Bruno Karnel – Hic Sunt Dracones
(48:50; CD, Digital; Bitume Prod., 15.03.2024)
Die Promo wirft mit Anathema, Porcupine Tree und A Noend of Mine Hochkaräter in die Referenz-Schleife. Das impliziert eine Erwartungshaltung, bei der zwangsläufig Ernüchterung folgen muss. Die Franzosen sind mit “Hic Sunt Dracones” seit November digital online, das CD Digipak folgt nun aktuell im März. Erwarten darf der Hörer einen sehr speziellen Mix aus Prog/Artrock, Folk, Chamber Sounds und allerlei Nischen-Einflüssen. Eines vorweg, die Emotionalität, Leidenschaft, grundsätzlich eh ein französisches Element, kann man der Musik nicht absprechen, auch weiß der ein oder andere Song mit viel Dramatik, schönen Melodien sehr zu gefallen. Auf der anderen Seite gibt es hin und wieder auch seltsamen Leerlauf, schräge, nicht ganz ausformulierte Ideen, die den Gesamteindruck schmälern. Wenn Cellistin Polina Faustova (ist bereits mit Hanz Zimmer auf Tour gewesen) musikalisch integriert wird, gibt es einige sehr wertvolle Momente im Sound. Dann verbindet sich der progressive, folkige Rock mit dramatischen klassischen Elementen, es wird dynamisch, melancholisch und gern auch mal sehr impulsiv.
Treibende, fliehende Wave/Goth-Bassläufe/Gitarren, barocke Melodien, Theatralik sind wichtige Bausteine im Sound der Franzosen, die auf prominente Mastering-Unterstützung bauen dürften (Thomas “Plec” Johansson). Berührende Songs wie die Verneigung vor Seventies Prog ‘Mare Congelatum’ oder das ruhige, kammermusikalische ‘Négatif Des Vagues’ stehen qualitativ ohne Wenn und Aber für die strahlende Kraft im Sound von Bruno Karnel.
Leider verzettelt man sich dann auch hin und wieder wie im seltsam hektischen ‘Musique Obsidienne’. Hier gibt es keinen wirklich roten Faden, die Melodien wirken nicht zu Ende gedacht. Man bekommt hier leider den Eindruck, etwas weniger hätte mehr sein können oder es hätte mit etwas Feinjustierung ein runderes Bild ergeben. Ich mag den Großteil des Albums, weil der pathetische Mix aus Folkrock und Prog an vielen Stellen Charme versprüht, nur ergibt es im Gesamteindruck mit der einen oder anderen Schwachstelle kein kohärentes Bild.
Nichtsdestotrotz ein eigenwilliger, individueller Ansatz mit vielen schönen melancholischen Kompositionen, mal fragil, mal kraftvoll. Der Wechsel aus englischen und französischen Gesang, die vielen dynamischen Auf und Abs lassen den Surrealistic oder auch Nomadic Prog benannten Sound atmen, die integrierten Streicher und melancholischen Melodien haben Flair. Der Sound ist kompakt, organisch und detailverliebt in Szene gesetzt. Schlussendlich verbleibt ein etwas unruhiger, zwiespältiger Mix aus zum Teil auf den Punkt musizierten Höhepunkten und weniger gelungenen Melodien (in der Minderzahl), so daß eine unbedingte Empfehlung für Bruno Karnel nicht möglich ist.
Bewertung: 11/15 Punkten
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Diskografie(Studioalben):
“Evaporation Des Voix Off” (2020)
Musiker:
Pavel Ljubičić – Drums
Julien Waghon – Bass (2-9, 11)
Antonin Smirr – Bass (10)
Oleh Mytrofanov – Bass (1).
Matthieu Gajewski – String Guitar (1, 2, 4, 6, 11)
Ricardo Da Silva – Guitar (1-3, 7).
Alessio Medeot – Piano, mellotron, Hammond organ, mini Moog, celesta & Rhodes
Polina Faustova – Cello (1, 5).
Sonia – Backing Vocals (1, 3, 4, 6, 11).
Florent Morel – Add Guitar (9).
BK – Lead vocals, acoustic 6 & 12 strings, electric 6 & 7 strings, domra, charango, mandolins, saz, keys & programming, field recording
Abbildung: Bruno Karnel