Sleepytime Gorilla Museum – of The Last Human Being

Sleepytime Gorilla Museum - of The Last Human Being (Avant Night, 23.02.2024) COVER(1:05:00; Vinyl, CD, Digital; Avant Night, 23.02.2024)
Momente für die Ewigkeit. Momente, an die man immer wieder vergnügt zurückdenkt. So ein Moment ereignete sich für den Schreibenden anno 2007 in Würzburg, auf dem berühmten und berüchtigten Freakshow Art Rock Festival, eine kulturell hochwertige Underground-Veranstaltung des legendären Szene-Urgesteins Charlie Heidenreich.
Es spielten auf: Moon Safari (nette Blümchenhemden), Yugen (beeindruckender Kammer-Prog), Indukti (kraftvoll), Schizofrantik (alle Besucher mussten gleichzeitig auf die Toilette oder an die Bar…), Panzerballett (“Wo sind unsere CDs?” – Jan Zehrfeld, als er schauen wollte, wieviel Tonträger am Merch-Stand verkauft wurden), Sebkha-Chott (gute, aber sehr gruselige Band) und Sleepytime Gorilla Museum.

Letztere legten einen Auftritt hin, den der Schreibende so noch nie erlebt hatte. Vom Outfit und der Aura der Musiker völlig fasziniert, von der Perfektion überaus beeindruckt und von der Musik überrannt und überwältigt. Nach dieser unfassbaren Show herrschte Stille. Niemand sagte ein Wort, sondern musste das Gesehene und Gehörte erstmal in Ruhe verarbeiten.

Es wirkt also nicht sonderlich überraschend, wenn der Autor nun nach 17 Jahren und einer zwischenzeitlichen Auflösung der Band, mit dem ein oder anderen Tränchen der Rührung im Augenwinkel tatsächlich ein neues Album der Avant-Götter aus Oakland in den Händen hält. Das hierfür gestartete Kickstarter-Programm erzielte bei einem geplanten Zielbetrag von $75.000 mit $144.738 fast das Doppelte. Die Fans wollten es also unbedingt.

Gut, es gab ja auch noch Free Salamander Exhibit als Nachfolge-Band, nur ohne Carla Kihlstedt und Matthias Bossi. Aber wie sagte Nelson Muntz einst in einer Simpsons-Folge? “Meine Mutter war mal süchtig nach Pfefferminzbonbons. Danach war ihr Atem so frisch, dass sie eigentlich nicht mehr meine Mutter war…” Aber nun wird alles wieder gut, denn sie sind wieder da. In der Besetzung von “In Glorious Times”, also die letzte Originalbesetzung. Aber sind sie wirklich wieder da? Oder nur kurz, um das lange brach liegende, vierte Album endlich zu vollenden?

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Scheint so, denn “of The Last Human Being” ist eher eine Songsammlung aus Kompositionen, die vor langer Zeit angefangen, aber nie vollendet wurden, sowie Stücken von Kihlstedts und Bossis Projekt Rabbit Rabbit. Überhaupt darf sich jedes Bandmitglied mal austoben. Nils Frykdahl z.B. im schräg wuchtigen Opener ‘Salamander In Two Worlds’, einem klassischen SGM-Stück, das sich mit Ishi, dem letzten Überlebenden eines eigentlich ausgelöschten Ureinwohnerstammes in Amerika beschäftigt.

Das an Idiot Flesh erinnernde ‘El Evil’ schrieb Frykdahl für einen Typ namens Tony Gallegos – dem Bunny Man -, der während einer Show von Idiot Flesh in einem Hasenkostüm die Bühne erstürmte. Jemand aus dem Publikum erkannte jedoch keinen Hasen, sondern einen Hund und rief: “Hey, let the dog sing…”. Auch in ‘The Gift’ gibt es klassischen SGM-Stoff vom Feinsten. Stakkato-Riffs auf Gitarre und Violine, schräge Takte, Gesang im Format Growls, Klargesang von Carla, Klargesang von Nils, mal einzeln, mal im Duo. Eigentlich genau das, was man von der Band bereits kennt und lieben gelernt hat. Höchste musikalische Klasse, nah an der Perfektion, aber halt auch nicht wirklich neu.

Carla und Matthias haben – wie schon kurz erwähnt – auch zwei Songs aus der Vorratskammer ihres Projektes Rabbit Rabbit mitgebracht. Das sehr gute ‘Hush Hush’ liebäugelt in der ersten Hälfte mit einer wave-igen Kate Bush und geht in der zweiten Hälfte dann in einen beinahe doomigen SGM-Part über. Auch das leicht psychedelisch anmutende bis folkige ‘Silverfish’ wurde möglicherweise mit SGM zwangsgeimpft, macht aber den Song nicht schlechter.

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Dann steht noch Michael Iago Mellender auf der Besetzungsliste, der mit ‘Fanfare For The Last Human Being’ eher ein perkussives Zwischenspiel anbietet und mit ‘Burn Into Light’ einen kleinen Abstecher in den “echten” Metal wagt. Dan Rathbun klingelt und bimmelt mit ‘Bells For Kith And Kin’ und liefert mit ‘Old Grey Heron’ und recht ungewöhnlichen, fast floydigen Gitarren den wahrscheinlich abwechslungsreichsten, aber auch persönlichsten Song (über seinen Vater) auf dem Album ab.

Und natürlich – eingefleischt Fans haben es bereits bemerkt – fehlt noch Matthias Bossi, der mit dem funkigen, rhythmisch stark Neubauten-lastigen ‘Save It!’ überrascht und mit dem seltsamen, Soundtrack-artigen ‘Rose-Colored Songs’ das Album abschließt. Bleibt noch der Coversong von This Heat übrig: ‘S.P.Q.R.’ wurde von der Band schon in einer früheren Version auf einem Sampler oder einer Single veröffentlicht und bietet – wie das Original – 80er Jahre-Gitarrenrock, der natürlich auch in dieser Version ordentlich Spaß macht.

Wie lautet also das Fazit zur Wiederauferstehung einer der besten Bands aller Zeiten? “of The Last Human Being” ist leider kein komplett neues Album, sondern eher eine Sammlung alter und überarbeiteter Songs, in dem Bemühen nicht immer das Gleiche zu machen. Es hat schöne und erhabene Momente, die das alte Feeling wieder zum Vorschein bringen, hier und da versandet es aber leider auch mal. In der Diskographie der Band hätte das Album einen soliden vierten Platz verdient, was außerhalb des SGM-Kosmos eigentlich eine 14/15 wäre. So sind es “nur” 12/15.

Die Produktion klingt auf dem Vinyl durchaus annehmbar, wobei sich die Band den Scherz(?) erlaubt hat, die letzte Rille einer Seite springen zu lassen, so dass der geneigte Hörer schnell Bescheid weiß, wann er gefälligst umzudrehen hat. Außerdem sorgt das Cover-Artwork von Per Frykdahl dafür, dass man die LP ständig falsch herum ins Regal stellt.
Bewertung: 12/15 Punkten (MBü 12, FS 11)


of the Last Human Being by Sleepytime Gorilla Museum

Besetzung:
Matthias Bossi – Drums, Percussion, Vocals
Nils Frykdahl – Vocals, Guitars, Assorts
Carla Kihlstedt – Violin, Vocals, Assorts
Michael Iago Mellender – Drums, Percussion, Vocals, Trumpet, Guitars, Allsorts
Dan Rathbun – Bass, Hammered Dulcimer, Vocals

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Rezensionen:
“In Glorious Times” (2007)
“Of Natural History” (2004)


Die Abbildungen stammen von Sleepytime Gorilla Museum und von ihren bandeigenen Portalen. Ein “Danke” geht außerdem an den Kollegen Fix Sadler für zusätzlichen Input zu diesem Text.