(39:20, CD, Vinyl, digital; Snowdonia, 25.04.2024)
Schon seit über 15 Jahren veröffentlicht die Formation NichelOdeon aus Italien Alben in unterschiedlichsten Zusammensetzungen. Mal als NichelOdeon oder in Zusammenarbeit mit InSonar, oder eben jetzt mit borda (bewusst klein geschrieben). Einzige Konstante bei NichelOdeon und damit auch Kopf dieses Projektes ist der Sänger Claudio Milano – und das bedeutet: schwere Kost. Denn er ist nicht einfach nur Sänger, sondern – um die Originalbeschreibung auf bandcamp zu benutzen, die schon sehr gut erahnen lässt, was hier auf den Hörer zukommt:
Speleologist/climber of the voice, designer of sonic geometries for theater / performance / dance/ installations, teacher, music therapist, actor, performer and illustrator.
Mit “ungewöhnlich” ist die Art und Weise des Gesangsvortrags noch recht moderat beschrieben. Da sind schon zum Teil sehr seltsame Töne zu hören. Das muss nicht unbedingt gefallen – ist aber definitiv außergewöhnlich. Der Albumtitel entstammt der Inuit-Sprache und beschreibt gemäß der Aussage auf der Coverrückseite Polarlichter, die die Seelen von Kindern darstellen, die an ihrem Geburtstag gestorben sind oder eines gewaltsamen Todes starben. Und so verwundert es auch nicht, dass eine gewisse Düsternis das Album durchzieht. Doch das bedeutet nicht, dass ausschließlich düstere und melancholische Atmosphäre vorherrscht.
Bei aller Experimentierfreude und dem kompletten Fehlen eines Willens zur Massenkompatibilität gibt es doch auch auf diesen rund 40 Minuten einige wohltuende Passagen. Denn neben den Ausbrüchen des Vokalakrobaten Milano gibt es durchaus auch sehr schöne wie auch sehr ruhige Momente. So beginnen die Songs meist sehr leise, der neunminütige Titelsong macht da als Opener keine Ausnahme. Es gesellen sich düstere Stimmen und erst sehr wohlklingendes, dann aber ziemlich wildes Klavierspiel hinzu – eine Herangehensweise, die wiederholt auftaucht. Der Titelsong hat den Zusatz ‘Little Symphony for Frozen Soldiers’ – passt irgendwie.
Auch ‘Alla Statua die Martiri di Gorla (Requiem in Defence of Children’s Rights)’ startet ausgesprochen charmant mit feinem Klavier und fretless bass. Aber, man ahnt es schon, es entwickelt sich dann auch wieder zu einer sehr herausfordernden Komposition.
Ein Album, das man sich wohl kaum dreimal am Tag anhört und ganz bestimmt auch nichts zum nebenbei Hören, aber für die Freunde avantgardistischer, experimenteller Töne durchaus zu empfehlen. Übrigens wurde diese Musik im September 2023 live aufgeführt und im Studio weiter überarbeitet.
Bewertung: 10/15 Punkten
Besetzung:
Claudio Milano – voice / theatre
Tea Ravelli aka “borda” – drums / percussion / live electronics
Francesca Badalini – piano
Andrea Grumelli – fretless bass / electronics
Surftipps zu NichelOdeon + borda:
Bandcamp
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Abbildungen: NichelOdeon