Im Gespräch mit Carpet, u.a. zu “Collision”

»Im Vorprogramm von Tupac«


Aus dem beschaulichen Augsburg kommt nicht nur die gleichnamige Puppenkiste sondern auch ein Fliegender Teppich, der trotz allem angenehm auf dem Boden der Tatsachen geblieben ist. “Collision”, das neue Album von Carpet, ist tatsächlich ein Parforce-Ritt durch alle Stile, die irgendwie unter dem Oberbegriff Prog kombinierbar sind, nämlich dem Art-, Post-, Stoner, Jazz- und Psychedelic Rock, wobei man hier nie weiß, wo das Eine zu Ende ist und das Andere beginnt. Das warf ein paar Fragen auf…

Was ist bei eurer Musik zuallererst da? Huhn oder (Oster-)Ei? D. h. eine Jam-Session oder doch eine Komposition?

Es ist eher wie beim Urknall: Aus dem Nichts entsteht irgendetwas, aus diesem Irgendwas entstehen neue Kombinationen, aus diesen wiederum weitere Mutationen – und nach einiger Zeit irgendwann ein lebensfähiger Organismus.

Euer Sound klingt eigentlich überhaupt nicht nach Augsburg… (BTW – wie klingt eigentlich typisch Augsburg?)

Wir fühlen uns alle recht wohl in der experimentellen Rockmusik. Trotzdem kauft und hört natürlich jeder von uns recht unterschiedliche Platten, macht nebenbei unterschiedlichste Musik. Am Ende wissen wir oft selbst gar nicht mehr, wie daraus von Song zu Song dieser Carpet-typische Sound entstanden ist. Nach einer bestimmten Stadt klingen wir aber mit Sicherheit nicht. Und wie klingt Augsburg? Andere Frage: Welche Rolle spielt es heutzutage überhaupt noch, wo man herkommt, lebt, probt, produziert?

Wo genau sind dann eure musikalischen Wurzeln zu suchen/finden?

In Kemnat, Blöcktach, Aindling, Moorenweis, Tapedeck- und MiniDisc-Aufnahmen, Musikschulen, Plattenschränken, Kneipen, Autoradios, Konzerthallen. Von Madrigalen des 16. Jahrhunderts über Stockhausen, Miles Davis und Minimal Music bis hin zu King Crimson und Grunge.

Drei Vorabsingles? Wie das? Wollt ihr irgendwelche Jukeboxes damit füttern?

Zwei waren uns zu wenig und vier wären definitiv zu viel.

Zwischen King Crimson und Westcoast ist bei euch wahrlich jede Menge Platz. Den füllt ihr auch ganz gut aus. Aber: Welche dieser Seiten hat für euch mehr Gewichtung?

Mit Westcoast wissen in diesem Zusammenhang leider nicht so richtig was anzufangen, aber wenn wir uns zwischen Tupac und King Crimson verorten müssten, dann würden wir eindeutig zu den Engländern tendieren.

Ähm, hier war eigentlich nicht der Westcoast-Hip Hop gemeint. Eher der Westcoastsound der Sechziger/Siebziger von Acts wie Crosby, Stills, Nash & Young oder Jefferson Airplane. Ich denke, das passt schoon ein wenig besser zu euch als Tupac und Co.?

Ja, das wissen wir.

Wie aufwendig ist es, eure eigentlich hin und wieder reichlich komplexe Musik live umzusetzen?

Gar nicht. Da wir die Songs live im Proberaum ausarbeiten, ist die Umsetzung auf der Bühne eigentlich sehr einfach. Und wenn wir uns auch manchmal im Album-Produktionsprozess verlieren und vermeintlich “Unmachbares” erdenken, dann sind wir generell der Meinung, dass sich die Live-Version eines Songs deutlich von der Aufnahme unterscheiden darf. Notfalls erweitern wir uns einfach zum X-tett.

Mit immerhin sechs aktiven Musikern im Bandgefüge: Kommt es hier eigentlich mitunter zu Reibereien ob des Werdegangs eines Songs?

Da wir alle ziemlich Ego-befreit sind, lautet die ganz ehrliche und sehr kurze Antwort: nein.

Was würdet ihr sagen, war beim neuen Album anders als bei den vorherigen?

Vielleicht geht es auf dem neuen Album etwas direkter, energetischer, dringlicher zu. Vielleicht musste sich nach der Pandemie, nach der Zeit ohne Konzerte, ohne gemeinsame Proben irgendetwas entladen. Vielleicht wollten wir auch einfach mal wieder bisschen auf die Kacke hauen.

Tatsächlich proben wir seit gut zehn Jahren auf demselben Teppich.

Was meint ihr, seid ihr auf dem Teppich geblieben?

Sehr witzig! Tatsächlich proben wir seit gut zehn Jahren auf demselben Teppich. Wir haben ihn aber zwischendurch mal gesaugt und kürzlich ordentlich ausgeklopft, damit er nicht zu viel Staub ansetzt.

Bei welcher Band würdet ihr gerne mal Support machen?

Leider machen Tupac und King Crimson aus bekannten Gründen keine Konzerte mehr. Sowohl beim einen wie auch beim anderen Act wäre das aber aus den unterschiedlichsten Gründen eine großartige Erfahrung.


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Rezension “Collision” (2024)
Rezension “Secret Box” (2017)

Abbildungen: Carpet / Creative Eclipse