(62:29; Vinyl, CD, Digital; Fourth Dimension Records, 24.05.2024)
Mit seinem Projekt Bass Communion durchstöbert Steven Wilson bereits seit Mitte der 90er Jahre auf höherem Niveau diverse Bereiche der experimentellen, elektronischen Musik. Oft dem Minimal Ambient zugeordnet, fordert er ebenso mit Drone und Noise-Eskapaden den Zuhörenden immer wieder aufs Neue heraus, die Definition von Musik neu zu hinterfragen.
Für Fans, die sich von Porcupine Tree oder seinen Soloalben heraus ins Bass Communion-Universum verirren, kann das eine Herausforderung sein, denn es gibt keine Parallelen oder Überschneidungen zu diesen Acts. Bass Communion ist was völlig anderes und für Otto Normalprogger eher schwere Kost. Es sei denn, ebenjener findet ohrenscheinlich Gefallen an den Ambient-Alben von Brian Eno, Fripp oder Aphex Twin, wobei letzterer eigentlich schon zu “eingängig” ist und Eno wie Fripp zu schön klingen.
Beinahe alles, was bei Bass Communion zu hören ist, stammt weniger aus Synthesizern, als vielmehr aus fremden Aufnahmen, Mitschnitten, Samples von Percussion, Klavier, Gitarre, Chören und vielen alten 78er-Schallplatten, die im Rechner bearbeitet und verfremdet werden. Das 2004er Album “Ghosts on Magnetic Tape” wurde zum Beispiel aus alten Tonbändern zusammengestellt und klingt entsprechend beklemmend, sorgt aber gleichzeitig auch für eine gewisse fesselnde Atmosphäre. Nachdem das Projekt seit dem letzten Studioalbum “Cenotaph” für zwölf Jahre beinahe völlig brach lag, läutet “The Itself of Itself” nun die Rückkehr von Steven Wilson auf dem Terrain der experimentellen Elektronik ein.
Traditionell mit einem wieder mal sehr schönen und zur Musik passenden Coverartwork von Carl Glover versehen, gibt es zu Beginn des Albums mit ‘Unperson’ ein sich über zehn Minuten langziehendes Crescendo von unheimlichen Klängen und Stimmen, die besonders an Ligeti und den Film “2001: A Space Odyssey” erinnern. Wer sich bei Bass Communion generell zu Hause fühlt, wird begeistert sein.
Die Stärke von Wilsons Projekt ist nämlich überwiegend die erzeugte Atmosphäre, wie auch in ‘Apparition 3’ und ‘Bruise’. Die langsamen, dezenten, zähflüssigen Melodien und die leichten Flächen wirken beinahe hypnotisch. Auch das an verrostete Maschinen oder verzerrtem Geschrei erinnernde schrille Kreischen bei ‘Blackmail’ erzeugen in Kombination mit den dumpfen Radio- oder Funkwellen einen Soundkosmos, dem man sich schwer entziehen kann.
Bei ‘Study for Tape Hiss and Other Audio Artefacts’ geht es um Rauschen in allen möglichen Varianten. Hier kommt der für Bass Communion typische Ansatz zum Vorschein, “unerwünschte” analoge Artefakte wie Bandrauschen, Rauschen, Flattern, statisches Rauschen und Klangzerfall in Musik zu formen, was auch oft auf beeindruckende Art gelingt, so dass man Wilsons Aussage, dass Bass Communion sein ambitioniertestes Projekt sei, durchaus abnicken kann.
Nach zwölf Jahren Ruhepause und im Kontext der bisherigen Discographie betrachtet klingt “The Itself Of Itself” lustigerweise eingängiger. Weniger monolithisch und doch von der Atmosphäre her intensiver. In jedem Fall aber wieder recht eindrucksvoll und spannend. Allerdings auch nur für Fans des Genres.
Bewertung: 11/15 Punkten
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Alle Abbildungen stammen von Fourth Dimension Records und Red Sand PR.