Neunkirchen im Saarland ist bei Freunden von Prog und Post Rock vor allem für das Gloomaar Festival bekannt, das seit 2017 alljährlich in der Neuen Gebläsehalle des dortigen Alten HüttenAreals stattfindet. Nur wenige Schritte entfernt von dieser großartigen Location befindet sich ein weiterer Veranstaltungsort, an dem regelmäßig Bands auftreten, die für Leser von betreutesProggen.de von Interesse sein könnten. Ein oktogonaler Bau aus dem 19. Jahrhundert, in dem die Besitzer des Hüttenareals früher ihre Zeit hoch zu Ross verbrachten: die Stummsche Reithalle. So konnten die Veranstalter auch Ende Januar 2023 wieder eine Band ins Saarland locken, deren letztes Album redaktionsintern wie eine Bombe eingeschlagen war: das flämische Trio Brutus.
Quentin Sauvé
Bevor die Belgier jedoch die Bühne erklimmen sollten, duften sich die Zuschauer zuerst einmal einen Opening Act anhören: Quentin Sauvé. Wer den Musiker dem Namen nach schon kannte, aber noch nicht mit dessen Solo-Platte vertraut war, erlebte an diesem Abend eine Überraschung. Denn Sauvé, der seine Brötchen hauptamtlich als Bassist bei Birds In Row verdient, präsentierte eine gefühlvolle Solo-Performance, die mit dem (Post-)Hardcore-Punk seiner Stammband nur wenig Berührungspunkte hatte. Stattdessen, spielte der Franzose ein Programm, das zwischen Singer/Songwriter und sanftem Post Rock einzuordnen war. Die kurzen, oft repetitiven Stücke des Musikers wurden größtenteils von dessen sanfter Stimme dominiert und lediglich mit Gitarre begleitet. Hinzu gesellten sich eine ganze Menge Loops und immer wieder elektronisch anmutende Rhythmen.
Die Texte, soweit sich Quentin Sauvé zu diesen äußerte, waren von persönlicher Natur und handelten u.a. von dessen verstorbener Großmutter bzw. Sauvés Bruder. Nachdenklich, introvertiert, melancholisch. Meist zerbrechlich schön. Aber oft auch viel zu abrupt zu Ende, denn leider wirkten manche der Stücke nicht vollends auskomponiert. Nichtsdestotrotz schien der Künstler beim Neunkirchener Publikum ganz gut angekommen zu sein, denn all jene, die die Halle einmal betreten hatten, verweilten auch dort, um Sauvés Klängen zu lauschen. Denn die Musik, die oberflächlich betrachtet leicht unspektakulär erschien, verfügte doch über eine stark anziehende Wirkung.
Brutus
Kurze Zeit später, nach einer kurzen Pause, betraten dann endlich Brutus die Bühne der Stummschen Reithalle. Die Innentemperatur des achteckigen Baus hatte mittlerweile Sauna-Niveau erreicht und war. Und er war bis zum Bersten gefüllt. Eine Handvoll Besucher mehr – und das Ordnungsamt hätte wohl einschreiten müssen. Eine Atmosphäre, in der man die Spannung förmlich spüren konnte, und die Brutus mit ihrer großartigen Single weiter anheizten. Schon hier wurde deutlich, wofür Brutus so sehr geschätzt werden: Nämlich eine Mischung aus hellen Vocals, treibendem Schlagzeug und flirrenden Gitarren, für welche Genre-Schubladen ein unzulängliches Kategorisierungsmedium sind. Eingängige Melodien, die Energie und die Geschwindigkeit des Hardcore-Punks sowie eine Songaufbau wie man ihn aus dem Post Rock kennt. All dies ist bei Brutus vorhanden und doch schwebten Sängerin Stefanie Mannaerts, Gitarrist Stijn Vanhoegaerden sowie Bassist Peter Mulders mit ihrer Musik in einer ganz eigenen Welt.
Highlights gab es an diesem Abend so einige, wobei insbesondere ‘Victoria’ und der Über-Song ‘Miles Away’ genannt werden müssen. Vor allem letzterer, da die Stimme von Stephanie bei diesem Stück sämtliche Materie zu durchdringen schien. Tiefen dagegen waren keine wahrzunehmen, da das Set der Belgier, das einen schönen Querschnitt durch die drei Alben derer Bandgeschichte bot, eher einer Gipfelwanderung in luftiger Höhe entsprach. Trotzdem verhielt sich das anwesende Publikum anfangs ein wenig zurückhaltend, was vielleicht auch an der besonderen Rollenverteilung bei Brutus liegen mag, da deren Sängerin keine Frontfrau, sondern hinter einem Schlagzeug platziert ist. Platziert wohlgemerkt. Versteckt wäre hier der falsche Ausdruck gewesen.
Zwar war die Kommunikation zwischen Band und Publikum auf ein Minimum reduziert, doch Stefanie Mannaerts vermochte es auch aus dieser Position am Bühnenrand heraus, das Publikum mit ihrer Aura in ihren Bann ziehen. Spätestens ab ‘Space’ und seinem prägnanten Bass zwischen Pink Floyd und Porcupine Trees ‘Voyage 34’ konnte dieser keiner der Anwesenden mehr entrinnen. Es war der Beginn eines furiosen Endes. So drückten Brutus mit dem anschließenden ‘Dust’ nicht nur das Gaspedal immer weiter durch, sie ließen den Abend auch mit einem wahren musikalischen Crescendo ausklingen. Denn nichts anderes war das epische ‘Sugar Demon’. Psych, Post, Punk und Prog in vollendeter Perfektion. Ein gelungener Tour-Einstand, der sowohl auf als auch vor der Bühne nur glückliche Gesichter hinterließ.
Fotos: flohfish
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Rezension: “Unison Live” (2022)
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Veranstalter: Kulturgesellschaft Neunkirchen
Venue: Stummsche Reithalle