Der Beständige
Sechs Jahre sind seit meinem ersten Konzertbericht zu Ray Wilson vergangen. Sechs Jahre, in denen sich die Welt drastisch verändert hat. Aber eines ist definitiv geblieben: der schottische Barde tourt auch 2023 wie besessen durch die Lande und macht dabei sehr oft Station in Deutschland. An einem regnerischen Freitagabend Mitte Dezember machte Ray Wilson samt Band nun Halt in der Christuskirche Bochum, die regelmäßig Veranstaltungsort für interessante Konzerte ist. Weil der Vorverkauf für den Auftritt in Bochum so hervorragend lief und das Konzert recht bald schon ausverkauft war, wurde kurzerhand ein Zusatztermin am Vorabend anberaumt, bei dem wir zugegen waren.
Eine Vorband gab es nicht, aber es waren nicht Ray Wilson & Co, die Punkt 20 Uhr die Bühne in der rappelvollen Christuskirche betraten (angesichts von laut RKI Schätzung ca. acht Millionen Atemwegserkrankten im Land schon eine kleine Überraschung!), sondern Wolfang Stolt von Impuls Promotion ließ es sich nicht nehmen, vorab ein paar warme Worte Richtung Publikum zu schmettern. So gab er preis, dass der Auftritt von Ray Wilson in der Bochumer Kirche bereits der zehnte (!) Auftritt des Künstlers in dieser Location ist – eine stolze Zahl!
Im Anschluss gehörte die Bühne aber dem Sänger plus seiner Band. Die bildet sich aus (zum großen Teil jahrelangen) Weggefährten wie Rays Bruder Steve Wilson (E-Gitarre und Backgroundgesang und also nicht zu verwechseln mit dem fast gleichnamigen Prince of Prog), Kool Lyczek (Keyboard), Marcin Kajper (Saxophon, Querflöte), Mario Koszel (Drums und Percussion) sowie Alicja Chrząszcz (Geige).
In den folgenden knapp 2 1/2 Stunden performte das Sextett einen bunten Strauß alter Hits der Band Genesis sowie weiteren Songs aus den Solokarrieren derjenigen Sänger, die Genesis teils über Jahrzehnte hinweg ihre Stempel aufdrückten: Peter Gabriel und Phil Collins. Und weil selbst das noch nicht abendfüllend war, spielte die Band darüber hinaus ein halbes Dutzend Songs aus dem Repertoire von Ray Wilson als Solokünstler beziehungsweise als Frontmann von Stiltskin.
Der Abend teilte sich in zwei Sets auf, bei denen im ersten Teil vor allem ‘Carpet Crawlers’, ‘In Your Eyes’, ‘Sledgehammer’ und ‘No Son Of Mine’ zu begeistern wussten, während im zweiten Teil ‘Another Day in Paradise’, ‘Land Of Confusion’ als auch ‘In The Air Tonight’ punkten konnten. Bei letzterem Song sang anfänglich lediglich Ray Wilson und begleitete sich selbst dabei auf der Akustikgitarre und erst, als der Songs gegen Ende Fahrt aufnimmt, kehrte die Band auf die Bühne zurück, um den Song zu Ende zu bringen. Bei den Darbietungen der Kompositionen aus der Feder des schottischen Frontmanns war selbstredend etwas weniger Stimmung als bei den weltbekannten Hits, aber das ist bei der Konkurrenz, der sich diese Songs an so einem Abend stellen müssen, wohl allzu verständlich.
Das gesetztere Publikum blieb während der zwei Sets beharrlich auf den Sitzbänken sitzen, erst zum letzten Song des zweiten Sets, ‘Solsbury Hill’, hielt es niemanden mehr auf der Bank, die Menge erhob sich und pilgerte nach vorne zum Bühnenrand, um der Band noch etwas näher zu sein. In den knapp zwei Stunden zuvor wurden sich von der Kirchenbank erhebende Fans mitunter unwirsch mit einem lauten “Hinsetzen!” zurück auf die Kirchbank verdonnert. Aber zum Ende, als nun alle Dämme endgültig brachen und sich das Sitzkonzert zu einem Stehkonzert änderte, feierte das Publikum die Band ausgelassen während des Endes des zweiten Sets sowie der sich anschließenden Zugabe. Und die Band genoss die Nähe sichtlich, wollte dem Publikum auch näher kommen und so zog es vor allem Alicja Chrząszcz und Marcin Kajper einmal mehr an den vorderen Bühnenrand, um sich zwischen Ray und Steve zu platzieren.
Alles in allem lieferte Ray Wilson mit seiner Band eine überaus überzeugende Performance ab. Großartige Änderungen in der Setlist gab es im Vergleich zum ersten Konzert des hier schreibenden Betreuers von vor sechs Jahren nicht – die Band bedient eher die Wünsche nach den populären, großen Hits der legendären Bands beziehungsweise Solokünstler. Aber das zieht auch Ende 2023 noch die Leute zum Konzert, und man darf getrost davon ausgehen, dass sich das auch in Zukunft nicht ändern wird. Manche Songs verdienen es halt, immer und immer wieder gespielt zu werden. Und dann ist es toll, wenn es kompetente Leute wie Ray Wilson und seine Band tun (Amen man! Die Schlussred.)
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