Alice Cooper – Road

Alice Cooper - Road (earmusic/Edel, 25.08.2023)(47:59, CD, CD/DVD, CD/BluRay, 2LP, Digital, earMusic/edel, 25.08.2023)
Man durfte sich zuletzt durchaus Sorgen über den Füllstand Alice Coopers kreativer, ähem, Säfte machen. Der Versuch, die Spaßband Hollywood Vampires auf dem zweiten Album “Rise” als vollwertige Band mit eigenen Songs zu etablieren, gelang dank vieler mittelprächtiger Songs nicht wirklich. Und das letzte Alice-Studioalbum “Detroit Stories” entpuppte sich ebenfalls als halbgarer Mischmasch aus überabeiteten älteren Songs, Coverversionen und einigen ebenfalls eher mittelmäßigen neuen Kreationen. Die gute Nachricht: der Durchhänger scheint erstmal überwunden, denn mit “Road” veröffentlicht Cooper eines der besten Alben der letzten 30 Karrierejahre.

Die cleverste Entscheidung dürfte gewesen sein, für das (locker gestrickte) Konzeptalbum über das Tourleben auch Alices seit Ewigkeiten bestens eingespielte Liveband ins Studio zu schleppen. Dementsprechend rockt “Road” auch ein gutes Stück heftiger als die Vorgänger. Zwar bleibt die stilistische Ausrichtung ähnlich, viel Siebziger-Glamrock und ein wenig Sixties-Garagenrock, endlich aber auch wieder ein paar Achtziger-Stadionrefrains und knackige Hardrock-Gitarren. Letzteres dürfte hauptsächlich auf “Hurricane Nita” Strauss zurückzuführen sein, die sich zwar solistisch hörbar zurücknimmt, aber eben doch ein gutes Stück Härte in den Cooper-Sound zurückbringt. Auch Drumtier Glen Sobel und Basser Chuck Garric, der seit satten 20 Jahren in Alices Diensten steht, machen deutlich mehr Lärm, als die Dad-Rock-Allstar-Truppen, die Bob Ezrin in den letzten Jahren um den Frontghoul versammelt hatte.

Ganz ohne Gastauftritte kommt aber auch “Road” nicht aus. So darf Gitarren-Rambo Kane Roberts, der auf der letzten Tour zeitweise als Ersatz für Nita Strauss in die Cooper-Band zurückgekehrt war, das auch von ihm mit komponierte ‘Dead Don’t Dance’ mit unverkennbarer Handschrift unterstützen. Roger Glover spielt Bass (ach was…) auf ‘Baby Please Don’t Go’ und letztlich steuert Tom Morello ein (höchst unspektakuläres) Solo zu ‘White Line Frankenstein’ bei. Das lenkt aber keineswegs vom Wichtigsten ab: den höchst launigen Songs, die ebenfalls fast komplett von der Band mit komponiert wurden. Vor allem ‘Big Goodbye’, ‘Welcome To The Show’, ‘Baby Please Don’t Go’, ‘Go Away’ und das wie zu “Killer”-Zeiten mit Bläsern (diesmal aber nur aus dem Synthie) ausgestattete ‘All Over The World’ setzen sich sofort in die Gehörgange. Aber auch das düstere ‘100 More Miles’, das auch perfekt aufs unterbewertete “From The Inside” gepasst hätte und die augenzwinkernden Albernheiten ‘Rules Of The Road’ und ‘Big Boots’ machen einfach eine Menge Spaß.

Zur vollkommenen Cooper-Glückseligkeit fehlt eigentlich nur ein abgefahrenes Artrock-Spektakel wie seinerzeit ‘Ballad Of Dwight Fry’ oder ‘Halo Of Flies’, mit dem aber heuer eh nicht mehr zu rechnen ist. Dafür gibt’s noch ein erneutes Remake von ‘Road Rats’, diesmal ‘Road Rats Forever’ betitelt – das fügt einerseits den vorangegangenen Versionen (erste Fassung auf “Lace And Whiskey”, die zweite auf dem “Roadie”-Soundtrack) nicht wirklich Neues hinzu, ist aber halt – immer wieder! – einfach ein cooler Song, der auch ins Albumkonzept passt.

Es schwächelt eigentlich hauptsächlich die erste Single ‘White Line Frankenstein’, die dabei keinesfalls ein Totalausfall ist. Aber der Refrain ist dann doch ein wenig zu deutlich an Black Stone Cherrys ‘White Trash Millionare’ angelehnt. Eher generell schwachbrüstig ist das Cover von ‘Magic Bus’ (The Who), das am Ende des Albums allerdings wohl eher als Bonustrack zu sehen ist. Vor allem, weil das Albumkonzept eigentlich mit ‘100 More Miles’ bereits das perfekte Ende hat. Das ändert aber auch nichts daran, dass “Road” das mit Abstand beste, schlüssigste und kraftvollste Cooper-Album seit langem ist.

Die Deluxe-Ausgaben des Albums enthalten übrigens auch noch eine Bonus-DVD/CD mit dem 75-minütigen Auftritt auf dem letztjährigen Hellfest, die ebenfalls mächtig Laune macht, und neben der üblichen Klassiker-Riege mit dem seit 1988 nicht mehr gespielten ‘Roses On White Lace’ einen der absoluten Höhepunkte der letzten Tour in bester Qualität für die Ewigkeit festhält. Kurz gesagt: “Road” ist ein kreatives Comeback, dass die meisten Alice wohl in dieser Form nicht mehr zugetraut hätten. Absolut empfehlenswert.
Bewertung: 12/15 Punkten


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Abbildungen: earMusic/edel