(45:22, Digital, inzw. auch auf CD; Eigenveröffentlichung/Distrokid, 18.07.2024)
Aus deutschen (rheinischen gar) Landen frisch auf den Tisch: Please meet Castle Mountain Moon. And their debut album.
Auch wenn die Formation – ein Duo plus attraktive Gäste – ganz neu am Start ist, so ist mit Rob (oder auch Ropp, wie er sich selbst meist nennt) ein ganz lieber alter Bekannter dabei, dessen virtuoses Keyboard-Spiel mit dem ganzen Spektrum von feingliedrig bis majestätischer Weltuntergang schon bei Emerald Edge begeistert hat. Mit seinem Engagement bei letztgenannter Band nahm es ein ausgesprochen unschönes Ende, das ohne allzu viel aus dem Prog-Nähkästchen plaudern zu wollen leider perfekt in all die unschönen bis widerwärtigen politischen Effekte der letzten Monate und Jahre in unserem Land passt.
Zu erfreulicheren Dingen: Castle Mountain Moon verdankt seine Existenz einer Zufallsbegegnung von Rob und Dirk “in einem Industriekomplex”. Und “Six Tales Of Perception” einer sich daraus ergebenden Wette: “Schaffen wir es, in nur drei Monaten zu zweit eine Three-Track-EP zu produzieren?” Sie schafften es – und machten danach einfach weiter. Der resultierende Longplayer ist buchstäblich gerade eben, konkret letzte Woche, fertig geworden. Und klingt – für meinereinen – so:
Episch-Symphonisches braucht eine Ouvertüre wie die meisten unserer Nachbarn einen oder mehrere SUV(s). Die von 6TOP heißt sinnigerweise ‘Perception’ und liefert mit sparsamen, aber sehr akzentuierten Piano-Spuren über Synthie-Gewölke inklusive Streicher-Sounds, Loops und Vocal Samples einen jede Menge Atmosphäre schaffenden Einstieg ins Album.
‘Blue Sky Machine’ hebt mit einem mehrstimmigen Acapella-Part an, ein elegant tänzelndes Synthie-Motiv, straightes Schlagzeug und Dirks prägnante Vocals setzen ein, worauf sich süß riechende Mellotron-Schwaden erheben – generell ein enorm wichtiges Soundelement für dieses Opus. Apropos Vocals – der Gesang auf 6TOP ist überwiegend (aber siehe unten) nicht unbedingt Belcanto, doch passt genau so wie er ist, ganz großartig zur Musik. Und schließlich entzückt Andy Tillison mit ähnlich nahe wie hier am Sprechgesang Gelagertem die Prog-Gemeinde mit ehedem PO90D oder heute The Tangent seit Jahrzehnten.
Das Grundthema ist durchaus catchy und wird auf interessante Weise variiert. Die Bridge mit einer wie bei Andy Latimer oder David Gilmour betont langsam in Single Note Mode über Mellotron-Teppichen schluchzenden Solo-Gitarre – kurz unterbrochen von einem Synthesizer-Solo – ist das Sahnestück des textlich systemkritischen Tracks.
Der folgende ‘Elephant’ ist aus dem russisch-britischen Idiom “The Elephant In The Room” ausgebrochen. Hier geht es also um etwas ganz offensichtlich Präsentes, das aber aus Angst vor was auch immer einfach totgeschwiegen wird. Musikalisch beginnt er mit rasantem Flügelspiel zwischen Romantik und Billy Joel – bis sich die Entwicklung in Richtung Horrorfilm-Soundtrack verwandelt, zusehends dramatischer wird und dann … stoppt. Dirks stärkste Vocals auf dem Album lassen hier bisweilen sogar fast an John Wetton denken. Robs Orgelspiel und die generelle Dramatik an EL&P. Ein vielteiliger Longtrack, bei dem es einen Heidenspaß macht, sich ihn zu erarbeiten – einschließlich der das Thema “Tanz auf dem Vulkan” elaborierenden exzellenten englischen Texte.
Time to ‘Fly’: Kathedrale Kirchenorgel mit allen Registern auf Overdrive führt uns in einen Prog Song, der auch aus dem England der Siebziger bis Achtziger stammen könnte. Am allerbesten gefällt dem Rezensenten dabei der knurrige Chris Squire Sound von Dirks Bass und der marschierende Rhythmus der Strophe.
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Bei ‘To The Moon’ sind die Tillison-Assoziationen wieder omnipräsent und die Gitarrensoli ein wahrer Proggerschmaus.
Lagerfeuer-Prog zur Akustikgitarre liefert ‘Who?’ … zumindest für die 40 Sekunden, bis Robs Pizzicato-Keyboard-Streicher einsetzen und in eine fast funky klingende Nummer überführen. Das Lagerfeuer kehrt aber gegen Ende zurück. Definitiv ihr “Show me your cigarette lighters”-Song.
‘Suddenly’ bringt uns urplötzlich bereits zum allzu frühen Schlusspunkt dieses überraschend reifen Debüts. Mit diesmal Richtung Greg Lake gehendem Gesang, edel klingender Akustikgitarre und zu Herzen gehendem (echtem) Cello-Spiel. Laut Band ist das Album ab 18.07. auf Spotify, Amazon Music, Apple Music, iTunes, Tidal und Deezer verfügbar. Macht es Euch verfügbar!Bewertung: 12/15 Punkten (JM 12, KR 12)
Line-up:
Robert (Köhler, u.a. Synthagma, Ex-Kampai, Inquire, Emerald Edge): Keyboards, Kompositionen
Dirk Krause: Vocals, Guitar, Bass
Guest musicians:
Gerry: Drums
Pio: Cello
Johanna: Posaune
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Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: Castle Mountain Moon
Live-Foto Robert: Heike Leppkes