(165:00, 3-CD/DVD, Blu-ray, LP, Digital, Frontiers/Soulfood, 26.05.2023)
Journeys jüngste History hat mehr von einem Seifenoper-Gerichtsdrama als von der Geschichte einer Rockband – im Vergleich zu den Eskapaden der Melodic-Rock-Legenden erscheinen selbst Mötley Crüe und Sharon Osbourne plötzlich wie bodenständige, vernünftige Normalos. Jeder verklagt jeden, ob Ex-, Neu- oder Garnicht-Mitglied, die Manager (Ex und aktuell) und Ehefrauen (ditto) mischen auch noch mit, und dazwischen wird freudig rausgeworfen und wiedergeholt, während auf Tour weiterhin das Lächeln getragen wird und man sich musikalisch immer mehr von der Rockband zum Las-Vegas-Act entwickelt. Das Bandboss Neal Schon sich da vor ein paar Jahren für einen guten Zweck mit seinem Ex-Santana-Kollegen und Journey-Mitbegründer Gregg Rolie (voc/keys), dem geschassten Wunderdrummer und -sänger Deen Castronovo sowie deren Soul-Sirkus-Kollegen Marco Mendoza (bass) in einem Seitenprojekt namens Journey Through Time ausgetobt hat, wundert da nicht. Ergänzt von Zusatzkeyboarder John Varn widmete sich die Mannschaft bei ihrem One-off-Gig hauptsächlich dem Journey-Repertoire der 1970er, unter Anderem eben auch besonders den fusionlastigen Alben vor dem Einstieg von Steve Perry. Schon hatte seinerzeit bereits eine Handvoll Songs auf seinem YouTube-Kanal gezeigt, mit einer offiziellen Veröffentlichung hatte aber so langsam schon niemand mehr gerechnet.
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Mit fünf Jahren Verspätung liegt aber jetzt der Mitschnitt des kompletten Konzertes vor – “Journey Through Time” ist nun der Albumtitel, und das Ganze läuft nun offiziell als Neal-Schon-Soloveröffentlichung – vermutlich, um weitere Gerichtsverhandlungen zu verhindern. Trotzdem dürfte jedem Journey-Fan, der sich mit der Band auch jenseits der Hits beschäftig hat, bei Anblick der Setlist der schiere Geifer tropfen. Klar, die ganz großen Hits wie ‘Any Way You Want It’, ‘Seperate Ways’ und ‘Don’t Stop Believin” gibt’s trotzdem, aber das Hauptaugenmerk liegt eindeutig auf den deep cuts: ‘Look Into The Future’, ‘Daydream’, ‘Lady Luck’, ‘Mystery Mountain’, ‘Nickel And Dime’, ‘Mother, Father’, ‘Walks Like A Lady’, ‘Patiently’, eine ordentlich breit ausgewalzte Version von ‘Lovin’ You Is Easy’ – noch Fragen? Der Backkatalog funktioniert auch in einem Club genauso gut wie im Stadion, und gerade für die in den Setlists der Hauptband oft übergangene Prog-Fraktion unter den Journey-Fans gibt es hier eine ganze Menge leckeres Gourmetfutter. Deen Castronovo beweist einmal mehr, dass er der einzig wahre Ersatz für Steve Perry ist und ergänzt sich stimmlich pefekt mit Rolie, der natürlich “seine” Songs auch selbst übernimmt. Für zwei Stunden und fünfundvierzig Minuten lassen es die fünf ordentlich krachen, mit viel Spielfreude und genau dem Feeling, das der Hauptband seit Jahren abgeht. Wenn das Set mit den Santana-Klassikern ‘Black Magic Woman/Gypsy Queen’ und ‘Oye Como Va’ inklusive Scat-Gesangseinlagen und Jam-Band-Feeling zuende geht, hat man das Gefühl, hier eigentlich die echten Erben der Journey-Magie gehört zu haben.
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Wie allerdings schon beim letzten Journey-Studioalbum muss man soundtechnisch einige Abstriche machen – und tatsächlich genau die selben. Die Klangqualität wechselt recht häufig, nicht selten von Track zu Track, und speziell die Vocals gehen oft im Hallgerät verloren. Ja, manchmal klingt es eher nach gutklassigem “Official Bootleg” als nach potenziell legendärem Livealbum. Audiophile Gemüter werden hier also wenig Spaß haben, und auch als Nicht-Audio-Voodoo-Gläubiger wünscht man sich, es wäre beim Mix etwas liebevoller und sorgfältiger gearbeitet worden. Was ein Pflichtalbum für alle Interessierten hätte sein können, ist so leider nur ein – nichtsdestrotrotz sehr cooles! – Souvenir für eingefleischte Fans geworden. Die werden die klanglichen Abstriche gerne machen, und musikalisch ist das hier fraglos der beste Journey-Mitschnitt seit “Captured”, ohne überhaupt einer zu sein.
Bewertung: Ohne Bewertung (Livealbum)
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Abbildungen: Frontiers Records Europe