(55:47, CD, Digital, Presagio Records, 05.04.2023)
Aisles aus Santiago De Chile veröffentlichten ihr Debüt-Album “The Yearning” bereits 2005. Drei weitere Alben spielte die Band in weitgehend beständiger Besetzung bis 2016 ein. Hierbei handelt es sich nach Erkenntnis meinerseits (ich kenne nur den Erstling) um gutklassigen, melodischen NeoProg. Gesungen wurde immer auf Englisch, was darauf hindeutet, dass die Gruppe es auch auf den europäischen und US-Amerikanischen Markt abgesehen hat. Und das dürfen sie auch, siedelte sich “The Yearning” (2005) doch durch und durch auf internationalem Niveau an.
Nach dem hochgelobten Konzept-Album “Hawaii” kam es zur ersten tiefgreifenden Veränderung im Line-up. Hauptsänger Sebastián Vergara wurde 2019 durch Israel Gil ersetzt. Dann kam Corona und die Band lag auf Eis.
Nun also, angekündigt für den 05. April 2023, soll die Geschichte mit “Beyond Drama” weitergehen. Allerdings zeichnen sich drei weitere Abgänge im Bandgefüge schon wieder ab. Longterm-Gitarrist Rodrigo Sepulveda, der bisherige Schlagzeuger Felipe Candia, sowie “Frischling” Israel Gil verabschieden sich von der Band, was die Kern-Combo aber nicht davon abhält weitere Aktivitäten in Aussicht zu stellen.
Ist “Beyond Drama” also nun ein Übergangs-Album, geprägt durch all die Verwerfungen der letzten (Corona-)Jahre, oder ein gereiftes Werk, welches als Zwischenbilanz der ersten Phase der Band daherkommt?
Klare Antwort. Letzteres! Ich weiss überhaupt nicht, warum ich die Band nach dem Debüt aus den Augen verloren habe. Das war zwar ausbaufähig, als Erstling aber gelungen. Insofern wurmt es mich ein wenig, dass ich “Beyond Drama” nicht im Verhältnis zu “Hawaii” bewerten kann. So kann ich nur konstatieren, dass der Sound der Band (nach fast 20 Jahren im Geschäft natürlich erwartbar) deutlich stringenter geworden ist. Modern Prog mit ausnehmend gutem Bass-Spiel, einer gewissen Grundhärte, viel melodischem Einfühlungsvermögen und unaufgeregtem (weitgehend akzentfreiem) Gesang hören wir auf “Beyond Drama”. Die gute Produktion, die ausgewogene Instrumentierung und der abwechselungsreiche Aufbau des Albums sorgen für Unterhaltungswert.
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Nach dem hardrockigen Crowd-Pleaser mit Hit-Ambitionen ‘Fast’, geht die Band erstmals mit ‘Megalomania’ in die Vollen. Faszinierende Stick-Sounds und stimmungsvolles Ambiente runden ein grossartiges Stück ab. “Thanks To Kafka” ist eine superschöne, vollkommen unpeinliche Ballade. Das dramatische ‘Disobedience” erinnert an ‘Promised Land’ von Queensryche. ‘Time’ ist als anspruchsvolle Ballade vielleicht ein wenig zu lang geraten und auch der Longtrack ‘The Plague’ braucht (etwas zu viel) Zeit um aus dem Quark zu kommen. Berücksichtigt man, dass die Platte unter New-Artrock subsummierbar ist, geht das aber als genre-typische Dynamik durch. Ausserdem kommt die Abwechselung nicht zu kurz. Mit dem neuerlich (etwas zu langen) melodisch-balladesken “Surrender” geht es weiter, ehe sich das reprisenhafte “Needsun”, beim Gesang von Israel Gil auf einmal in “hammilschen” Dimensionen ausdrückt. Zum Abschluss noch das überragende Instrumental-Inferno “Game Over”.
Irgendwo in der Schnittmenge Riverside/Nemo und einem leichten Schub Prog Metal befindet sich dieses überaus interessante Album. Fehlen tut eine gewisse exotische, lateinamerikanische Note (das Handclapping in Game Over – grandios – macht da eine kleine Ausnahme), was ich ein wenig bedaure, die Platte aber vielleicht einfach dem Markt zugänglicher macht. Schlussendlich gibt es natürlich dieser Tage ein Füllhorn an Bands, die ähnlich agieren. Ich glaube aber, dass Aisles durch den abwechselungsreichen Mix aus melancholisch-balladesk, über rockpoppige Töne, bis hin zu kräftigem Geschrubbe punkten können.
Bewertung: 11/15 Punkten
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Rezension “Hawai” (2016)