(69:00, Vinyl, CD, Digital; Peaceville Records, 14.04.2023)
Die Liste der Top-Alben 2023 des schriftsetzenden Schmierfinks ist noch relativ leer. Umso dringlicher ist also die nun folgende Abhandlung eines potentiellen Kandidaten. Damit es hinterher nicht wieder heißt, man habe ja von nichts gewusst, weil keiner was gesagt hat.
Seit 1994 existiert das norwegische “Reich des Todes” (frei nach Google-Übersetzer), gegründet von Yusaf Parvez aka Vicotnik und einem gewissen Fenriz (am Bass, nicht am Schlagzeug). Davon ausgehend, dass sich auch einige Leser dieser betreuenden Seiten hin und wieder schon mal in der Black-Metal-Szene umschauen, wird der Name des Letztgenannten nicht gänzlich unbekannt sein (Nun sag’s doch schon, Darkthrone 😉 D. Schlussred.).
Anders wie Fenriz‘ aktuelle Band Darkthrone, lassen sich Dødheimsgard in Sachen Veröffentlichungen leider deutlich mehr Zeit. Satte acht Jahre sind seit ihrem letzten Album “A Umbra Omega” vergangen. Ein Album, das bereits damals für einige Kontroversen sorgte, denn zum üblichen Black-Metal-Geschepper gesellten sich plötzlich ungewöhnliche Jazz-Verzettelungen und man drosselte gleichzeitig massiv das Tempo. Traditionelle Kalksteingesichter verschluckten sich am Rotwein, Fans von Avantgarde Black Metal a la Manes, Deathspell Omega oder Borknagar jedoch horchten auf.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Und auch mit “Black Medium Current” werden sie wieder gleichermaßen für Entsetzen und Frohlocken sorgen. Diesmal könnte man im ersten Moment meinen, dass sie es noch ein Stück mehr übertreiben. In einem an Reizen nicht sparenden Song wie ‘Interstellar Nexus’ experimentiert man mit Elektronik der Marke Aphex Twin und psychedelischen Spielchen a la Hawkwind. An anderen Stellen holt man den ursprünglichen, klassischen Black Metal hervor, der allerdings wenn schon denn schon in die komplexere Emperor-Ecke gehört.
Ja, auch das sechste Album von Dødheimsgard ist eine schwierige Herausforderung und verlangt konzentriertes Zuhören. Aber genau das ist es, was den Spaß an diesem Album ausmacht. Man fragt sich im ersten Moment, was das alles soll, nur um im zweiten Moment zu dem Schluss zu kommen, dass das irgendwie doch alles passt und sogar gut klingt. War unter anderem der Jazz-Einfluss und die Komplexität auf dem Vorgänger deutlich ausgeprägter, so klingen die Mannen um Vicotnik auf “Black Medium Current” tatsächlich aufgeräumter und überraschend melancholisch, ja teilweise sogar ein Stück verträumt (‘Voyager’). Und auch was mächtige Harmonien und massive Gänsehautmomente angeht, liefern die Norweger mit dem unfassbar guten ‘Tankespinnerens Smerte’ möglicherweise einen Kandidaten für den Song des Jahres ab. Die Chöre in der letzten Hälfte des Songs sind so erhaben, dass man auf der Stelle ins Wickinger-Museum fahren möchte.
Neben dem klassischen Black Metal-Gekreische und Gegrowle könnte einem vielleicht der leicht schräge Klargesang an manchen Stellen die Stimmung vermiesen, es sei denn man ist nicht eh schon Fan von Bands wie A Forest of Stars oder Arcturus und damit der Meinung, dass diese Art des Gesangs hervorragend ins Konzept eines solchen Albums passt. Einem Album, das dem Hörer eine riesige Ansammlung musikalischer Ideen und Herausforderungen präsentiert. Eine mit jedem Durchlauf neu entflammende Entdeckungsreise, die unfassbar viel Spaß macht und die Bezeichnung “progressiv” mehr als verdient hat.
“Black Medium Current” ist eine Ansammlung von eigentlich unpassenden Unmöglichkeiten, kreativen Ideen am Fließband, Melodien zum Niederknien und sehr vielen, atmosphärischen Augenblicken. Kurzum: Ein überaus spannendes Black/Avant Metal-Album und möglicherweise das Album des Jahres.
Bewertung: 14/15 Punkten
Surftipps zu Dødheimsgard :
Facebook
Bandcamp
Spotify
Instagram
Alle Abbildungen stammen von Peaceville Records.