The World Is A Vampire
Irgendwie hatte ich mich ja ein wenig geärgert. Das Ticket für The Smashing Pumpkins in Mönchengladbach war schon lange gekauft und dann erscheinen auf einmal die Termine für die aktuelle Tool-Tournee. Zwar gab es keine direkten Überschneidungen, aber zwei Konzerte an zwei aufeinander folgenden Tagen mit jeweils zweistündiger Anreisezeit waren als Familienvater einfach nicht drin. Nach viel Überlegen und Abwägen fiel meine Entscheidung letztendlich auf die Pumpkins. Mein letztes Konzert von Billy Corgan und Co. lag mittlerweile 26 Jahre zurück. Zudem ist mir “ATUM: A Rock Opera In Three Acts”, das aktuelle Album von The Smashing Pumpkins, nach anfänglichem Würgereiz, ganz dolle ans Herz gewachsen. Eine Love-/Hate-Beziehung, wie sie im Buche steht. Tool hingegen hatte ich erst vor wenigen Jahren live gesehen.
Große Erwartungen hatte ich allerdings keine an das Open Air im Hockeypark gehabt. Zu sehr hatte der Ruf der Pumpkins in den letzten Jahren gelitten. Denn das Ego Billy Corgans hatte die Musik seiner Band in den letzten Jahren immer wieder in den Schatten gestellt. Ohne dabei jedoch selbst wirklich glänzen zu können.
Interpol
Dreißig Minuten zu spät angekommen erlebte ich nur die zweite Hälfte des Openers Interpol. Gespannt auf diese in Indie-Kreisen hochgelobte Band, merkte ich schnell, dass ich nicht wirklich etwas verpasst hatte. Nur wenig mitreißend und recht statisch agierend wirkten Interpol auf mich wie ein Morrisey, der sich am Indie Rock versucht. Alles sehr eintönig. Musik ohne wirkliche Höhepunkte. Ein Auftritt, der mich regelrecht teilnahmslos zurück ließ.
Ob ich diese Musik vielleicht einfach nur nicht verstanden habe? Egal: Für mich persönlich war dies das bislang belangloseste Konzert des laufenden Jahres.
The Smashing Pumpkins
Ganz anders The Smashing Pumpkins: Denn wo ich im Vorfeld befürchtet hatte, mich auf den Solo-Auftritt einer Möchtegern-Rock-Diva eingelassen zu haben, überraschte mich eine Formation im echten Bandformat. Billy Corgan erweckte tatsächlich den Anschein, eines von sechs gleichberechtigten Band-Mitgliedern zu sein. Wobei das auch nicht ganz stimmte, denn die drei Live-Band-Mitglieder Katie Cole (Gitarre), Jack Bates (Bass) und Kiki Wong (Gitarre) spielten gegenüber den Gründungsmitgliedern Billy Corgan, James Iha (Gitarre) und Jimmy Chamberlin (Schlagzeug) ganz klar eine untergeordnete Rolle. So gab es also keine Egomanen-Show zu sehen, aber so ganz konnte Billy dann doch nicht die Rock-Diva abstreifen, zumindest sein Bühnen-Outfit bestätigte den Zuschauern, dass dort ein Exzentriker auf der Bühne stand. Wie konnte es auch anders sein, denn ohne eine gehörige Portion Wahnsinn, hätte so ein Album, wie die im letzten Jahr veröffentlichte dreiteilige Rockoper “ATUM” wohl kaum entstehen können. Zu viel Wahnsinn, denn vor allem songwriterisch war das letzte Opus ein wenig außer Balance geraten und sehr Corgan-lastig geraten.
An diesem Abend hatten die neuen Stücke allerdings nur einen verhältnismäßig geringen Anteil, denn von den insgesamt 33 Liedern des Albums wurden lediglich fünf gespielt. Der Schwerpunkt der Setlist lag stattdessen, wie der Name der Tour (“The World Is A Vampire”) schon erahnen ließ, auf dem 1995er Konzept-Album “Mellon Collie And The Infinite Sadness”, sowie seinem Vorgänger “Siamese Dream” (1992). Zudem wurden die beiden bekanntesten Stücke der Nachfolge-Alben “Adore” und “Machina/The Machines Of God” gespielt. Ein wahres Best-Of-Programm also, bei dem ein Hit den nächsten jagte. Denn Stücke wie ‘1979’, ‘Bullet With Butterfly Wings’, ‘Tonight, Tonight’, ‘Cherub Rock’, ‘Disarm’ oder ‘Today’ dürfte wohl jeder kennen der in den 90ern auch nur ein paar Stunden MTV oder VIVA geschaut hat. Die Platten des neuen Jahrtausends hingegen, einmal abgesehen von “ATUM”, fristeten hingegen ein Schattendasein, sodass aus der 20-jährigen Periode von 2001 bis 2021 nur drei Lieder gespielt wurden. Was wohl kaum jemanden der Anwesenden störte, denn wegen Alben wie Zeitgeist”, “Oceania, “Monuments To An Elegy”, “Shiny And Oh So Bright, Vol. 1 / LP: No Past. No Future. No Sun.” und “Cyr” waren wohl nur Die-Hard-Fans zu diesem Konzert gekommen.
Mit einem für Open-Air-Verhältnisse sehr guten Sound konnten The Smashing Pumpkins bereits mit dem Opening-Duo ‘The Everlasting Gaze’ und ‘Doomsday Clock’ punkten. Das hiernach mit ‘Zoo Station’ ein U2-Cover folgen würde, hatte wohl niemand geahnt, der nicht schon bei Setlist.fm gelunzt hatte. Eine echte Überraschung, die insbesondere auch deshalb als gelungen erachtet werden muss, da Jimmy Chamberlin hier ein ausladendes Schlagzeug-Solo an den Tag legte, mit dem er eindrücklich unterstrich, weshalb er als einer der besten Drummer im Alternative Rock gehandelt wird. Generell muss man sagen, dass Jimmy Chamberlin der Mann des Abends war. Alleine um ihm zuzuhören, hätte sich der Besuch dieses Konzertes schon gelohnt. Aber auch Neuzugang Kiki Wong vermochte es, die Blicke der Zuschauer auf sich zu ziehen, denn die Begeisterung darüber, als Gewinnerin eines Castings als Tourmusikerin für die Pumpkins ausgewählt worden zu sein, war der Gitarristin förmlich anzusehen. Spielfreunde pur!
Dass nicht alle der alten Hits so klangen, wie man es von Platte her kannte, das war nicht weiter schlimm. Ganz im Gegenteil. So verlieh so manch ein verändertes Arrangement einem alten Stück die frische Würze. Und auch neue Tracks fügten sich wunderbar in die Riege der Bandklassiker ein. Insbesondere mit ‘Springtimes’ konnten The Smashing Pumpkins starke Akzente setzen, sodass selbst Freunde des Progressive Rocks begeistert gewesen wären.
Am Mikrofon hatte an diesem Abend übrigens hauptsächlich Gitarrist James Iha das sagen. So spielten er und Billy Corgan sich immer wieder gegenseitig die Bälle zu und schwelgten ein um das andere Mal in Erinnerungen an seligere Zeiten. Vom Beginn der 90er Jahre, als sie in Berlin weilten. Sie erzählten von langen Sommernächten, von Unbekümmertheit und Techno-Musik, und wie sie zusammen die Musik schrieben, die einmal den Namen ‘Mayonaise’ tragen sollte.
Irgendwie stimmte fast alles an diesem Abend. Und als sich dann endlich auch die Sonne hinter den Horizont verzog, da verschwand auch das letzte Manko des Auftritts und machte endlich Platz für eine einfache, aber stimmungsvolle Lightshow. Dass man nach knapp 1¾ Stunden, in denen sich Hit an Hit gereiht hatte, mit ‘Jellybelly’, ‘Cherub Rock und ‘Zero’ noch immer drei Pfeile im Köcher hatte, die man zum Abschluss noch auf das Publikum abfeuern konnte, zeigte noch einmal eindringlich, welche Position im Rockzirkus die Chicagoer einmal Inne hatten.
So ging dann ein wundervoller Abend zu Ende, bei dem sich The Smashing Pumpkins nicht nur in Hochform präsentierten. Sie machten auch Hoffnung darauf, dass sie in Zukunft vielleicht noch einmal etwas Großes herausbringen könnten. Eventuell klappt es ja schon in diesem Jahr: Die Band hat gerade für den 2. August ihr 13. Studio-Album “Aghori Mhori Mei” angekündigt.
Fotos: Prog in Focus
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