Loris Furlan stellt sein Label Lizard Records vor
Fans des Italo-Prog sollten vermutlich das “Lizard Records”-Label schon kennen. Falls nicht, ist es an der Zeit, sie einmal vorzustellen.
Zweifellos ist die italienische Prog-Szene ausgesprochen lebendig und vielfältig. Neben den alten Klassikern gibt es derart viele neue Bands in der Prog-Szene. Und damit ist es auch nicht verwunderlich, dass es auch verschiedene Labels gibt, die sich genau dieser Künstler annehmen. Eines davon ist Lizard Records – ausgestattet mit einem Katalog, der eine beeindruckende Menge an qualitativ hochwertigen Veröffentlichungen enthält und zwar aus unterschiedlichen Prog-bezogenen Genres. Warum geben wir das Wort also nicht mal an Label-Chef Loris Furlan, um sein Label vorzustellen? Gesagt, getan.
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Hallo Loris, wann hast du zum ersten Mal darüber nachgedacht, dein eigenes Plattenlabel zu gründen?
Die erste Lizard-Veröffentlichung geht zurück ins Jahr 1996. April 1996, um genau zu sein. Dies war allerdings im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Pick Up Records, Einem Label und Plattenshop in Bassano del Grappa. Völlig autonom startete ich dann 1998, also vor 25 bzw. 27 Jahren.. ein langer Weg also.
Wie viel Zeit nahm das Labelgeschäft in Anspruch – damals sowie jetzt?
Das kann ich nicht genau sagen. Lizard Records ist Teil einer kulturellen Vereinigung namens Open Mind. Für mich ist das eine Arbeit, die aus meiner Liebe für Musik kommt, sicherlich nicht wegen des Geldes. Aber ich beschäftige mich fast jeden Tag damit, speziell abends, und widme meinem Label eine Menge Zeit.
Wieviel Personen sind bei Lizard Records involviert?
Momentan sind es drei auf Organisations- und Promotionsebene. Ich möchte gerne die Gelegenheit nutzen, mich bei Fiorella Val und Nunzio Cordella zu bedanken. Dann gibt es noch ein paar Freunde, deren Hilfe wichtig ist, sie helfen uns bei der Website, bei den Artworks und auch in anderen Bereichen, dazu gehören Roberto Menegon, Pierpaolo Lamanna, Nicola Pivato.
Ich erinnere mich besonders an die ersten beiden Veröffentlichungen im Jahre 1996, in die ich vernarrt bin. Das sind die Debütalben von Spirosfera und Aria Palea, wahrhaft einzigartig und originell. Das war ein aufregender Start bei der Entdeckung neuer progressiver Acts in den 90ern…. Enthusiasmus für ein neues Abenteuer.
Wie läuft das normalerweise bei euch ab – suchst du proaktiv nach neuen Bands und kontaktierst sie dann oder eher umgekehrt?
Oft ist es so, dass ich derjenige bin, der sich nach neuen interessanten Bands umschaut. Meine Neugier, meine Freude daran, die Untergrundszene zu erforschen – das hat mich immer begleitet. Dann wurde Lizard Records zu einem bekannten Namen, gerade auch in den Bereichen Progressive Rock und Psychedelic Rock. Schließlich schrieben uns dann auch die Bands aus der Szene von sich aus an. Es ist ein Prozess beiderseitiger Osmose.
Spielst du auch selbst ein Instrument oder spielst gar in einer Band?
Ich habe keinerlei Erfahrung als Musiker, habe aber in der Vergangenheit Texte geschrieben, war gelegentlich auch am Entscheidungsprozess bei musikalischen Ideen und Arrangements beteiligt. Ich bin im Grunde genommen ein Zuhörer und ich glaube, das ist eine fundamentale aktive Beteiligungsrolle. Für mich und für jeden, der mit Alben und Konzerten zu tun hat.
Lizard Records bietet eine erstaunliche Bandbreite musikalischer Stilrichtungen – was ist dein persönlich favorisiertes Genre?
Das ist eine gute Frage … denn ich denke, ich identifiziere mich nicht ausschließlich mit einem bestimmten Genre. Mich interessieren kreative Prozesse, gerne queerbeet, also unterschiedliche Genres zusammenzubringen mit dem Vorteil größerer Spontaneität und der Freiheit beim Musizieren. Unbestreitbar ziele ich meistens auf Musik ab, die die Grenzen von Progressive Rock und Psychedelia streift. Ich bin sehr stark an der Progessive-Rock-Szene der 70er interessiert. Einige unserer Alben stammen aus dieser Zeit, so zum Beispiel Aurora Lunare, Faveravola, Posto Blocco 19, Quasar Lux Symphoniae, Corpo und Cormorano. Gleichzeitig treibt mich aber auch immer die Neugier an, neuartige Musik zu entdecken, die immer noch überraschen kann und mich begeistern kann.
Was sind für dich die maßgeblichen Kriterien, um eine Band unter Vertrag zu nehmen?
Im Wesentlichen muss mich eine Band überraschen, bewegen, es muss der Funke auf mich überspringen, mich dafür zu begeistern. Außerdem hilft mir meine Erfahrung mittlerweile dabei, absehen zu können, ob es sich gut verkaufen kann, was heutzutage ja sehr schwierig ist. Aber es ist immer der kreative und künstlerische Teil, womit eine neue Reise, ein neues Abenteuer beginnt.
Bist du ausschließlich an neuem Material interessiert oder gibt es bei dir auch Wiederveröffentlichungen?
Üblicherweise geht es bei uns nur um neues Material, also nur aktuelle Musik oder möglicherweise sogar alte Musik, die aber bisher noch nicht veröffentlicht wurde. Reissues gibt es bei uns bisher nicht. Besser ist ein komplett neues Bild oder eines, das vorher noch nicht aufgetaucht ist.
Es gibt verschiedene Sub-Labels – warum hast du das eingeführt?
Ja, ich habe einige Seitenprojekte: Locanda Del Vento (da geht es um typischen italienischen Prog-Rock), La Luna E I Falò (italienische Songwriter), ZeiT Interference (Avantgarde, Electro Sounds), Nightvoices (Heavy Metal). Sie dienen als idealer Kompass für diejenigen, die sich in unserem zurecht finden wollen. Wie schon gesagt… ich mag keine Genrebegrenzungen. Musik ist einzigartig in ihren verschiedenen Formen, in ihrer Transversalität.
Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Alben in deinem Katalog?
Das kann ich nicht genau beantworten, denn alle sind irgendwie, in irgendeiner Form wichtig. Es gibt Aufnahmen, die ich besonders mag, zum Beispiel die ersten grundlegenden Erfahrungen mit Spirosfera und Aria Palea, oder die Veröffentlichungen der chilenischen Akineton Retard und Yonhosago, sie alle sehe ich als außergewöhnliche Alben der Vergangenheit. Aber da sind noch viele andere, und witzigerweise werden die wichtigsten diejenigen sein, die noch kommen…
Welche Alben haben sich bisher am besten verkauft?
Im Moment liegen die Hauptaufgaben eines kleinen unabhängigen Labels eher in der Vermarktung als im Kommerziellen/Finanziellen. In den 90ern war das noch anders. Eine CD wie beispielsweise das Debüt von The Nightwatch (jetzt The Watch) ließ sich gut verkaufen, wir veröffentlichten es zusammen als Lizard/Pick Up. Namen, die aktuell gut laufen, sind zum Beispiel Odessa, Raven Sad, aber das sind immer mäßige Verkaufszahlen. Die Mission ist es, die Musik(er) zu unterstützen, sie sichtbar zu machen und nicht ausschließlich auf den Markt zu schielen.
Was sind deine persönlichen Favoriten auf deinem Label sowieso ganz allgemein?
Wie ich bereits gesagt habe, was mein Label betrifft, möchte ich da gar keine Namen nennen, denn alle sind irgendwie speziell und von mir aus bestimmtem Grund ausgewählt. Dazu sei auch erwähnt, dass bei vielen Alben auch persönliche Freundschaften mit den Musikern entstanden sind und ich somit ein besonderes Verhältnis dazu habe und sie natürlich zu meinen Favoriten zähle.
Geht es allgemein um Musiker/Bands, wird es sehr schwierig, da es so viele gibt. Daher der Einfachheit halber mal eine Band aus der Vergangenheit und eine aktuelle: Van Der Graaf Generator (die ja auch heute noch aktiv sind) und Sigur Rós.
Bei welcher Band hast du es am meisten bedauert, dass du sie nie live gesehen hast (beim Schreiberling ist das ganz eindeutig Gentle Giant)?
Bei dieser Frage fallen mir auch gleich mehrere Name nein, speziell diejenigen, die ich nicht sehen konnte, da ich zu deren Zeit noch ein Kind war. Könnte ich mal in eine Zeitmaschine steigen und die Zeit zurückdrehen, würde ich gerne The Doors sehen, natürlich mit Jim Morrison. Oder auch Genesis mit Peter Gabriel, Tangerine Dream in den 70ern. Auf Italien bezogen, wäre es Pholas Dactylus. Alles wunderbare ritualhafte Live Erlebnisse.
Welche neuen Alben sind für die nahe Zukunft in der Pipeline?
Also… bald wird es neue ALben geben von Faveravola (endlich, nach 17 Jahren!!), Aurora Lunare, Cormorano, von den russischen Roz Vitalis, das zweite Album von Paolo Volpato Group (nahe am Gitarrenspiel von Allan Holdsworth), das Debüt von Merging Cluster (ein klarer Fall für Neo-Prog Fans), das zweite Werk vom Aldo Pinelli Clan (aus Buenos Aires). Und ich denke, ich kann auch die Rückkehr von Garden Wall ankündigen. Und noch so Einiges, was in der Planung ist.
Es gibt derart viele interessante, neue Bands in der Prog Szene, und gerade die italienische Szene scheint extrem aktiv zu sein – hast du eine Idee, woher das kommt? Was ist das Spezielle an der italienischen Szene? Ist es für italienische Bands einfacher, an einen Plattenvertrag und gute Promotion zu kommen? Bist du in regelmäßigem Kontakt mit anderen italienischen Prog Labeln?
Wie hatten eine ausgesprochen aktive Progressive-Rock-Szene in Italien mit beeindruckender Tiefe mit sehr vielen Bands neben den bekannten Größen PFM, Banco del Mutuo Soccorso, Le Orme. Sie dienen nach wie vor als Inspirationsquellen, speziell in den 90ern ist dann viel in Bewegung geraten. Ich vermute, es gibt auch einen Zusammenhang mit der italienischen Kultur. In der Toskana haben wir beispielsweise einige exzellente Bands, eine neue Prog-Szene, die ich als eine Art neue Tuscany-Prog-Renaissance definieren würde. Offensichtlich sprechen wir dabei nicht von Mainstream, aber eine Band, die guten Progressive Rock spielt, hat durchaus eine gute Chance, von einem der vier bis fünf italienischen Labels angenommen zu werden, mit denen ich eine gute Beziehung pflege und sogar zusammen arbeite.
Wie hoch ist der Anteil nicht-italienischer Bands in deinem Katalog? Ist auch eine deutsche Band dabei?
Der Anteil nicht-italienischer Bands im Lizard-Katalog dürfte etwa bei 10% liegen, vielleicht auch etwas darüber. Die einzige deutsche Band dabei heißt Discolor, eine sehr interessante Psychedelic-Krautrock-Band, deren Veröffentlichung schon ein paar Jahre zurückliegt. Aber die Tür ist immer offen bei Öizard!
Lieber Loris, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, dein Label vorzustellen.
Es war mir ein Vergnügen!
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Abbildungen: Lizard Records