(48:31, CD, LP, Digital, earMUSIC/Edel, 28.04.2023)
Nachdem The Damned zwischen 1987 (“Anything”) und 2018 (“Evil Spirits”) gerade mal drei Studioalben – eines davon eine “inoffizielle” Sammlung unfertiger Songs – abgeliefert haben, scheint die Kreativität der Band seit besagtem “Evil Spirits” wieder schwer fledermausbeflügelt. Innerhalb von fünf Jahren zwei Alben und eine EP? Ja, doch, so kann’s definitiv weitergehen.
Vor allem natürlich, wenn die Resultate so knorke ausfallen. Die Punk-Puristen dürfen auch 43 Jahre nach dem “Black Album” verächtlich weiterschnauben, “Darkadelic” ist erneut feinster The-Damned-Stoff, gewebt aus rumpelndem Sixties-Garagenrock, waberiger Psychedelia, Fifties-Coolness, Alte-Schule-Goth und anarchisch bis albernem Humor. Im Vergleich zum von Tony Visconti vielleicht etwas zu glatt produzierten Vorgängeralbum rockt diesmal alles ein wenig spaciger. Keyboarder Monty Oxymoron darf sich heuer deutlich psychedelischer austoben, ob mit Dave-Greenfield-Gedächtniskirmesorgel, Hawkwind-mäßigen Waberflächen oder auch mal mit vornehmer Zurückhaltung und Hollywood-Soundtrack-Piano (‘Roderick’!) dominiert der Mann mit der Andy-Tillison-Matte diesmal die atmosphärisch dichten Arangements. Dave Vanian (voc) brilliert erneut als Crooner, Greaser und Horror-Show-Host, Captain Sensible (gtr) hält markige Riffs und eine ganze Reihe großartiger Gitarrensoli dagegen und darf auf ‘Bad Weather Girl’ gleich an zweiter Stelle im Albumablauf auch wieder als Leadsänger ‘ran.
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Natürlich hatte man ja als Fan irgendwie die Hoffnung, dass nach dem Abgang von Langzeit-Drummer Pinch und der kurzen Reunion-Tour 2022 vielleicht Original-Schlagzeuger Rat Scabies wieder dauerhaft zurückkehren könnte. Es sollte wohl nicht sein, mit dem technisch höchst versierten Neuzugang William Granville-Taylor hat die Band aber definitiv einen Glücksgriff getan. Zusammen mit Paul Gray (bs) bildet er eine ebenso locker wie druckvoll – und vor allem abwechslungsreich! – losrockende Rhythmusgruppe, die das Album nochmals eine Stufe nach oben hebt. Wer’s nicht glaubt, höre sich einfach die Jam-Session in der zweiten Hälfte von ‘Girl, I’ll Stop At Nothing’ an.
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Aber, alle technische Fähigkeit ersetzt natürlich nicht das kompetente Songwriting (kontroverse Meinung für eine Prog-Seite? Hmmm…). Vanian und Sensible haben je die Hälfte des Materials beigesteuert, teils in Kooperation mit Gray, der mit ‘Motorcycle Man’ auch noch eines der Highlights alleine verfasst hat. Auch textlich hat das Album Einiges zu bieten. Natürlich gibt es auch die üblichen Lyrics über teuflische Damen, gefährliche Herren und Nachtfalter jeglicher Art, aber eben auch ein gutes Stück mehr. ‘Beware Of The Clown’ rechnet beispielsweise süffisant grinsend mit Boris Johnson, dem PM-Debakel im UK und dem Blick der Konsumenten auf Medien-Persönlichkeiten im Allgemeinen ab. ‘Leader Of The Gang’ treibt dieses Thema auf die Spitze und widmet sich Gary Glitter und der Frage, wie die Kunst für den Fan weiterhin zu bewerten ist, wenn der Künstler untragbar bis unerträglich geworden ist. Wie immer aber alles ohne erhobenen Zeigefinger oder Platitüden, dafür mit viel schwarzem Humor, gut abgehangener Coolness und dem Damned-eigenen Hang zu Chaos, Selbstironie und Albernheit.
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Mit der “Holy Trilogy” der Band – “Machine Gun Etiquette”, “The Black Album” und “Phantasmagoria” – kann “Darkadelic” natürlich aufgrund deren enormer Hit- und Klassikerdichte nicht ganz Schritt halten. Erwartet wohl auch niemand. Dass eine Band aber nach 47 Jahren immer noch Material veröffentlicht, dass überhaupt zum qualitativen Vergleich mit den heiligen Überwerken einlädt, ist aber selten genug. “Darkadelic” ist somit ein füllerfreies, exzellentes Spätwerk, das, wäre es nur anderthalb Jahre früher erschienen, den noch perfekteren Soundtrack für Edgar Wrights “Last Night In Soho” abgegeben hätte.
Bewertung: 12/15 Punkten (SG 12, KR 12)
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Abbildung: The Damned