Cradle Of Filth – Trouble And Their Double Lives

(104:44, CD, LP, Digital, Napalm Records, 2023)
Während man von anderen Bands mit Live-Alben regelrecht zugeschüttet wird, gibt’s von Cradle Of Filth im zweiunddreißigjährigen Karrierejahr gerade erst das zweite Live-Scheibchen. Und, wie das im goldenen Zeitalter der Live-Alben bei z.B. Kiss oder Rush auch mal war, erfreulicherweise ohne Setlist-Überschneidungen mit dem Vorgänger.

Das erste Live-Dokument der Band – entweder als “Live Bait For The Dead” oder “Eleven Burial Masses” bekannt – bot zwar seinerzeit einen fast makellosen Aufmarsch von frühen “Hits” wie ‘The Forest Whispers My Name’, ‘Her Ghost In The Fog’ oder ‘Cthulhu Dawn’, aber auch ein reichlich, ähem, rustikales Soundgewand, welches den Detailreichtum und die komplexen Arrangements der Musik nicht einmal erahnen ließ. Derlei Beschwerden gibt’s bei “Trouble And Their Double Lives” definitiv nicht: druckvoll, durchsichtig und trotzdem mit ordentlich Durchschlagskraft und rauer Konzertatmosphäre. Zwei neue Studiosongs haben die Vamperl auch spendiert, davon ist das midtempolastige ‘She’s A Fire’ mit jeder Menge Savatage-Anleihen (die Oliva-Gitarrenlinien!) das überraschendere und marginal feistere Stück. ‘Demon Prince Regent’ ist “nur” ein urtypischer, aber gewohnt knorker Uptempo-Reißer mit cooler Hookline. Und auch wenn der Live-Mitschnitt ohne die ganz großen Neunziger-Klassiker auskommen muss, gibt’s natürlich jede Menge Großartiges: ‘Heaven Torn Asunder’ gibt’s gleich zum Start, auch die epische ‘Bathory Aria’ in ihrer vollen elfminütigen Pracht und ‘Born In A Burial Gown’ repräsentieren die Neunziger-Phase, ‘Honey And Sulphur’, ‘Right Wing Of The Garden Triptych’ und ‘Blackest Magick In Practice’ die jüngere Vegangenheit der Band. Durchweg gibt’s hier ganz famose Musik mit den polarisierend überkandidelten, oft überladenen, komplexen und meist non-linearen Kompositionen, die nur das Rumpelstilzchen aus Suffolk und seine Renfields in dieser Qualität zu bieten haben.

Interessanterweise wurde “Trouble And Their Double Lives” allerdings nicht auf der Tour zum letztjährigen “Existence Is Futile”-Album, sondern bereits vor drei Jahren auf der “Cryptoriana”-Tour mitgeschnitten. Das hat einen ganz entscheidenden Vorteil: zum letzten Mal hört man die Besetzung mit der mittlerweile ausgeschiedenen Lindsay Schoolcraft an Keyboards und Co-Gesang, und zum (vermutlich) letzten Mal wird deutlich, welch eine Bereicherung Lindsay für den Sound der Band darstellte. Als erste und bislang einzige Sängerin der Band, die sich Dani Filth (voc) in Sachen stimmlichem Charisma absolut ebenbürtig zeigte und mit vollkommen anderen stimmlichen Mitteln genauso “evil” wie der Bandboss klingen konnte, ist Madame Schoolcraft hier der heimliche Star der Show. Schön, dass diese Ära für die Zukunft festgehalten wurde – war dieses Line-up doch ein Highlight der Bandgeschichte.

Auch das Coverdesign ist, wie für Cradle Of Filth üblich, schön aufwändig und lohnt die Anschaffung der LP-Version. Die CD-Fassung hat aber mit ‘The Death Of Love’ und dem “Cryptoriana”- Überkracher ‘You Will Know The Lion By His Claw’ zwei fette Bonustracks zu bieten – wäre eine nette Geste gewesen, die dem Doppel-LP-Package zumindest als Extra-Single beizulegen. Aber egal: “Trouble And Their Double Lives” zeigt die Band so oder so in jedem Fall von ihrer allerbesten Seite und ist keinesfalls eine Resteverwertung oder ein Wegwerf-Zeitschinder, sondern ein wertiger und unbedingt empfehlenswerter Zugewinn im Backkatalog der Band.
Bewertung: ohne Bewertung (Livealbum)


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Abbildung: Cradle of Filth