Life Of Agony. Helden der 90er Jahre. Mit “River Runs Red”, “Ugly” und “Soul Searching Sun” veröffentlichte das New Yorker Quartett zwischen 1993 und 1997 drei Longplayer, die musikalisch zwischen Hardcore Punk und Grunge einzuordnen waren (wobei die Band sich im Laufe der Jahre immer weiter von ersterem entfernte) und die in der Crossover-Szene allesamt zu Klassikern wurden. Aushängeschild von Life Of Agony war damals die noch in einem Männerkörper steckende Fronterin Mina Caputo, deren markante Stimme in der Szene einzigartig war. Als Caputo die Band im Anschluss an “Soul Searching Sun” verließ, war es um Life Of Agony quasi geschehen.
Mit Ugly-Kid-Joe-Sänger Whitfield Crane war man zwar in der Lage, einen namhaften Ersatz für Caputo zu finden, mit dem man auch auf Tournee ging, doch kurz darauf im Studio krachte es schon. Crane musste die Band verlassen. Wenig lösten sich Life Of Agony dann auf, da man einsehen musste, dass die Band ohne Caputo nicht funktionieren konnte. 2003 kehrte Caputo zur Band zurück. Man nahm “Broken Valley” auf, doch an die Anfangserfolge der Band konnte man nicht mehr anknüpfen. 2012 folgte eine weiterer Split, 2014 eine zweite Wiedervereinigung. Mina Caputo war zwischenzeitlich auch körperlich zur Frau geworden und hinterm Drumkit hatte Veronica Bellino die Schlagstöcke übernommen. Mit “A Place Where There’s No More Pain” (2017) und “The Sound Of Scars” (2019) nahmen Life Of Agony zwei neue Studio-Alben auf, die beide keine große Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnten. Ganz anders stand es allerdings um die Life-Auftritte der US-Amerikaner, denn live, so hörte man immer wieder sagen, seien Life Of Agony noch immer eine feste Größe, vielleicht sogar besser als während der Erfolgsjahre in den 90er Jahren. Zeit also, sich endlich selbst ein Bild davon zu machen, ob Life Of Agony ihrem Ruf noch immer gerecht werden. Der letzte Auftritt, dem der Rezent beiwohnen konnte, lag mittlerweile knapp 20 Jahre in der Vergangenheit.
Life Of Agony hatten keine Support-Band mit auf ihrer Tournee, doch ohne Vorgruppen kammen die New Yorker dann doch nicht aus. So gabe es an den verschiedenen Veranstaltungsort unterschiedliche Opener, die wohl von den jeweiligen lokalen Veranstaltern arrangiert worden waren. In Aschaffenburg waren dies die aus Italien stammenden und in Berlin ansässigen Vlad in Tears, die musikalisch Dark Rock, Gothic und Emo einzuordnen waren und stilistisch immer wieder an
Ville Valos frühere Band H.I.M. erinnerten. Musikalisch vielleicht nicht unbedingt der passende Opener für Life Of Agony, doch größtenteils schien dies dem Publikum einerlei zu sein, denn die Musik der Italiener ging leicht ins Ohr.
Zudem vermochten es Vlad in Tears die Blicke des Publikums auf sich zu ziehen, nicht nur wegen derins Auge stechenden Outfits zwischen Emo, Gothic und Queer, sondern auch aufgrund ihres leicht poserhaften Bühnengebarens. Ein unterhaltsamer Auftritt, der weder weh tat, noch wirklich Spektakuläres zu bieten hatte, und doch seiner Aufgabe das Publikum anzuheizen, zu 100 Prozent nachkam. Nötig wäre dies allerdings kaum gewesen…
…denn Life Of Agony gingen von der ersten Sekunde an in die Vollen indem sie Aschaffenburg mit dem “River Runs Red”-Klassiker ‘Through And Throuh’ begrüßten: Mehr oldschool East-Coast-Hardcore waren Life Of Agony wohl bei keinem anderen Lied ihrer Diskografie gewesen. Und auch 31 Jahre nach erscheinen dieses Stückes konnte man erleben, warum dies so ist, denn die pure Energie des Stückes, die treibenden Rhythmen, Mina prägnante Stimme sowie die punktgenau akzentuierten Shouts von Bassist
Joey Z. und Gitarrist
Alan Robert, führten dazu, dass die anwesenden Mitvierziger sämtliche ihrer Gebrechen vergaßen um sich in den Moshpit zu stürzten. Wohl dem, wer sich nicht auf Anhieb total verausgabte, denn mit dem Titelstück des Erstlings sowie ‘My Eyes’ vom gleichen Album ging es mit unverminderter Power weiter.
Natürlich war Mina Stimme nicht mehr die gleiche wie zu jenen Zeiten als sie noch ihren Geburtsnamen
Keith Caputo trug, doch trübte dies keinesfalls die Wirkung, die ihre Vocals auf das Publikum entfalteten. Eine Stimme, die übrigens sehr gut zu der doch sehr groove-lastigen Grunge-Metal-Ausrichtung der letzten Jahre passt, wie man beim folgenden ‘Scars’ hören konnte. Es blieb das einzige Stück des Abends, das nach der ersten Wiedervereinigung der Band entstanden war, was zur Freude all jener Besucher gereichte, die die Band im neuen Jahrtausend aus den Augen verloren hatten. So folgten im weiteren Verlauf des Konzertes also nur Stücke der ersten drei Alben, was bedeutete, das ein Hit den nächsten jagen sollte. Wäre da nicht
Mina Caputo gewesen die bestens aufgelegt und zu Späßen bereit immer wieder den verbalen Kontakt zu ihrem Publikum suchte. Auflockerungen, die immer eine Möglichkeit zum Verschnaufen boten und die die Bande zum Publikum festigten, sodass die folgenden Stücke noch intensiver miterlebt werden konnten.
‘Let’s Pretend’ wurde mit dem ein oder anderen Tränchen im Auge lautstark bejubelt. Fans versuchten lautstark mitzusingen, scheiterten aber immer wieder an den anspruchsvollen Gesangslinien von
Mina und ließen es wieder sein. Die Akustik-Klänge von ‘Angry Tree’ führten zu plötzlichen Umarmungen zwischen wildfremden Menschen. Und der Groove-Monster ‘Bad Seed’ führte vor Augen, wie nah am Doom die New Yorker teilweise in ihrer Vergangenheit waren.
Man wechselte immer wieder zwischen Stücken der verschiedenen Alben, was homogener vonstatten ging als man hätte erwarten können. Besonders gefeiert wurden hierbei das “Ugly”-Stück ‘Lost At 22’, die Hit-Single ‘Weeds’ sowie die Grunge-Ballade ‘My Mind Is Dangerous’. Es wäre der perfekte Track zum Abschluss des Hauptsets gewesen, doch Life Of Agony zogen es vor, auf der Bühne zu bleiben und ohne Pause durchzuziehen.
Überraschen konnte die Band im Folgenden, als sie ‘Method Of Groove’ mit dem Riff aus Panteras ‘Walk’ einleitete. Vielleicht nicht der stärkste Song auf ‘River Runs Red’, aber an diesem Abend doch wirkiungsvoll in Szene gesetzt, denn vor der Bühne schien das Publikum kollektiv wieder sein Alter vergessen zu haben. Die Anzahl der Teenager im Publikum konnte man wohl an einer Händen abzählen. Alt-Herren-Musik eben.
Der Abend neigte sich dem Ende entgegen doch zwei ihrer besten Stücke hatten sich die Amis für den Schluss aufgehoben. Und wer die Band auch nur ein wenig kannte, dem wurde unter größter Vorfreude gewahr, was jetzt noch kommen musste: ‘Underground’ und ‘This Time’, die beiden Opening Tracks von ‘River Runs Red’, die wohl Hauptgrund dafür waren, dass Life Of Agony mit ihrem Debüt-Album solch große Erfolge feiern konnten. Und so hieß es ein letztes Mal “Ab in den Moshpit!’.
Dass Life Of Agony live noch immer an ihre Frühphase heranreichen könnten, das war im Vorfeld zu hoffen gewesen. Dass
Mina,
Alan,
Joey und
Veronica allerdings so abliefern würden, das hätte ich mir beim besten Willen nicht ausmalen können.
Besetzung
Mina Caputo (Gesang)
Alan Robert (Gitarre)
Joey Z. (Bass)
Veronica Bellino (Schlagzeug)
Fotos: Prog in Focus
Technical & Personal Support: Christian Storck
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