Erster Tag beim Euroblast Festival 2022. Ganz spontan erklären sich David John Levy und Leon Pfeifer von Unprocessed dazu bereit, ein Interview, kurz vor ihrer Show auf der Hauptbühne, durchzuführen.
Wenn man nach Unprocessed googelt, ist von fünf Mitgliedern die Rede. Auf Fotos und In den Videos seid ihr aber zu viert? Es gibt aber auch Fotos, wo ihr zu fünft seid. Also wie viele seid ihr denn jetzt?
David: Wir sind vier. (Gelächter – Anm. der Red.) Es hat sich Anfang 2020 verändert. Vorher waren wir zu fünft. Christopher (Talosi – Anm. der Red.) ist nicht mehr dabei.
Ihr hattet auch vorher mehrere Line-up-Wechsel seit 2013-14, richtig?
David: Also wir Beide (David und Leon – Anm. der Red.) sind eigentlich auch noch die jüngeren Mitglieder, so gesehen. Wir sind seit 2017 in der Band. Die Band gibt es aber schon seit 2014. Allerdings hatten wir beide vorher ein anderes Projekt, auch in Wiesbaden, und unsere alte Band hat immer mit Unprocessed im Doppelpack gespielt, so auf lokaler Ebene. Und haben dann auch unsere erste Tour tatsächlich zusammen gemacht. 2015 war das. Die Tour haben wir auch komplett selbst zusammengebucht. Das heißt, wir waren gefühlt schon immer zusammen in der Band- Aber 2017 hat sich das dann so herauskristallisiert. Und ja, ist aber auch alles cool, vor allem mit Talosi. Mit dem arbeiten wir auch immer noch eng zusammen. Der war auch schon vorher Support & Visual Mastermind bei uns.
Wir vier sind halt wirklich der Kern. Wir lassen für die Band auch wirklich alles komplett stehen und liegen und bringen jedes Opfer, was erforderlich ist. Und das Bandleben ist auch ein Lifestyle, der auch nicht nur geil ist. Und dafür muss man sich auch entscheiden, das aktiv zu machen.
Ich muss leider gestehen, dass ich euer Material noch nicht so gut kenne, wie ich es gerne möchte. Aber die Sachen, die ich bisher gehört und gesehen habe, strotzen nur so vor Kreativität. Ist das die gesamte Band oder gibt es einen Mastermind, der hinter diesem enormen Output steht?
Leon: Also Manu (Manuel Gardner Fernandes – Anm. der Red.) und David sind, würde ich sagen, die Haupt-Songwriter. Manu ist halt durch seine Gitarre und Vocals automatisch sehr im Vordergrund. Er schreibt auch die meisten Riffs und ist die Stimme der Band. Das heißt, er hat auf dem Endprodukt den Part, der am meisten im Vordergrund steht. David macht ganz viele Electronics und ist auch super viel im Songwriting drin. Er schreibt die ganzen Lyrics und ist alleine schon deshalb eine Hauptantriebskraft. Aber wenn immer es geht, sind wir alle bei den Sessions und gucken, dass es ein Gemeinschaftsprojekt wird.
Ich hatte jetzt auch nicht gesehen, dass irgendwie einzelne Namen bei den Songcredits aufgeführt wurden, sondern da steht immer die Band. Und das ist ja nicht bei jeder Band so. Es gibt es ja auch bei Bands, wo dann haarklein aufgedröselt wird, wer welche Credits da irgendwie hat?
David: In der Band gibt es eben auch nicht nur diesen einen kreativen Teil, sondern jeder bringt sich an anderen Stellen ein. Und deswegen führen wir uns immer alle als Songwriter auf. Das haben wir ganz cool geregelt innerhalb der Band.
Nun wollte ich doch heute mal den Kontrast zwischen Debüt und aktuellem Album hören, und hab deshalb mal in “In Concretion” reingehört, welches, vermute ich mal, in Eigenregie entstanden ist. “Gold” hingegen kommt durch Universal.
Leon: Uuh, ja, also, das Album ist auf einer halbkaputten Stereoanlage aufgenommen worden. Wirklich komplett in Eigenregie (Gelächter – ASnm. der Red.). Aber selbst auf dem neuen Album sind Songs teilweise im Proberaum aufgenommen.
Dafür ist der Sound dann doch eigentlich ziemlich gut. Was hat sich für euch mit dem Major Deal mit Universal zum Positiven verändert?
David: Es ist im Prinzip einfach für uns der richtige Schritt gewesen, um unser Netzwerk zu erweitern und mit einem Team daran zu arbeiten, wie wir uns auch visuell aufstellen.
Leon: Auch visuell über den Tellerrand hinaus zu gucken, weil – Prog-Musik in allen Ehren – das ist wirklich auch eine der geilsten Communitys, aber wir wollen halt mehr. Möchten alles entdecken, was für uns möglich ist. Auch über mögliche Prog-Musik-Grenzen hinweg.
Auch kommerzieller?
Leon: Ich würde nicht sagen, dass das irgendwie jetzt der dominante Gedanke ist oder so. Eher rein musikalisch. Also “Gold” ist ist ja schon extrem divers und wir haben viele Popeinflüsse drin, aber es hat sich aus unseren Geschmäckern ergeben und hat dann voll Sinn gemacht, diesen Wechsel zu machen.
David: Ja ja, würde ich so unterschreiben.
Also kommerziell finde ich oft so ein schwieriges Wort. Auch weil man damit erstmal Geld verbindet. Aber auf der anderen Seite hat ja die Musik, die kommerziell erfolgreicher ist, auch eine bestimmte Ästhetik. Verändert sich andauernd. Und wir wollen einfach mit unserem Sound ja weitergehen als die Szene und trotzdem das, was halt uns die Identität ist und das ist halt dieses ganze Prog- und Djent-Ding. Daher kommen wir. Wir wollen das halt einer großen Masse zugänglich machen. So würde ich es vielleicht eher sagen und die Leute in unseren Bann ziehen. Aber das Kommerzielle hat beim Songwriting nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Wir hatten einfach Bock auf diesen Sound und auch auf die Ästhetik, die damit einhergeht. Und wollten uns dabei auch grösser aufstellen insgesamt.
Was mir aber aufgefallen ist, dass ihr filigrane Bass- und Gitarren-Parts habt. Überhaupt ist der gesamte Sound so filigran und ausgeklügelt. Was inspiriert euch, solche Sachen zu komponieren wie z.B. ‘Redwine’ und ‘Berlin’?
Das ist einfach so passiert. Bei ‘Redwine’ hört man schon sehr deutlich unsere Einflüsse, die man auch klar benennen kann: Wir haben definitiv Billie Eilish gefeiert, aber auch Ariana Grande. Im Speziellen Ariana Grande bei den MTV Music Awards hat es uns ganz besonders angetan.
13 von 16 Songs haben Ein-Wort Titel. Kann man sagen, das ist euer Ding?
David/Leon: Tatsächlich ist es auch zumindest auf “Covenant” (Album von 2018) genau so und auf “Artifcial Void” ist es nicht unbedingt nur so. Aber wir spielen ein wenig damit, ja. Manchmal ist es nur ein Wort, hin und wieder zwei Wörter. Und manchmal kommt noch ein “The” davor. (Gelächter – Anm. der Red.)
David: Ich finde eine Tracklist, die so schön kompakt und irgendwie so eine interessante Symmetrie hat, macht ja schon irgendwie etwas aus. Wir halten es schlicht mit den Songtiteln, so dass sie auch noch viel offener sind und man auf die Lyrics mehr achtet.
Leon: Wenn man es irgendwie sehr weit her holen will, kann man vielleicht sagen, dass die ganze Musik Vibe-basiert ist. Dass die Songs einen bestimmten Vibe haben und ein bestimmtes Gefühl ausdrücken. Und das kann man halt manchmal einfach geil mit einem Wort beschreiben.
David: Genau. Und der Name steht auch oft als Erstes, nämlich z.B. wenn Manu ein Demo rumschickt hat es manchmal einfach schon einen Namen. Einfach so nach einem Gefühl. Und wenn ich dann die Lyrics dazu mache, dann orientiere ich mich auch daran und dann passt es perfekt dazu.
Das mit den Tabulaturen, die man sich bei auf eurer Seite herunterladen kann, finde ich total cool! Ich habe das auch bei z.B. Spiritbox oder auch Aristocrats gesehen. Wer hatte denn die Idee? Und ist die Nachfrage danach wirklich so gross?
David: Ich meine, das Prog-Publikum ist zu 70-80% bestehend aus Musikern. Unser Publikum ist über 90% Musiker, würde ich behaupten. Hauptsächlich Gitarristen.
(Betreuer Gilles outet sich wieder als Gitarrist) Ja, deshalb hatte ich bei der Anfrage zu dem Interview auch eigentlich gesagt, wenn es denn geht, würde ich gerne mit dem Gitarristen sprechen. (Gelächter – Anm. der Red.)
David: Zum einen besteht tatsächlich die Nachfrage. Zum anderen wollen wir den Leuten auch die Möglichkeit geben, es eben genau so nachzuspielen, wie wir es tatsächlich gespielt haben. Man sitzt ja dann schon lange daran, irgendwelche Nuancen herauszuhören. Da ist es mit den Tabs schon viel einfacher. Aber man muss auch sehr detailversessen an den Dingern sitzen, damit derjenige, der es dann versucht nachzuspielen, den Song auch wiedererkennt. Und es ist natürlich auch ein Multiplikator, wenn die Leute Covers von unseren Songs machen.
Ihr habt Anfang September eine Show in Austin (Texas – Anm. der Red.) gespielt. Wie kommt euer Sound bei den Amis an?
Leon: Mega. Tatsächlich, wenn man sich mal die Zahlen anguckt, sind 50% unserer Zuhörer in den USA. Ist schon eine große Szene für die Art von Musik. Live-Musik ist dort auch viel präsenter. Auch fahren die Leute viel mehr auf Live-Musik wieder ab nach der Covid-Zeit. Das war wirklich sehr geil für uns, dass wir die Tour gemacht haben.
Was steht Tour-mäßig an?
David: Wir sind ab heute tatsächlich auf Tour! Heute hier. Morgen in Hamburg und Skandinavien. Unsere erste Tour im Nightliner.
Leon: Noch ein Aufruf an die Leser: Streamt unser Album “Gold” und lasst uns wissen, welche Songs ihr geil findet. Das interessiert uns immer.
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Rezension: “Gold”
Rezension: “Boy Without A Gun” (EP) (2022)
Konzertbericht: 17.02.20, Köln, Gebäude 9