(52:42 min, CD, LP, Digital, earMusic/Edel, 09.06.2023)
Wenige Songs haben in den letzten Monaten in Rock-Kreisen so viel Staub aufgewirbelt wie die Extreme-Single ‘Rise’. Ob Online-Magazine, Print-Presse oder Social-Media-Größen wie Rick Beato und Justin Hawkins, alle sangen das Lob für ‘Rise’. “Was für ein Song!”, hieß es, “Was für ein Sänger!”, “Was für ein Groove!” und immer wieder: “Was für ein Gitarrensolo!” Tja. Geile Songs, geile Vocals, geiler Groove und geile Gitarren sind für Extreme quasi “ihr Ding”. Schon immer. Schön, dass es so langsam auch der Rest der Welt merkt.
Wobei es die Band den Zuhörern auf ihrem sechsten Studioalbum “Six” aber auch eindeutig leichter macht als auf den letzten beiden Alben “Waiting For The Punchline” und “Saudades De Rock”. Die Alternative-Rock-Elemente wurden ebenso wie die Experimentierfreude deutlich heruntergefahren, dafür geht die Band diesmal wieder deutlich hardrockiger, eingängiger und geradliniger zur Sache. Eine Rückkehr zum “Pornograffitti”-Sound gibt’s – natürlich! – trotzdem nicht, Retro überlassen die Bostoner den Anderen. Ein Song wie ‘Banshee’, der durchaus an das 1989er Debütalbum erinnert, bleibt die Ausnahme: “Six” ist ganz eindeutig ein Kind der Jetztzeit. Ein wenig nähert sich die Band dabei durchaus an andere “Modern Hard Rock”-Kollegen wie The Dead Daisies an. Dank der deutlichen musikalischen Fingerabdrücke von Gary Cherone (voc), Nuno Bettencourt (gtr, voc), Pat Badger (bass) und Kevin Figuereido (dr) bleiben Extreme aber letztlich doch erkennbar sie selbst. Ein paar subtile Flirts mit elektronischen Klängen bleiben zwar die einzigen wirklich neuen stilistischen Schlenker und bringen mit ‘X Out’ (atmosphärischer Rocker) und dem lässigen ‘Beautiful Girls’ (Ska-infizierte Gute-Laune-Nummer) zwei der absoluten Highlights – mit dem Richtung Rob Zombie (!) schielenden ‘Thicker Than Blood’ allerdings auch den einzigen qualitativen Ausreißer nach unten. Ansonsten gibt’s vornehmlich die Extreme-typische Mischung aus groovenden Rockern, entspannteren, Beatles- und Queen-lastigen Poprocksongs, gerne auch als Ballade und/oder mit Akustikgitarren – aber eben perfekt getunet fürs Jahr 2023.
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Der deutlichste Unterschied zu den Vorgängern liegt in der Produktion von “Six”. Statt des trockenen, reduzierten Sounds, den die Band seit “III Sides To Every Story” bevorzugte, kracht hier alles wieder ein wenig mehr, die Riffs kommen breitbeiniger und die Drums druckvoller. Das steht der Band eindeutig bestens zu Gesicht und trägt viel zum Laune-Faktor der Scheibe bei, vor allem, weil Nuno Bettencourt sich auch mit seinen Soloparts wieder deutlich expressiver zeigt als in den (schluck) 30 Jahren zuvor. Der überschwängliche Exzess von ‘Rise’ ist dabei nur eine Facette seines Spiels, in der beatlesken Ballade ‘Small Town Beautiful’ zitiert er beispielsweise für ein paar Sekunden Coldplays ‘Yellow’, um dann über ein paar typische Clapton-Licks in eine perfekte Brian-May-Huldigung überzugehen – in nur sieben Takten. Apropos May: wären da nicht ein paar typische Nuno-Runs dazwischen, könnte man im Solo von ‘Beautiful Girls’ fast meinen, der Meister hätte höchstselbst Hand angelegt.
“Six” zum ” Rockalbum des Jahres” auszurufen ist natürlich eine gewagte Ansage. Aber in jedem Fall müsste sich die Konkurrenz (gibt’s die?) ordentlich anstrengen, wollte sie “Six” ernsthaft an den Karren fahren. Wie jedes Extreme-Album kling “Six” auf den ersten Eindruck anders als erwartet, anders als das, was davor kam und trotzdem unterm Strich aufgrund der unüberhörbaren, unbedingt eigenständigen Identität der Band ganz eindeutig nach Extreme. Die Klasse, für die dieser Name steht und die Fans der Band schon seit den Achtzigern verehren, scheint nun, 32 Jahre nach ‘More Than Words’ auch endlich beim Rock-Mainstreamhörer anzukommen. Na, wie sagt man so schön: besser spät als nie…Bewertung: 13/15 Punkten
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Abbildungen: Extreme/earMusic/edel/Networking Media