Wer Johnny Bob aus Hamburg noch nicht kennen sollte hat hier eine gute Gelegenheit, die seit 2017 bestehende Band mit ihrem bereits sechsten Album “The Glass Hotel Tapes” zu entdecken. Im Vergleich mit den meisten Bands die man so kennt ist das eine enorme Quote in unserer schnelllebigen Zeit, aber bisher haben dennoch alle ihre Einspielungen überzeugt. Erhältlich ist das neue Werk auf Vinyl oder als Download, denn wie schon beim letzten Album erscheint keine CD. Gegenüber dem Vorgänger “Creatures Of Light And Darkness” gibt es keinen Personalwechsel, was man der wie aus einem Guss klingenden Aufnahme durch ihre Spielfreude tatsächlich anhört. Sogar der Sänger Carsten Diaz hat sich verbessert und klingt nicht mehr so zögerlich und unsicher wie auf dem Vorgänger.
Das mir vorliegende Vinyl steckt in einer schicken Plattenhülle, die zusätzlich ein Textblatt mit noch weiteren Informationen über die Mitglieder der Band enthält . Das ist vorbildlich gemacht und erhöht den Spaß für die Fans von Schallplatten. Besonders da die LP absolut plan und mit vorzüglicher Pressung gestanzt wurde. Bei Musik zählen für mich aber die inneren Werte immer noch mehr als die äußeren und so starten wir mal mit dem fast zwölfminütigen Opener ‘Shallow The Nykr’. Der Track besitzt drei Teile, wobei der erste mit einer dominierenden Orgel rein instrumental gespielt wird. Der zweite und dritte Teil fließen dann nahtlos ineinander über, besitzen längere und interessante Sologitarrenparts, sowie viel Gesang mit der zwar immer noch etwas nöligen Stimme von Carsten Diaz die aber mittlerweile wesentlich besser eingesetzt wird und auch sicherer klingt als dies auf dem Vorgänger noch der Fall war. Mit ‘Night Of The Prom’ folgt dann ein etwas einfacher gestrickter Rocksong mit leichtem 80er-Indiefeeling bevor es mit ‘Paper Monkeys’ wieder neoproggiger zugeht. Tolle Bassläufe und eine überzeugende Hammondorgel bestimmen das Geschehen. Und obwohl der Track mit seiner Lässigkeit den Hörer sicher nicht überfordert, kann er fesseln. Eben weil er einfach perfekt gemacht ist.
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Mit ‘Mr. Genghis Comes To Town’ sind wir dann auch bereits beim Opener der B-Seite. Auch hier rocken die Norddeutschen heftig, doch der Song taumelt auch von eher konventionellen Passagen in immer wieder kleine Soli der Gitarre und, man ahnt es schon, der Orgel. Überhaupt ist der Einsatz von Orgel und anderen Tasteninstrumenten ein absoluter Pluspunkt des Albums. Schon lange kein Album mehr aus deutschen Landen gehört, das Tastenliebhaber dermaßen begeistern könnte. Besonders da es mit dem folgenden ‘Kicker Of Faye’ ähnlich weiter geht. Das Tempo wird zwar etwas zurück genommen, doch es tauchen auch hier immer wieder progressivere Abschnitte auf die entweder von der Gitarre oder von der Orgel bestritten werden. Schnörkellos weiter geht es dann mit dem kurzen und knackigen, aber zu keinem Moment peinlichen Track ‘Berlin Ahead’. Das hebt die Laune noch weiter und ermahnt gleichzeitig daran, dass Progfans nicht tanzen (sollten). Mit dem Schlusstrack ‘Corridors’ holen uns die Hamburger dann aber wieder zurück auf den Boden. Der ruhige Track lässt ein gut gemachtes Album zwischen Rock und Prog mit seiner akustischen Gitarre und allerlei Tönen aus dem Arsenal des Tastenvirtuosen positiv ausklingen und macht einfach nur Lust drauf das Vinyl noch einmal zu starten.
Johnny Bob haben geliefert. Das Album bietet auf zwei Vinylseiten eine Menge Rock mit progressivem Anstrich, langweilt nicht eine Sekunde und besitzt durch den unorthodoxen Gesang auch eine gehörige Portion Schnoddrigkeit. Bei dem hohen Output an Veröffentlichungen der Norddeutschen finde ich das bemerkenswert. Wer also bisher noch keine Hörerfahrungen mit ihnen hatte, dem bietet sich hier eine gute Gelegenheit. Geeignet für alle Musikfans, die progressive Elemente im Rock schätzen, ohne dass diese dominieren. Einen Sympathiepunkt gebe ich für die Qualität des Vinyls!
Bewertung: 11/15 Punkten
Tracklist:
A1. Shallow The Nykr 11.53
A2. Night Of The Prom 3.45
A3. Paper Monkeys 4.45
B1. Mr Genghis Comes To Town 6.04
B2. Kicker Of Faye 7.28
B3. Berlin Ahead 3.10
B4. Corridors 5.34
Line-up:
Carsten Díaz – vocals
Jörg Purfürst – bass, keyboards, 12string acoustic & electric guitar, backing vocals
Ole Schützler – keyboards, flute, oboe, backing vocaals
Jürgen Ufer – electric & acoustic guitar
Philip Mestwerdt – drums
Surftipps zu Johny Bob:
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Rezension “Creatures of Light and Darkness (2022)
Rezension “Egbert’s Barber Shop” (2020)
Rezension “Fjodor & The Watergiant / Carnival Of The Brahma-Sox” (2019)
Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: Johnny Bob