Screetus – Into The Ether
(69:10, CD, Digital; Eigenveröffentlichung, 19.01.2024)
Screetus, eine hoch motivierte junge indische Progressive Rock Band, veröffentlicht nach einer EP mit “Into The Ether” ihren ersten vollständigen Studio Longplayer. Wenn man bereit ist, den wirklich sympathischen Kniefall in Richtung Steven Wilson mit einem verzückten Lächeln auszublenden, bekommt man über knapp 70 Minuten lang die zwar noch nicht ganz ausgereifte, dafür aber sehr leidenschaftliche Newcomer-Variante ebendieser Stilistik. Sämtliche Stilmittel, die akustischen Gitarren, die sehnsüchtigen Melodien, die metallische Akzentuierung nebst den Tool-Einflüssen der “In Absentia”-, die Melancholie der mittleren Phase, aber auch einige feine Einflüsse wie Frauengesang, etwas Grunge und Wave lassen für die Zukunft auf viele eigenständige Entwicklungen hoffen. Jede junge Band findet sich und Screetus wissen fürs Erste mit viel Feingefühl die Einflüsse in ein gut produziertes Setting zu verpacken. Die Kombination der akustischen und elektrischen Gitarren sind Wilson-nah, entlocken so manches Mal ein wohlwollendes Nicken und machen über die meiste Zeit eine gute Figur.
Mehrstimmige Vocals mit ähnlichem Schmachten und Sehnen, angenehm driftende Gitarren wie im fast zehnminütigen ‘Slipstream’ erinnern neben PT auch an die ganz frühen Aufnahmen eines Bruce Soord/Pineapple Thief. Dramatische Synths und Melodien, zupackende Riffs (PT trifft Tool) mit gelegentlicher Double Bass Drum und fragile akustische Gitarre im steten Wechselspiel wollen hier großes Kino erzeugen. ‘Alone’ klingt wie eine frühe Halb-Ballade von Riverside mit hymnisch rockigem Refrain – was bleibt, ist ein kleiner, feiner Ohrwurm. ‘Torn’ ist ein kriechendes Instrumental-Monster mit allerlei orchestral flirrenden Sounds, sphärisch, hypnotisch und kraftvoll riffend – dynamisches Drumming tut sein Übriges.
Mit dem herausfordernden, sehr gelungenen ‘Inverted’ ist man wieder sehr nah am Konzept von “In Absentia”, die Riffs variieren stetig zwischen perlend akustisch und düster, drückend metallisch. Gesanglich ist Sänger Abhishek Sikdar, obwohl etwas zu sehr im Akzent verhaftet, definitiv ganz nah an den melodisch-melancholischen Wilson Harmonien. Der Zweiteiler ‘A Beckoning’ ist mit seiner düster gefärbten Folk-Akzentuierung nicht weit von Momenten der frühen The Gathering, bricht aber gerade in den Refrains mit erneut kraftvoller Heavyness auf. Die männlichen Vocals sind hier nicht jederzeit treffsicher, eher wahlweise schief – da ist in der Zukunft noch ordentlich Luft nach oben.
Kleine feine Tribal Drums, liebliche Female Vocals zeigen aber auch hier auf, dass die Inder offen für verschiedenartige Einflüsse sind. Dezent eingestreute Folk- und Goth-Elemente sind immer wieder zu vernehmen. Ein Einfluss, der Screetus gut zu Gesicht steht, denn die dunklen, introspektiven Stimmungen sind omnipräsent und mit viel Detailfreude umgesetzt. In jeder Sekunde ist man um Abwechslung bemüht, viele Arrangements sitzen fest im Sattel, man weiß die ernsten, schweren Themen in gut produzierte Sounds zu verpacken. Für ein Debüt wurde hier mit viel Aufwand gewuchtet, handwerklich gibt es nicht viel zu bemängeln, gerade die Gitarren und Drums gefallen. Die Keyboards sind sehr nah am Barbieri -Kosmos, die Hooks und Melodien im Allgemeinen wollen überhaupt nicht den großen Einfluss von Porcupine Tree leugnen.
Zugegeben – das Album hat so manche Länge und punktuell gesangliche Schwachpunkte, hier hätte etwas Fokussierung auf die treffsichereren Parts bzw. Songs gut getan. Das sind aber die typischen Debüt-Momente, an denen oben genannte Genre Größen auch erst wachsen mussten. Es bleibt spannend, wohin bei dieser Band die Reise geht?
Bewertung: 10/15 Punkten
Line-up:
Abhishek Sikdar: Chant / Guitares
Arnav Sharma: Basse
Vamsi Krishna: Guitares
Vishnu Venugopal: Batterie
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Abbildung/Cover:Screetus