Eivør – Enn
(40:25; Vinyl, CD, Digital; Season Of Mist, 14.06.2024)
Eivør stammt von den Färöer-Inseln und gilt dort als eine der produktivsten Künstlerinnen ihrer Generation. In Island studierte sie klassischen Gesang und Jazz, arbeitete mit namhaften nordischen Musikern und klassischen Orchestern zusammen, wirkte an diversen Soundtracks mit und veröffentlichte nebenbei noch eine ganze Reihe Solo-Alben.
Einst ausgewandert nach Dänemark, kehrte Eivør zurück in ihre Heimat. In einem kleinen Dorf namens Tjørnuvík mit 50 Einwohnern entstand dort ihr aktuelles Album, auf dem die färöische Folklore zwar erneut deutlich zu erkennen ist, sich aber im Vergleich zu Bands wie Wardruna oder Heilung etwas mehr zurück hält.
So startet “Enn” mit ‘Klóta’ unerwartet ruhig mit sanftem Piano und glasklarem, umfangreichen Gesang, der belegt, dass die Dame tatsächlich Gesang studiert haben muss. Sehr nordisch und atmosphärisch, mit starken Sigur-Rós-Vibes. Bei ‘Jarðartrá’ bleibt man mystisch, ergänzt das Ganze aber mit einem kräftigen Beat. Der Song beschäftigt sich damit, dass “die Erde uns inmitten all unserer menschlichen Gier und Zerstörung ruft und uns auffordert, den Weg zurückzufinden…” Ob damit auch die auf den Färöer-Inseln leider immer noch beliebte Treibjagd auf Meeressäugetiere, also ein sinnloser Akt menschlicher Brutalität, aus Sicht von Eivør nun auch mit “Zerstörung” und “Gier” gemeint ist und ob “den Weg zurückfinden” bedeutet, dass wir damit bitte aufhören mögen, wäre eine interessante Frage an die Künstlerin.
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Interessant auch, dass ‘Hugsi Bert Um Teg’ eigentlich sehr gut zum gerade erst stattgefundenen ESC gepasst hätte. Das ist in keinster Weise negativ gemeint, denn der leichte Disco-Beat, das Achtziger-Flair und die Melodie bzw. der Refrain sind massiv einprägsam, ohne unnützen Pomp. Und nochmal zum Gesang: Eivør singt hier nach wie vor hervorragend und erinnert besonders in diesem Stück an “unsere” Grand Dame Kate Bush. Wer sich die Mühe macht und zu YouTube rüber segelt, wird auf Eivørs eigenem Kanal auch einige Cover-Versionen von Kate Bush-Songs finden, die nicht mal SO schlecht sind.
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Mit dem Titelstück ‘Enn’ gerät Eivør dann erstmals in den klassischen, nordischen Soundtrack-Folk a la Heilung und Konsorten und beweist auch hierfür ein Händchen. Herzstück und Krönung des Albums ist allerdings das phänomenale, epische und gewaltige ‘Upp Úr Øskuni’. Der gutturale Gesang stammt von ihr selbst und nicht etwa von einem bärtigen Langhaarigen mit Wikingerhelm, der böse dreinschauend ins Mikro faucht. Ein Song über “Frauen, die sich gegenseitig unterstützen, und über diese rohen weiblichen Elemente, die nicht schön und nicht höflich, sondern einfach nur roh sind”. Große Klasse!
Das Album endet mit ‘Gaia’ – “Eine Liebeshymne für die Erde…“ -, eigentlich der erste Titel, den sie für “Enn” geschrieben hat. Hier klingt sie wieder sehr ätherisch und wunderschön. Würde es den Leser nicht auf Anhieb abschrecken, könnte man Namen wie Enya nennen, aber lassen wir das. Der Song ist nämlich auch nicht kitschig, außerdem viel zu schade für den Fahrstuhl und auch nicht für den Soundtrack zum nächsten Til Schweiger-Film geeignet. Er ist einfach gut. Zum Kuscheln. Wir kuscheln alle gern (Und Til nuschelt gern, d. Schlussred.).
“Enn” ist ein kurzweiliges, abwechslungsreiches Album geworden. Eine schöne Mischung aus nordischer Folklore, soundtrackartiger Atmosphäre, Rock, Elektronik und leichten Popschlenkern. Eivørs Gesang ist überragend gut und Fans von Bands wie Heilung, Wardruna oder Myrkur werden hier garantiert etwas haben, was ihnen gefällt.
Bewertung: 11/15 Punkten
Besetzung:
Eivør Pálsdóttir – Vocals, Guitars
Mattias Kapnas – Piano, Rhodes and Synths
Mikael Blak – Bass & Synths, Guitars on ‘Upp úr øskuni’
Per I Højgaard Petersen – Drums & Soundscaping
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Alle Abbildungen wurden uns von Season Of Mist zur Verfügung gestellt.