(47:00; CD, Digital, Vinyl; Karisma Records, 14.06.2024)
“The Century Of The Self” ist bereits das sechste Studio-Werk der New Artrocker aus Norwegen. Mit ihren geradlinigen melancholischen Sounds sind Airbag seit vielen Jahren eine gute Alternative zu den Größen im New Artrock und klassischen Prog. Anklänge an aktuelle Marillion, Pink Floyd, Porcupine Tree, The Pineapple Thief, Anathema und Riverside finden sich im elegischen Sound der Nordlichter wieder und machten ihre qualitativ hochwertigen Werke zu geschätzten Kleinoden des Genres. “The Century Of The Self” beschäftigt sich mit der Cancel Culture, dem Umgang mit Authentizität und Wahrhaftigkeit, den öffentlichen Diskursen zu Fehlverhalten und Zeitgeist im Allgemeinen. Fünf Songs zwischen sechs Minuten und einer Viertelstunde sind typisch Airbag und stehen für die ausufernde Komponente im Sound der Norweger.
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Mit einem prägnanten, an Princes ‘Sign O The Times’ gemahnenden Bass-Lauf startet man wie gehabt mit gepflegtem Slo Mo Art Rock, der wie immer mit leicht düsteren Unterton daherkommt. Die Vocals von Sänger Asle Tostrup sind weinerlich, flehend, gelegentlich kämpferisch. Pink-Floyd-Akkorde, schwebende Mittelparts, aber auch seltsam simple, zum Glück nur kurz auftretend knarzige Riffs sind im über knapp elfminütigen Opener ‘Dysphoria’ eingebettet – ein stimmungsvoller Auftakt allemal. ‘Tyrants and Kings’ groovt etwas dreckiger nach vorne, findet mit hymnischer Kraft, einnehmender Melodie und ausufernden Finale seine Bestimmung. ‘Awakening’ hält inne, akustische Akkorde (die an ‘Pariah’ von Steven Wilson erinnern) und sphärische Keyboards lullen ein, lassen Träumerei und Innenschau zu. Hier funktioniert innerhalb der Reduktion im Sound bei gleichzeitig warmer Produktion die Verdichtung im Sound perfekt – Stimme und Gilmour-Gitarren harmonisieren auf wunderbare Weise. Das ist feinster, elegischer Wohlfühl Prog mit Augenmerk auf viel Melancholie.
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Mit provozierenden, dunklen Bass Akkorden startet das dystopische ‘Erase’, die Drums sind groovig für Airbag-Verhältnisse, gesanglich versackt man erneut im üblichen Ausdruck. Der Song selbst ist kantig, unruhig und sticht aus dem fließend harmonisch üblichen Procedere heraus, da wütender und fordernder gerockt wird. Mit ‘Tear It Down’ wird es über eine Viertelstunde sehr atmosphärisch, trippige nächtliche Sounds gemahnen an die Meister von Archive – Zerbrechlichkeit steht hier erneut hoch im Kurs. Der Song schwebt auf wundersame Weise, dank feiner Sound Spielereien werden Räume geschaffen, Asle geleitet den Hörer mit viel Rücksicht durch seine kleinen Wunden und Risse. Ein würdiger und starker Abschluss, der die dynamisch-rockige Seite der Nordlichter im weiteren Verlauf des Songs vortrefflich integriert. Und zeigt, dass Airbag das Spiel mit der Dynamik ebenfalls hervorragend beherrschen.
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Die Norweger stecken ihr Feld auch mit diesem neuen Werk wohl dosiert ab, riskieren nie zu viel Experimente, zeigen aber gerade im Abschluss Song, das sie zu Großtaten in der Lage sind. Spannend wäre es trotzdem allemal, wenn man mal die Zügel loslassen und für Momente dem eigenen Korsett entsagen würde.
Bewertung: 11/15 Punkten
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Line-up:
Asle Tostrup – Gesang, Keyboard
Henrik Bergan Fossum – Drums
Bjørn Riis – Gitarre, Bass, Keyboard, Backing Vocals
Diskografie/Studio-Alben:
“Identity” (2009)
“All Rights Removed” (2011)
“The Greatest Show On Earth” (2013)
“Disconnected” (2016)
“A Day At The Beach” (2020)
Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: Airbag/Karisma Records