Nachdem Long Distance Calling im vergangenen Jahr mit ihrer mehrfach verschobenen Seats & Sounds Tour noch alleine unterwegs waren, hatten sie in diesem Frühjahr gleich zwei Bands als Unterstützung mit im Schlepptau. Zum einen den alten Weggefährten Petter Carlsen, der auf ihrem 2016er Album “Trips” als Gastsänger zu hören gewesen war, mit seiner Power-Indie-Prog-Band Pil & Bue . Zum anderen Jonathan Hultén, den ehemaligen Gitarristen der Progressive Death Metal Band Tribulation, der zuletzt mit entrücktem experimentellem Folk auf sich aufmerksam gemacht hatte. Ein Paket also, das Abwechslungsreichtum versprach und auf die ein oder andere Überraschung hoffen ließ.
Pil & Bue
Eine erste Überraschung gab es schon in der Form, dass Pil & Bue auf dieser Tour der Slot als Opener zukam. Ein merkwürdige Wahl, denn dramaturgisch hätte der energetische Auftritt von Petter Carlsen (Gesang & Gitarre) und Schlagzeuger Gøran Johansen besser als Übergang zwischen Hultén und LDC gepasst. Zudem begann dass Duo seinen Auftritt bereits fünf Minuten vor dem Zeitplan.
Die Abmischung der beiden Norweger war nicht wirklich überzeugend, zu sludgig, auch wenn die neueren Stücke auch auf Platte einen leichten Garagen-Sound haben. Das Volumen, das Carlsen und Johansen jedoch entstanden ließen, war viel umfangreicher, als man es bei einem Duo hatte erwarten können. Dass Johansen sich hinter der Schießbude einen abtrommelte, passte da wunderbar ins Bild.
Große Begeisterungsstürme löste der Auftritt der Skandinavier trotzdem nicht aus. Aber die Halle war um kurz nach 20:00 Uhr auch noch erschreckend leer gewesen.
Besetzung:
Petter Carlsen
Gøran Johansen
Jonathan Hultén
Was hiernach folgte, war ein Auftritt wie aus einer anderen Welt. Und für viele Zuschauer aufgrund seiner Andersartigkeit eine echte Überraschung. Zwar war Jonathan Hultén schon während seiner Zeit bei Tribulation, genau wie auch der Rest der Band, für sein Corpsepaint bekannt, doch hatte seine Bemalung und Kostümierung an diesem Abend nicht Ansatzweise etwas mit Metal zu tun. Stattdessen hätte man glauben können, man habe hier eine der vielen Doppelgängerinnen von Padmé Amidala, Königin von Naboo auf der Bühne stehen gehabt.
Besetzung:
Jonathan Hultén
Long Distance Calling
Ein Umstand, der sich bei den ersten Klängen von Long Distance Calling gottlob in Luft auflöste. So gab es an diesem Abend wohl nur wenige Besucher, die ausschließlich in die Kantine gekommen waren, um eine der Vorbands zu sehen. So hieß es von Anfang an volle Konzentration auf die Musik, und das, obwohl oder vielleicht gerade weil die Münsteraner ihr Set mit drei Stücken vom aktuellen Album “Eraser” eröffneten. Die wirkten Gitarren vielleicht etwas jaulender, der die Stücke vielleicht etwas psychedelischer. David Jordan,
Florian Füntmann, Jan Hoffmann und Janosch Rathmer traten jedoch auch bei ihren neuen Liedern so souverän und routiniert auf wie eh und je. Das Ganze in einem Klangbild, das ansprechend war. Vor allem waren die Lautstärke-Regler gottlob nicht bis zum Anschlag aufgedreht. Lediglich die Bässe hätten ein wenig mehr Druck vertragen können. Es folgten ‘Hazard’ und ‘Immunity’
vom Vorgängeralbum “How Do We Want To Live?”, sowie, umschlossen von den beiden, ein weiteres neues Stück: ‘Invisible Giants’.
Keines der neueren Stücke schlug jedoch so ein, wie ‘Kamilah’ mit seinem perkussiven Drum-Sound und seinen gewaltigen , immer wiederkehrenden Riff-Gewittern. Ein absolutes Brett und vermutlich ein zukünftiger Live-Klassiker der Westfalen. Ein Status, den der Track, der nun folgte, schon lange erlangt hat, denn er ist seit seinem Erscheinen vor nunmehr 14 Jahren auf keinem Konzert ausgelassen worden: ‘Black Paper Planes’ hat sich so nicht nur zum Signature-Song von Long Distance Calling gemausert, sondern ist auch das Lied, das beim Publikum regelmäßig die größten Begeisterungsstürme auslöst. So auch an diesem Abend in Köln-Longerich. Die Menge bebt, der Jubel ist gewaltig und die Musiker zeigen sich sichtlich mitgerissen von den Resonanzen. Sie versuchen im Folgenden das Energie Level aufrecht zu erhalten, was mit einem Rückgriff auf ältere Alben auch recht gut klappt. Es folgen ‘Aurora’ vom 2007er Debüt “Satellite Bay” sowie die “Boundless”-Stücke ‘Out There’ und ‘Skydivers’ (2018). Vor allem letzteres schlug mit seinem fetten Bass-Klang voll beim Publikum ein. Wie gut, dass der Mann hinterm Mischpult die zurückliegende Zeit genutzt hat, um den Tiefen ihren notwendigen Nachdruck zu verleihen.
Wer nun gehofft hatte, dass Long Distance Calling eventuell Petter Carlsen auf die Bühne einladen würden, um mit diesem vielleicht ‘Welcome Change’ oder eines der vielen von ihm eingesungenen “Trips”-Stücke aufzuführen, der wurde enttäuscht. Eine vergebene Chance, denn so oft wird man in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr die Gelegenheit haben, Long Distance Calling und ihren früheren Session-Sänger am gleichen Abend in derselben Halle anwesend zu haben. Doch die Ernüchterung weilte nur für einen kurzen Moment. Sämtliche negativen Gefühle wurden durch eine fulminante Interpretation des Titeltracks von “Eraser” weggeblasen. Mehr als acht Minuten düsterer Post Rock, der atmosphärisch und gleichzeitig schwer wie Blei wirkte und bei dem sich die Band noch einmal richtig austoben konnte.
Zugaben hätte es danach eigentlich nicht mehr bedurft, doch dass es noch zwei Stücke Nachschlag gab, dass wurde mit Kusshand angenommen. Mit ‘Metulsky Curse Revisited’ gab es einen weitern Bandk-Klassiker auf die Ohren, bevor Long Distance Calling ein mehr als zufriedenes Publikum mit ‘Arecibo’ in die Nacht entließen
Besetzung:
David Jordan
Florian Füntmann
Jan Hoffmann
Janosch Rathmer
Fotos: flohfish
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Rezensionen:
“Eraser” (2022)
“Ghost” (2021)
“How Do We Want To Live?” (2020)
“Stummfilm (Live From Hamburg)” (2019)
“Boundless” (2018)
“Trips” (2016)
“The Flood Inside” (2013)
“Long Distance Calling” (2011)
“Avoid The Light” (2009)
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Konzert- & Festivalberichte:
19.05.22, Köln, Theater am Tanzbrunnen
16.04.22, Eindhoven (NL), Effenaar, Grote Zaal, Prognosis Festival 2022
25.07.21, Trier, Arena Vorplatz
05.09.20, Bremen, Altes Zollamt, Hellseatic Postponed Open Air 2020
25.07.19, Breitenbach am Herzberg, Hof Huhnstadt, Burg Herzberg Festival 2019
18.01.18, Essen, Turock
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“The Forest Sessions” (2022)
“Chants From Another Place” (2020)
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Rezensionen:
“Special Agents” (2023)
“The World is A Rabbit Hole” (2021)
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Veranstalter: Contra Promotion
Venue: Die Kantine