(53:08, CD, Digital; Avalon Records/Just For Kicks, 20.10.2023)
Der kreative Run bei Galahad geht weiter: fast exakt ein Jahr nach “The Last Great Adventurer” steht nun schon der Nachfolger in den Startlöchern. Mit den beiden als Galahad Electric Company veröffentlichten Alben heißt das effektiv, dass die Band seit 2020 im Jahrestakt ein Album mit neuen Songs veröffentlicht hat – ob man sich da von den ebenfalls aus dem südenglischen Bournemouth stammenden Vielveröffentlichern Big Big Train inspirieren lassen hat?
Es liegt näher, dass speziell die Hauptsongwriter Stu Nicholson (voc) und Dean Baker (keys) einfach aktuell musikalisch wie textlich viel zu sagen haben. “The Long Goodbye” zeigt wie schon der Vorgänger, dass es durchaus möglich ist, auch im Prog persönliche Texte aus der Sicht der heutigen Großelterngeneration zu schreiben, ohne dabei in old-man-screams-at-cloud-Klischees zu verfallen. So geht es auf den Songs “The Long Goodbye” um die Fragilität von selbst langjährigen Freundschaften, Ereignisse, die ein Leben erschüttern und für immer verändern können – oder um das schwierige Thema Demenz. Lediglich ‘The Righteous And The Damned’ fällt mit seiner etwas zu allgemeinen Kritik an Kriegstreibern aller Art ein wenig aus dem Konzept heraus – und ist auch musikalisch mit Sicherheit ein potenziell streitbarer Song.
Denn über weite Strecken gibt’s auf “The Long Goodbye” ohne Frage den klassischen Galahad-Stoff: melodischen, songorientierten Neoprog, abgeschmeckt mit gelegentlichen Ausflügen zur theoretisch durchaus tanzbaren Elektronik und ein paar durchaus auch ans Metal-Genre angrenzenden Bratriffs. Generell tendieren die ersten drei Songs – Seite 1 der Ende des Jahres folgenden LP-Version – ein wenig mehr zum Melodic Rock, gemischt mit einer kräftigen Dosis Synthpop im Sinne von, sagen wir mal, Alphaville oder den frühen a-ha. Die progressiven Elemente dienen hier mehr der Auflockerung. Dafür verfügen vor allem ebendiese Songs über Refrains, die auch jeden AOR-Gourmet zufriedenstellen dürften. Seite 2 hingegen zeigt sich progressiver und verspielter, wobei das abschließende Titelstück in dreizehn kurzweiligen Minuten alle Register zieht, die man am Neoprog mag (oder eben hasst, je nach Gusto). Bleibt also das besagte ‘The Righteous And The Damned’, das neben einem ‘Empires Never Last’-Zitat einerseits die heaviesten Gitarren des Albums hat, andererseits aber auch mit Elementen osteuropäischer Folklore spielt, die zusammen mit Stus theatralisch-sarkastischer Gesangsdarbietung ein fast schon Musical-artiges Ganzes und somit durchaus Neuland für Galahad darstellt.
Die CD-Fassung enthält mit ‘Darker Days’ und dem vom Galahad-Electric-Company-Album “When The Battle Is Over” bekannten ‘Open Water’ noch zwei exzellente Bonustracks. Man könnte argumentieren, dass vor allem der Ohrwurm ‘Darker Days’ durchaus besser ins “Hauptalbum” gepasst hätte als ‘The Righteous And The Damned’ – auch wenn letzteres natürlich für mehr Abwechslung sorgt und vermutlich auch deshalb bevorzugt wurde. Dass das Album von der Band und Karl Groom erneut exzellent produziert wurde, sei an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber erwähnt, ebenso wie das optisch sehr ansprechende CD-Package.
Galahad sind ein gutes Beispiel dafür dass sich eine Band nicht notwendigerweise mit jedem Album komplett neu erfinden muss, um interessant zu bleiben. Es reicht, offen zu bleiben und das stilistische Festfahren bewusst zu vermeiden – und am Wichtigsten ist es, Stilistik hin oder her, einfach auch nach mehr als dreißig Jahren Bandgeschichte 50 Minuten Musik veröffentlichen zu können, die dem Backkatalog ebenbürtig sind.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Bilder/Fotos zur Verfügung gestellt von Avalon Records/Galahad