D’Virgilio, Morse & Jennings – Sophomore

Credit: Chad Hoerner

(52:42; Vinyl, CD, Digital; InsideOutMusic/Sony Music, 10.11.2023)
“Sophomore”, wie der Name schon vermuten lässt, ist diese Song-Sammlung bereits das zweite gemeinsame Album von DMJ, sprich Nick D’Virgilio, Neal Morse und Ross Jennings. Allerdings ist es das erste wirkliche Studio-Album, denn beim während des Corona-Lockdowns entstandenen Vorgänger “Troika” nahmen die drei renommierten Musiker ihre jeweiligen Anteile an der Platte noch getrennt voneinander auf. Diesmal hingegen ging es erstmals gemeinsam ins Studio.

Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit klingt dementsprechend auch ein wenig organischer als das letztjährige Debüt, obwohl es stilistisch in eine sehr ähnliche Kerbe schlägt. US-Amerikanischer West-Cost-Sound zwischen Singer-/Songwriter Klängen, Country-Rock und Folk-Musik mit leichten Versatzstücken aus dem Progressive Rock US-Amerikanischer Schule.

Dass Neal Morse vor seiner Spock’s-Beard-Zeit mit genau dieser Art von Musik durch die Irish Pubs Europas und Nord-Amerikas gezogen ist, sollte hinreichend bekannt sein. Dass es eine wunderbare Live-Aufnahme eines Pub-Konzertes von D’Virgilio und Morse unter dem Künstlernamen Nick‘n’Neal gibt, hingegen weniger. Und auch das Solo-Album von Ross Jennings weist eine musikalische Ausrichtung auf, die oben beschriebenem Stil-Mix näher steht als dem Progressive Metal seiner Stammband Haken.

Soll heißen, dass diese drei Legenden des Progressive Rock und Metal hier keinen weiteren Ausflug in für sie unsicheres Territorium unternehmen, sondern sich auf Boden bewegen, auf dem sie alle sicher sind. Drei begnadete Musiker also, die allesamt über ausgeprägte songwriterische Qualitäten und von vielen geliebte Stimmen verfügen.

Eine Basis, auf der sich aufbauen lässt, sollte man denken. Und so ist es auch, denn das Album, das die drei Musiker auf diesem Fundament gemeinsam errichtet haben, wirkt stabil und weist keinerlei echte Mängel auf. Würden die Drei diese Platte auf Barhockern sitzend in einem Irish Pub aufführen, so wäre die Stimmung aller Voraussicht nach sehr ausgelassen und die Hütte am Ende zum Überlaufen voll.

Doch Nick, Neal und Ross sind keine dahergelaufenen Anfänger, sondern Mitglieder bzw. Ex-Mitglieder solch gestandener Bands wie Spock’s Beard, Transatlantic, The Neal Morse Band, Big Big Train und Haken, sodass die Erwartungen an dieses Album ganz andere sein müssen.

Vergleichen sollte man “Sophomore” also eher mit Simon & Garfunkel und Crosby, Stills & Nash oder den akustischen Stücken von Kansas.

“Sophomore” ist zwar deutlich kurzweiliger als sein Vorgänger geraten, da die Stücke die unterschiedlichen persönlichen Stempel der Musiker tragen und teils sehr verschieden geraten sind. Die Stimmen der Sänger harmonieren wunderbar und sind deutlich voneinander differenzierbar. So ergibt sich immer wieder ein gesangliches Dreigestirn mit Satzgesängen wie einst bei CSN, Yes oder The Beatles. Es gibt angenehme, den Akustikgitarren entlockte Klänge zu hören und auch an analogen Keyboards ist Sophomore nicht arm. Trotzdem fehlt es der Platte irgendwie an eigener Identität. Denn insbesondere, wenn Morse den Gesang und im Songwriting dominiert, klingen DMJ viel zu sehr nach Morse (‘Linger At The Edge Of My Memory’).

Zwar können auch Nick (‘I’m Not Afraid) und Ross ( ‘Tiny Little Fires’) eigene Akzente setzen, doch eine echte eigenständige Bandidentität abseits der charakteristischen Satzgesänge kommt nur selten auf. Außer bei ‘Mama’, dem Stück, das aufgrund seiner rockigen Instrumentierung etwas aus dem Rahmen fällt

“Sophomore” weiß zwar durchaus zu gefallen, es ist abwechslungsreich, teils beschwingt (‘Hard To Be Easy’) und v.a. kurzweiliger als viele der zuletzt immer wieder sehr ähnlich klingenden Solo-Veröffentlichungen von Neal Morse, doch fehlt es der Platte gleichzeitig an wirklich zwingenden Momenten, den ganz großen Melodien und an Songs für die Ewigkeit. Ein ‘Bridge Over Troubled Waters’, ‘Cathedral’ oder ‘Dust In The Wind’ sucht man hier vergebens.

Vielleicht benötigt es einfach ein paar Umdrehungen mehr, bis die Hooks einzelner Songs sich endlich festsetzen und DMJ eine weitere Stufe zünden. Das ist nicht auszuschließen. Wenn man allerdings bedenkt, dass die hier beteiligten Musiker verantwortlich für Ohrwürmer wie ‘The Cockroach King’, ‘June’ und ‘We All Need Some Light Now’ waren, dann hätte man von diesem Album, dessen Hauptmerkmale akustische Elemente und Satzgesang sind, deutlich mehr erwarten können. Außer ‘I Still Wonder’ hat wohl kaum eines der Stücke das Zeug dazu, zum Klassiker im Repertoire der beteiligten Musiker zu werden.

Bewertung: 10/15 Punkten


Sophomore (Bonus Tracks Version) von D’Virgilio, Morse & Jennings

D’Virgillio, Morse & Jennings - Sophomore (InsideOutMusic/Sony Music, 10.11.2023)
Credit: Chad Hoerner

Besetzung:
Nick D’Virgilio
Neal Morse
Ross Jennings

Diskografie (Studioalben):
“Troika” (2022)
“Sophomore” (2023)

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Rezensionen:
“Troika” (2022)


Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Oktober Promotion zur Verfügung gestellt.