Neuronium – The Harvest Years

(45:23, 37:13, 2-CD, Digital, MiG Music, 15.02.2023)
Mit etwas Verspätung nun die längst überfällige Vorstellung einer weiteren feinen Ausgrabung des Made in Germany – Music Labels. Diesmal trifft der Labelname nicht wirklich zu, denn bei Neuronium handelt es sich um eine belgisch-spanische Kombination, die nach Quintett-Größe in den frühen Anfangstagen schließlich als Trio ihre ersten Alben veröffentlichten. Mit der Zeit schrumpfte es schließlich zu einem Ein-Mann Unternehmen, das als Neuronium oder unter dem Namen des Künstlers, Michel Huygen, mittlerweile kurz vor der Veröffentlichung des 50. (in Worten: fünfzigsten) Albums steht. Was ursprünglich als Progressive-Rock-Band startete, wechselte schließlich in den Bereich Elektronische Musik. 1977 erhielten sie einen Plattenvertrag beim britischen Harvest-Label und veröffentlichten noch im gleichen Jahr ihr Debüt “Quasar 2C361”, dem ein Jahr später “Vuelo Quimico” in gleicher Besetzung folgte. Zwei Jahre später folgte die erste große Veränderung, man trennte sich von Gitarrist Albert Gimenez und von Harvest, um schließlich mit dem dritten Werk “Digital Dream” unter dem eigenen Label Neuronium Records durchzustarten. Und so besteht diese Zusammenstellung der Neuronium-Zeit beim Harvest-Label aus genau diesen zwei Alben, die in folgender Besetzung eingespielt wurden:

Michel Huygen – synthesizers / sequencers
Carlos Guirao – keyboards / acoustic guitar / flute / vocals
Albert Gimenez – electric guitar / audio-generators / FX.

Neuronium waren die Pioniere der Elektronik Szene in Spanien und entwickelten ihren ganz eigenen Sound, der sich in eine Art Kosmische Elektronische Musik entwickelte, was angesichts des Albumtitels ihres Debüts aus dem Jahr 1977 auch wenig überrascht. Der Titelsong eröffnet das Album gleich mit einem monumentalen Longtrack, denn diese kosmische Reise dauert über 26 Minuten und begründet den Ruf der Formation als Vorreiter der spanischen EM Szene. Synthesizer geben den Ton an, während die Gitarre zusätzliche Farbtupfer bietet. Dabei überwiegen die Sounds eines String Synthesizers, was eine sinfonische Komponente in die eher Richtung Kosmische Elektronische Musik tendierende Klangwelt des Trios einbringt. Für Vinyl-Verhältnisse natürlich ein ausgesprochen langer Titel, die Rückseite enthielt dann drei eher kürzere Titel, wobei es ‘Catalepsia’, der Opener der zweiten Seite, immerhin auch auf achteinhalb Minuten Spielzeit bringt. Dabei machen sie hier im Stil des Titelsongs weiter, ihre Kompositionen sind dabei nicht mit langen, abstrakten Klangkaskaden durchsetzt, sondern durchaus melodisch angelegt.

Auch das ein Jahr später und ebenfalls in Barcelona aufgenommene Album “Vuelo Quimico” (“Chemical Flights”) startet mit einem seitenfüllenden Longtrack. Der Song ‘Abismo de Terciopelo’ ist in drei Abschnitte unterteilt und bringt es auf eine Laufzeit von 20 Minuten. Auch hier wird der Einfluss der Berliner Schule deutlich, als Neuerung im Vergleich zum Vorgänger tauchen in diesem Titel auch Gesangspassagen auf, für die Guirao verantwortlich zeichnet. Jedoch nur zu einem kleinen Anteil, wobei die Kombination aus Synthesizern, Gesang und akustischer Gitarre gut funktioniert. Doch hier und auch in den späteren Jahren sollte Gesang in der Musik von Neuronium kaum eine Rolle spielen. Auf das drei Minuten kurze ‘Viento Solar’, einer Art Berliner-Schule-Track im Schnelldurchgang, folgt schließlich der 14-minütige Titelsong, der das Album auch abschließt. Es beginnt mit Mellotronsounds, anschließend warten sie mit einer kleinen Überraschung auf, denn der gesprochene Text / Gesang stammt von Nico von Velvet Underground und einem von Alfredo Domenéch geleiteten Chor am Ende des Tracks. Die Texte basieren übrigens auf Vorlagen von Edgar Allan Poe. Insgesamt klingt der Zweitling etwas wärmer und melodischer als das Debüt und ist dem EM-Fan bedenkenlos zu empfehlen, um einen Einstieg in die spanische EM Szene zu bekommen.

Es sollten noch zahlreiche Alben von Neuronium folgen, Mastermind Huygen bezeichnet seine Musik auch gern als “Psychotronics”. Er nahm sogar ein Album mit dem legendären Vangelis auf.

Eine Zusammenstellung dieser beiden Alben gab es schon 1998 unter dem Titel “Todas Sus Grabaciones Para Discos EMI/Harvest”, nun liegt sie in einer Neuauflage dank MiG Music für alle Interessenten leicht zugänglich vor. Zugreifen!
Bewertung: 11/15 Punkten

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Abbildungen: Neuronium