Mit einem maximalen Fassungsvermögen von 6.500 Zuschauern ist die Rockhal in Esch die größte Konzerthalle in Luxemburg. Hierdurch bieten sich Musikfans aus Deutschland immer wieder außergewöhnliche Gelegenheiten. Nämlich Bands, die normalerweise in großen Mehrzweckhallen oder Stadien auftreten, einmal in relativ intimen Ambiente zu erleben. Stars, die im Luxemburg gastieren möchten, kommen um die Rockhal einfach nicht herum. So auch Sting, der wenige Tage zuvor noch in der Kölner Lanxess Arena aufgetreten war, deren Kapazität nahezu das Dreifache beträgt.
Für die Fotografen, die zu diesem Event zugelassen worden waren, bedeutete der Konzertabend jedoch eine größere Distanz als üblich, denn Aufnahmen durften nur vom Mischpult aus im hinteren Hallenteil aus getätigt werden. Ob Gordon Sumner wohl Angst davor hatte, man könne auf den Fotografien sein tatsächliches Alter erkennen..?
Joe Sumner
Dass er keine 50 Jahre mehr jung sein kann, dass wurde einem spätestens bewusst, als der Support-Act die Bühne der Rockhal betrat. Denn bei dem Mit-Vierziger handelte es sich um niemand anderen als um den Song von Sting (bürgerlich: Gordon Matthew Thomas Sumner) – Joe Sumner. Trotz dessen langjähriger Musik-Karriere u.a. als Mitglied der Band Fiction Plane hatte wohl kaum einer der Anwesenden schon einmal etwas von Joe gehört. Aus gutem Grund. Denn der im Singer-/Songwriter-Stil nur mit einer Gitarre ausstaffierte Künstler vermochte es weder mit seinem Charisma, noch mit seiner Musik die viel zu große Bühne auszufüllen.
Gerade wenn man Joe mit seinem Vater Gordon verglich, was zwangsläufig geschehen musste, da die beiden miteinander auf Tournee waren, wurde deutlich, dass der Filius weder stimmlich noch musikalisch die Fußstapfen seines Vaters ausfüllen konnte. Der Auftritt von Joe Sumner war schon wieder vergessen, noch bevor Vater Sting mit seiner Band die Bühne betrat. Was übrigens eher geschah als es im Ablaufplan des Abends vorgesehen war.
Sting
Denn bereits gegen 20:50 Uhr konnte man im Foyer der Rockhal die Melodie des Police-Klassikers ‘Message In a Bottle’ vernehmen. Der Gedanke, dass dieses Stück vom Band kommen könnte, wurde schnell verworfen. Tatsächlich hatte Sting seinen Auftritt zehn Minuten zu früh begonnen. Für unseren Fotografen eine kleine Katastrophe. Denn bis er sich zum Mischpult vorgekämpft hatte, von wo aus er seine Bilder ausschließlich schießen durfte, war die Band auf der Bühne bereits zu ‘Englishman In New York’ übergegangen, sodass für die Aufnahmen mit dem – für diesen Einsatz – viel zu kurzen Teleobjektiv nur noch zwei Minuten verblieben.
Ob Gordon Sumner tatsächlich so alt aussah, wie man es von einem 1951 geborenen Mann hatte erwarten dürfen, kann deshalb auch nicht beurteilt werden. Was Sting im Endeffekt vielleicht sogar Recht gibt, mit seinen Einschränkungen für die Presse. Denn von Weitem betrachtet machte der 72-jährige eine deutlich agilere Figur als sein Sohn Joe. Ein Headset als Mikrofon bot dem Bass-spielenden Sänger die Möglichkeit, sich frei auf der Bühne zu bewegen. Ein eng anliegendes T-Shirt, unter dem sich sein muskulöser Oberkörper abzeichnete, ein fescher Kurzhaarschnitt und sein charmates auftreten verstärkten diesen juvenilen Eindruck. Ganz zu schweigen von Stings Stimme, die vielleicht nicht unbedingt zu einem edlen Tropfen herangereift ist, aber über die Jahre nichts an Qualität hat einbüßen müssen.
So war es denn die Setlist des Künstlers, die schließlich verriet, wie lange Sting schon im Musik-Business tätig ist. Und wie alt nicht nur der Künstler, sondern auch ein Großteil der anwesenden Fans einfach sein mussten. Denn die ältesten der an diesem Abend gespielten Stücke, denen vom The-Police-Debüt “Outlandos d’Amour”, hatten bereits 45 Jahre auf der Buckel. Dass es auf dieser Tour nichts Neues zu hören gab, war schon im Vorfeld absehbar gewesen, fand die Konzertreise doch unter dem Titel “My Songs” statt. Ein Name, den schon das 2019er Album des Künstlers getragen hatte, auf dem er eine Auswahl seiner größten Hits in neuem musikalischen Gewand eingespielt hatte. So gab es also eine Art “Best Of The Police & Sting” auf die Ohren. Allerdings nur aus der Zeit bis zum 1999er Album “Brand New Day”. Manche der Stücke waren relativ nahe an ihrem Original, andere in etwas abgewandelter Form zu hören. Shane Sager, der Junge mit der Mundharmonika, verlieh einem Stück wie ‘Brand New Day’ zu ganz neuem Glanz. Es waren aber insbesondere Melissa Musique und Gene Noble, die mit ihren souligen Stimmen interessante Akzente setzen konnten. Gerade das als Duett gesungene ‘Shape Of My Heart’ verdeutlichte dies, denn der starke Kontrast zwischen Nobles und Stings eigenem Organ verlieh diesem Stück eine extra Portion Tiefgang. Was musikalisch astrein funktionierte, war allerdings nicht immer nach dem Geschmack der Puristen.
Dann doch lieber ‘Spirits In the Material world’, das nicht nur dem Reggae-Character des Originals treu blieb, sondern gar zweimal so tief groovte. Dass dieser Tiefgang dann aber ausgerechnet beim so emotionalen ‘Desert Rose’ ausblieb, war irgendwie schade. Aber vielleicht war dies nur die subjektive Wahrnehmung des Redakteurs, denn diese war durch negative Erlebnisse immer wieder getrübt worden. Zu viele Nicht-Konzert-Geher hatten sich wohl für Sting aus der Komfortzone der eigenen vier Wände herausbewegt. Menschen die sich gestört fühlten und aggressiv reagierten, wenn man sie auf dem Weg zum Bierstand oder zur Toilette zweimal passieren musste.
Die Musiker auf der Bühne gaben jedenfalls ihr Bestes und Bandchef Sting suchte immer wieder die Nähe zum Publikum. Die er auch fand. Spätestens als er davon erzählte, wie er als Jugendlicher Radio Luxemburg gehört hatte, weil es die einzige Station gewesen war, auf der man Jimmy Hendrix hatte hören können, hatte er auch den letzten der Anwesenden auf seiner Seite.
Fühlen allerdings konnte man die Begeisterung des Publikums nicht wirklich. So wurde bei ‘Every Breath You Take’ kaum mitgesungen und bei ‘So Lonely’ nicht einmal getanzt. Bewegte man sich doch zu den Off-Beat-Rhythmen, so erntete man schnell die missbilligenden Blicke seiner Platznachbarn.
Selbst als das Haupt-Set vorbei war und die Künstler noch einmal auf die Bühne zurückkamen, um mit ‘Roxanne’ einen weiteren Klassiker von The Police zu präsentieren, änderte sich an dieser Situation nichts. Das Publikum schien in den letzten Jahrzehnten einfach schneller gealtert zu sein als Gordon Sumner selbst. Da war es dann konsequent, zum Abschluss auf das ruhige ‘Fragile’ zurückzugreifen, für welches Sting zu seiner Gitarre griff. Ein gefühlvoller Ausklang einer zeitreise in die 70er, 80er und 90er Jahre und gleichzeitig starkes Statement in eine Zeit, in welcher die Welt wieder so zerbrechlich erscheint wie man es kaum noch für möglich gehalten hätte.
Fotos: Prog in Focus
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Venue: Rockhal
