(83:00, Vinyl, CD, Digital, Profound Lore Records, 21.04.2023)
Funeral Doom gehört sicher zu den extremeren Spielarten, die aus der Metal-Suppe entstanden sind. Fröhlichkeit ist völlig fehl am Platz. Nicht mal Hoffnung ist ansatzweise sichtbar. Stattdessen herrscht eine radikal düstere, zähflüssige, stark atmosphärische Stimmung, die wirklich jede noch so resolute Zimmerpflanze zu Staub zerfallen lässt.
Nun beliefern Bell Witch aus Seattle völlig unerwartet und nahezu ohne jegliche Promo die depressive Gemeinde mit einem neuen Album. Der Vorgänger “Mirror Reaper” erschien 2017, nachdem Schlagzeuger Adrian Guerra nach einem Herzanfall verstarb, und kann, ohne länger darüber nachzudenken zu müssen, als eines der großartigsten Alben des Funeral Dooms bezeichnet werden. Ein Song, 83 Minuten Melancholie, Depression, Trauer und Wut. Und dennoch so fragil und wunderschön, dass es den stärksten Metaller zu einem weinenden, in Tränen aufgelösten Zellhaufen mutieren lässt.
Einigen tieferen Recherchen zufolge handelt es sich bei “Future’s Shadow Part 1: The Clandestine Gate” um den ersten Teil einer Trilogie. Und auch hier gibt es nur einen Song, der ebenfalls genau 83 Minuten lang ist. Dies verlangt verständlicherweise einiges vom interessierten Hörer ab, sofern er bereit ist, sich darauf einzulassen. Fans der Band haben also einen Vorteil.
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Die Phaser-Effekte, die auf Dylan Desmonds sechs-saitigem Bass liegen, sind bis zum Anschlag aufgedreht. Die massiven Riffs und die tiefen Growls gehen direkt in die Magengrube, die dunkle Atmosphäre fühlt sich jedoch wohlig warm an, woran auch diese wunderschönen, zerbrechlichen Melodien ihren Anteil haben. Dazwischen dominiert das direkte Schlagzeugspiel von Jesse Shreibman, der nach dem Tod von Adrian Guerra dessen Platz eingenommen hat. Neben der Kirchenorgel im ‘Intro’, tauchen auch vereinzelt kleinere Keyboardsounds auf, die diese beeindruckende Klanglandschaft verzieren. Dieser Sound ist speziell, aber massiv überwältigend und von herzzerreißender Schönheit. Ein wundervolles Beispiel exquisiter Musikalität und ein Beweis dafür, wie sehr viel weniger mehr sein kann.
“The Clandestine Gate” ist insgesamt zielgerichteter und fokussierter als “Mirror Reaper”. Das Duo erschafft erneut eine einzigartige, fesselnde und tieftraurige Atmosphäre, auf die man sich einlassen und für die man bereit sein muss. Dabei haben Bell Witch es tatsächlich geschafft, sich selbst zu übertreffen und sind im Bereich Funeral Doom nach wie vor – zusammen mit den Finnen Skepticism – eine so stabile wie qualitativ überzeugende Institution.
Bewertung: 13/15 Punkten (FF 12, MBü 13)
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Abbildungen: Profound Lore Records