Heimspiel in Trier
Der gebürtige Prümer Thomas Thielen alias t kehrte Anfang März für ein Gastspiel zurück in seine alte Heimat-Region und lud zu einem gemütlichen Konzert-Abend in die Trierer Tuchfabrik ein. Ein Heimspiel sozusagen! Mit dabei waren, neben seiner Begleitband, zwei Nachwuchsformationen aus dem Südwesten Deutschlands: das aus dem Rhein-Main-Gebiet stammende Prog-Metal-Quartett Awaiting Dawn sowie die Koblenzer Art-Rock-Band Dead Air Poetry.
Anders als noch bei den letzten Auftritten in der Tufa war der Kartenvorverkauf für diesen Abend relativ schleppend verlaufen. Es ist eine der traurigen Nachwirkungen der Corona-Epidemie, mit der auch noch immer viele andere Künstler zu kämpfen haben. So war die Tufa dann auch leider nicht ausverkauft. Insbesondere die hinteren Ränge auf der Tribüne blieben leer. Die Atmosphäre des Abends störte dies nicht wirklich. Ganz im Gegenteil, denn so konnte kam der Großteil der Zuschauer in den Genuss, die musikalischen Präsentationen an gemütlichen Café-Tischchen sitzend genießen zu dürfen.
Als Organisator des Abends betrat Thomas Thielen noch vor der ersten Band die Bühne der Tufa, um sein Publikum persönlich zu begrüßen und auf das Kommende einzustimmen. Man spürte förmlich, dass sich der Musiker auf diesen Abend gefreut hatte, denn die letzte Rückkehr nach Trier lag schon fast zweieinhalb Jahre zurück. Es war nicht nur ein besonderer Moment für t, sondern auch für die jüngste Zuschauerin im Publikum, die namentlich auf die Bühne gerufen, vorgestellt und im Anschluss zu Süßigkeiten und Limo eingeladen wurde. Prompt verschwanden die beiden zusammen in den Backstage-Bereich und machten Platz für Awaiting Dawn.
Awaiting Dawn
Fast sieben Jahre sind vergangen, seit Benjamin Reiter (Gitarre, Gesang), Mark Seckler (Bass), Peter Schnur (Keyboards) und Felix Benz (Schlagzeug) ihr Debüt-Album “Leave No Trace” veröffentlichten. Tastenmann Peter Schnur hat die Band mittlerweile verlassen, Fabian Steeg ist zwischenzeitlich dazugestoßen. Allerdings spielt der Neuzugang keine Keyboards, sondern die Gitarre und bringt eine zweite Gesangsstimme mit ein. Gestrichen wurden die Keys im Live-Kontext allerdings nicht. Zu wichtig sind die Synthies einfach für den symfonischen Sound der alten Stücke. So kamen die Keys an diesem Abend leider “vom Band”, was bei ihrer Prominenz schon etwas schade war.
Trotzdem muss man Awaiting Dawn eingestehen, dass es eine positive Entwicklung ist, dass sie jetzt einen zweiten Gitarristen haben, denn das Zusammenspiel von Reiter und Steeg sorgte für ordentlich Power-Metal-Vibes im melodischen Prog Metal des Quartetts, Twin Leads und Gepose inklusive. Gepaart mit der dynamischen Rhythmus-Fraktion eine spannende Mischung. Und auch die zweite Stimme kann nur als Zugewinn für die Band betrachtet werden. Oft sanft, streckenweise aber auch recht zügellos, sorgten Awaiting Dawn schon recht früh für gute Stimmung im Saal. Und auch auf der Bühne, denn keiner schien sich mehr über diesen Auftritt zu freuen als die Musiker selbst. Was durchaus positiv gemeint ist.
Dead Air Poetry
Ganz andere Töne schlugen im Anschluss Dead Air Poetry aus der Stadt am Deutschen Eck an. Aus Prog wurde Art Rock, aus Metal wurde Hard Rock. Dazu Fusion-Elemente und mehrstimmiger Gesang, den sich Frontfrau Eva Hilchenbach, Bassist Ben Kölzer und Gitarrist Holger Tomaschewski teilten. Insbesondere aufgrund der drei Vokalisten kam die Musik der Koblenzer sehr gefühlvoll rüber, wirkte gleichzeitig aber sehr groovy und oft auch treibend. Rhythmisch definitiv simpler als Awaiting Dawn, setzten Kölzer und Schlagzeuger Dirk Tomaschewski stattdessen auf Groove und Drive.
Insgesamt zauberten die vier einen Sound auf die Bühne, der nur schwerlich mit dem anderer Truppen gleichgesetzt werden kann. Was insbesondere für die neuen Stücke im Set galt, zu denen Sängerin Eva Hilchenbach noch Keyboards beisteuerte. Eine Addition, die Dead Air Poetry noch eigenständiger klingen ließ und eine deutliche Weiterentwicklung für die Band bedeutet. Dem Publikum jedenfalls gefiel die Darbietung des Quartetts und bedankte sich mit Standing Ovations und lauten Zugabe-Rufen.
t – Thomas Thielen & Band
Nachdem es zuvor zu ein paar Verzögerungen gekommen war, betrat Thomas Thielen gegen 21:15 Uhr mit einer viertel Stunde Verspätung ein weiteres Mal die Bühne. Nunmehr mit umgeschnallter Gitarre und seinen drei Bandkollegen im Schlepptau. Wer ts Musik bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gekannt hatte, der konnte beim Blick ins Publikum erahnen, was auf ihn zukommen würde, denn der an den prominentesten Tischen sitzende Thomas–Thielen-Fanclub war personell deckungsgleich mit einer Handvoll Mitgliedern des Marillion-Fanclubs “The Web Germany”: melancholischer, mal zerbrechlich, mal bombastisch wirkender Prog’n’Art Rock, der nicht nur stilistisch an die Post-Fish-Zeiten erinnert, sondern auch über einen tief emotionalen Gesang-Stil verfügt, der alle Steve–Hogarth-Jünger beglücken und alle h-Hasser in ˈtiː-eɪtʃ-Hasser umwandeln dürfte.
Schon beim Opener ‘The Same Old Everything’ vom aktuellen, 2022er Album “Pareidoliving” wurde klar, dass der Sound an diesem Abend perfekt auf Herrn Thielen und seine Band abgestimmt worden war. Ein voller, satter und klarer Klang mit ordentlich Wumms auf dem Schlagzeug. Das Publikum wurde schnell abgeholt. Schon bei ‘August in Me’, dem zweiten Stück des Abends stimmten die Zuschauer mit ordentlichem Geklatsche mit ein.
Thomas Thielen, gab Anekdoten von sich, von seiner Studien-Zeit in Trier. Von einer Party, auf der er ganze vier Kekse verputzt hatte, bevor er ein Schild sah, auf welchem Bitte nur einen!” geschrieben stand.
Das an Marillions ‘When I Meet God’ erinnernde ‘Curtain Call’ begeisterte durch seine Keys, die in wundervollem Einklang mit ts Gitarre standen. Dass der Rhythmus des Stückes vom Band kam, war live genauso irritierend wie schon auf “Voices”
Weiter ging es mit ganz Neuem und ganz Altem: Zuerst ‘The Idiot’s Prayer’, das als Single angekündigt wurde, die die Band nie veröffentlicht hatte, danach ‘One Step Further’, ein Stück, das ursprünglich von Thielens alter Band Scythe stammte. Neu arrangiert und laut t jetzt endlich ausgereift. Auch bei diesem ewig langen, fast viertelstündigen Lied konnte v.a. Keyboarder Niklas Wienecke überzeugen. Und auch die A-Capella-Einlage der Band gegen Ende der knapp 15 Minuten etwas ganz Besonderes.
Es folgte ein Cover-Stück, das im Original von Matthias Raue und Martin Cyrus stammt. Kennt niemand? Denkste! Denn die Titelmelodie von “Löwenzahn” hat wohl jeder schon einmal gehört. Allerdings spielten Niklas Wienecke, Camil Kieltyka (Bass) und Schlagzeuger Laurenz Hintz nicht mehr als ein Snippet dieser Melodie. Thomas Thielen hatte lediglich etwas Zeit gebraucht, um seine Gitarre für ‘The Same Old Everything’ zu stimmen; und diese hatte irgendwie überbrückt werden müssen.
Mit ‘The Irrelevant Lovesong’ gab es einen einmaligen Auszug aus dem 2012er Album “Psychoanorexia” zu hören, bevor dann das erste echte Cover eines Liedes anderer Künstler auf dem Programm stand. Ein Stück, das mittlerweile zum festen Live-Repertoire von t und seinen Mitmusikern gehört: ‘Fading’ Lights’, das wohl letzte große Prog-Meisterwerk von Genesis unter der Mitwirkung von Phil Collins. Und was es für eine Interpretation war! Das gefühlvolle Bass-Spiel Kieltykas, die sphärischen Keyboard-Eskapaden Wieneckes, die absolut fett klingenden Spiel von Schlagzeuger Hintz. Dazu ts Stimme, die auch bei diesem Stück verdammt nah an der von Steve Hogarth lag und eine Gitarren-Solo zum Träumen. Mit geschlossenen Augen hätte man fast meinen können, Marillion hätten gerade Genesis gecovert.
Danach war es wieder Zeit für Thomas Thielen, sich seinem Publikum zuzuwenden. Er hatte den Zuschauern zwei Nachrichten mitgebracht, und diese sollten nun entscheiden, welche von ihnen die gute und welche die schlechte war.
Die erste Nachricht: Dies ist unser letztes Stück.
Die Zweite: Es ist 24 Minuten lang.
Es folgte ‘Chapter Nine – Solipsisters’ mit seinen beiden Teilen ‘When We Were Us’ und ‘Beyond The Dark’. Ein Monster-Track zum abdriften. Die extra geilen
Bassläufen sorgten zwangsläufig dafür, dass die Jüngsten ins Rech der Träume gelangten.
Trotz fortgeschrittener Stunde ließen es sich die vier Musiker nicht nehmen, nach dem Ende des Hauptteils noch einmal für eine Zugabe auf die Bühne zurückzukehren.
Der Fanclub warf das Wörtchen ‘Beautiful’ in den Raum, was Thielen und Co. dankend annahmen, um ein spontanes (?) Cover dieser Marillion-Single anzustimmen. Danach kam starke Dark-Wave-Atmosphäre auf, denn die vier Künstler warfen kurzerhand ‘Forget Me Now’ aus dem Programm ind zelebrierten mit ‘The Forest’ stattdessen die Musik von Robert Smith und The Cure.
Danach folgte, was bei diesem Heimspiel folgen musste. Die Vollendung des Kreises. Die Rückkehr zu den Anfangstagen der Band. Das erste Stück, dass Thielen jemals unter dem Kürzel t aufgenommen hatte: ‘She Said’. Wohl selbst bis über beide Ohren begeistert, sprang der Musiker beim Gitarren-Solo sogar von der Bühne ins Publikum. Klingt jetzt spektakulärer als es eigentlich war … bei all den Kaffeehaus-Sitzgrüppchen, bejubelt wurde die Aktion aber trotzdem.
Denn nach fast zweieinhalb Stunden Musik alleine im Hauptprogramm waren alle Anwesenden rundum zufriedengestellt.
Ein sehr runder, intimer und gemütlicher Abend hatte seinen Ausklang gefunden. Schön war’s!
Fotos: Prog in Focus
Surftipps zu t:
Homepage
Facebook
Instagram
X/Twitter
Bandcamp
Youtube Music
YouTube
Spotify
Apple Music
Setlist.fm
Discogs
MusicBrainz
Prog Archives
Rezensionen:
“Solipsystemology” (2019)
“Epistrophobia” (2017)
“Fragmentropy” (2015)
“Psychoanorexia” (2012)
“Anti-Matter Poetry” (2010)
“Voices” (2006)
“Naive” (2002)
Scythe – “Divorced Land” (2001)
Surftipps zu Dead Air Poetry:
Homepage
Facebook
Instagram
Bandcamp
Youtube Music
YouTube
Spotify
Apple Music
Deezer
Setlist.fm
Surftipps zu Awaiting Dawn:
Homepage
Facebook
Instagram
X/Twitter
Bandcamp
Soundcloud
Youtube Music
YouTube
Spotify
Apple Music
Deezer
last.fm
Setlist.fm
Discogs
MusicBrainz
Prog Archives
Wikipedia
Rezensionen:
“Leave No Trace” (2017)
Weitere Surftips:
Venue: Tuchfabrik Trier