man Legenden einmal gesehen haben muss, solange sie noch existieren. Dass die Scorpions in diesem Jahr auf großer “Love At First Sting 40th Anniversary”-Tour waren, war daher eine passende Gelegenheit, sich die Hannoveraner Hard-Rock-Legenden endlich einmal live zu geben. Letzte Zweifel, ob wir wirklich zum Open Air auf dem Luxemburger Messegelände fahren sollten, zerstreuten sich schnell, als klar wurde, dass keine geringere Band als Extreme als Support-Act auftreten würden. Damit waren dann auch die letzten Hemmungen gefallen, einen Konzertbericht für Betreutes Proggen zu verfassen. Schließlich hatte “Six”, ihr jüngstes Album, im vergangenen Juni bei uns einen “Teapot of the Week” abgesahnt.
Dass mit der luxemburgischen Formation Superdrive eine weitere Gruppe im Vorprogramm der Scorpions auftrat, schenken wir uns gezwungenermaßen, da wir auf dem Luxexpo-Gelände just in dem Moment aufschlugen, als der letzte Song der Band gerade zu Ende ging.
Extreme
Extreme sind den meisten Menschen vor allem wegen ihrer zwei größten Hits bekannt, die Anfang der 90er im Radio und Musikfernshenen bis zur Besinnungslosigkeit rauf- und runter genudelt worden sind: die beiden Balladen ‘Hole Hearted’ und ‘More Than Words’. Interessanterweise sind diese beiden Stücke eigentlich eher untypisch für die Bostoner Musiker, denn ihr Metier ist eigentlich der funkige Hard Rock, was Extreme an diesem Abend bereits mit dem Opener ‘It(‘s A Monster)’ eindrucksvoll unter Beweis stellten, denn die funkigen Rhythmen des “Pornograffitti”-Klassikers eroberten das Publikum im Handumdrehen.
Dass im Anschluss mit ‘Decadence Dance’ ein weiteres Stück vom ’90er Hit-Album folgte, war kein schlechter Zug, wäre aber kaum notwendig gewesen, denn auch neue, für die meisten Zuschauer unbekannte Stücke, wie etwas ‘#Rebel’ vom letztjährigen Album ließen die Resonanzen des Publikums nicht abflauen. Was auch kein sonderliches Wunder war, denn insbesondere Frontmann Gary Cherone wirkte mit seinem Charme und seiner fast vierzigjährigen Bühnenerfahrung wie ein Magnet auf das Publikum.
Dass Extreme bei ‘Play With Me’ ein paar Elemente von Queens ‘Fat Bottomed Girls’ mit einbauten, wurde vom Publikum freudig aufgenommen. Mit ‘Hole Hearted’ luden die Neu-Engländer die Anwesenden erstmals zum Mitsingen ein, bevor Nuno Bettencourt bei ‘Midnight Express’ mit seinem Akustik-Gitarren-Zauber die Kinnladen der Fans runterklappen ließ.
Doch wie schon erwähnt sind diese Balladen bei Extreme eher die Ausnahme, sodass es zum Ende des Auftrittes noch einmal richtig schön funkig wurde, denn es folgten ‘Banshee’ und das großartige ‘Get The Funk Out’, das Bettencourt mit einem atemberaubenden Solo namens ‘Flight of the Wounded Bumblebee’ einleitete (vgl. Rimsky Korsakovs Original, d. Schlussred.). Der helle Wahnsinn!
Ein durch und durch gelungener Auftritt; allerdings nur bis zu diesem Zeitpunkt. Denn was der krönende Abschluss eines Konzertes hätte werden sollen, wurde für Fans der Band zur herben Enttäuschung. Denn während Extreme ihre letztjährigen, hochgefeierten Single ‘Rise’ anstimmten, setzte urplötzlich die gesamte PA aus. Ein Umstand, der von der Band selbst entweder nicht wahrgenommen oder komplett ignoriert worden ist, sodass sie das Stück bis zur letzten Note zu Ende spielten, auch wenn das Publikum nur die Sounds aus den Monitor-Boxen wahrnehmen konnten.
Dass es sich hier um technische Probleme handelte, ist kaum anzunehmen, da die Techniker hinterm Mischpult keinerlei Anstalten machten, das Problem zu beheben. Vielmehr ist zu vermuten, dass man Extreme einfach den Saft abgedreht hatte. Die Band war mit Verspätung auf die Bühne gegangen und hatte ihre Bühnenzeit zu diesem Zeitpunkt bereits überschritten. Schade, vor allem, da man eines der besten Gitarren-Soli des Jahres 2023 zwar sehen, aber nicht wirklich hören konnte.
Besetzung
Gary Cherone (Gesang )
Nuno Bettencourt (Gitarre)
Pat Badger (Bass)
Kevin Figueired (Schlagzeug)
Scorpions
40 Jahre sind vergangen, seit “Love At First Sting” erschienen ist. Für manch einen mag das wie eine kleine Ewigkeit erscheinen, viele der Anwesenden waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren, doch wenn man in Betracht zieht, dass die Scorpions mittlerweile seit knapp 60 Jahren existieren, relativiert sich das Ganze schon wieder; erst recht, wenn man das Alter der Musiker betrachtet: Klaus Meine und Rudolf Schenker sind Jahrgang 1948, Matthias Jabs ist ’55er Baujahr, Schlagzeuger Mickey Dee wurde 1963 geboren und selbst das Jüngste Mitglied, Bassist Paweł Mąciwoda, ist bereits 57 Jahre alt.
“Too Old to Rock ‘n’ Roll?”, musste man sich da fragen? Vielleicht in Ansätzen. Vor allem Frontmann Klaus Meine machte zeitweise einen leicht tattrigen Eindruck, manchmal schien es, als würde er sich förmlich an seinem Mikrofon festhalten.
Was ihn allerdings nicht davon abhielt, einen ansonsten bravourösen Auftritt abzuliefern. Denn noch stärker als den Musikern von Extreme, merkte man Meine, Schenker und Co. ihre langjährige Bühnenerfahrung an. Natürlich konnte man die Rocker-Outfits und all das Gepose solch alter Herren als tiefst peinlich empfinden. Musste man aber nicht. Und wenn man bereit dazu war, sich auf die Show der Scorpions einzulassen, bekam man tatsächlich Großartiges geboten.
Dass man “Love At First String” am Stück und in der Songabfolge des Albums spielen würde, wäre aus dramaturgischen Gründen unsinnig gewesen. So begann der Auftritt der Scorpions dann auch nicht etwa mit ‘Bad Boys Running Wild’ sondern mit ‘Coming Home’, für das Klaus Meine, die Gitarristen Rudolf Schenker und Matthias Jabs, Bassist Paweł Mąciwoda sowie Mikkey Dee vom luxemburgischen Publikum lautstark gefeiert wurden.
Als die Reaktionen der Zuschauer beim darauf folgenden ‘Gas In The Tank’ vom ’22er Album ‘Rock Believer’ nicht leiser wurden, konnte man bereits sicher sein, dass Lëtzebuerg den Hannoveranern an diesem Abend aus den Händen fressen würde. Warum auch nicht.
Die übergroßen Videobildschirme flackerten farbenfroh, der Sound stimmte, die Musiker waren bestens aufgelegt, sodass man aus der Ferne betrachtet kaum erahnen konnte, wie alt die Herren auf der Bühne tatsächlich waren. Dass die Setlist des Abends neben dem kompletten “Love At First String” auch die größten Hits der Band beinhaltete, wirkte sich natürlich auch nicht gerade negativ auf die Stimmung auf dem Kirchberg-Plateau aus. So wurde es mit dem unvermeidlichen “Crazy World”-Balladen-Doppelpack, bestehend aus ‘Send Me An Angel’ und ‘Wind Of Change’, dann auch nicht kitschig, sondern einfach wunderschön.
Mit ‘Tease Me Please Me’ und ‘The Same Thrill’ wurde es im Anschluss wieder deutlich rockiger, bevor sich die Zuschauer von Mickey Dee mit einem ausladenden Schlagzeug-Solo zu Jubelstürmen hinreißen ließ. Es folgte das sehr energetische ‘Blackout’ bevor man den Hauptteil mit ‘Big City Nights’ ausklingen ließ, zu dem das Publikum den Chorus lautstark mitsang.
Schon nach kurzer Zeit kamen die Scorpions zurück auf die Bühne, denn zwei ihrer größten Klassiker standen noch aus: ‘Still Loving You’ und ‘Rock You Like A Hurricane’. Und ja, auch wenn ich Teile des Auftrittes bis dahin mit gemischten Gefühlen gehört und gesehen hatte, hatten die Scorpions auch mich spätestens mit diesen zwei Stücken im Sack. Wäre auch komisch gewesen, wenn ich gefühlt der einzige gewesen wäre, dem dieses Konzert nicht gefallen hätte.
Klaus Meine (Gesang, Gitarre)
Rudolf Schenker (Gitarre, Gesang)
Matthias Jabs (Gitarre)
Paweł Mąciwoda (Bass)
Mikkey Dee (Schlagzeug)
Fotos: Prog in Focus
Technical Support: Michael Fischer
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