Im Gespräch mit Clint Bahr zu “Puzzlebox”

Landung auf dem Hosenboden

Der Bassist und Multiinstrumentalist aus New York, der 2006 mit seiner Band TriPod auf dem Burg Herzberg Festival bleibenden Eindruck hinterließ, kommt nun mit einem Soloalbum, mit dem er auf jeden Fall auch bleibenden Eindruck hinterlassen wird. Obwohl, das mit dem Soloalbum nicht so ganz stimmt, sieht Clint Bahr Puzzlebox doch selbst mehr als Band, mit der er noch ganz Großes vorhat. Mit Mitmusikern wie David Cross (King Crimson), David Jackson (Ex-Van der Graaf Generator) und dem 2013 verstorbenen ersten Yes-Gitarristen Pete Banks sowie zahlreichen weiteren KollegInnen macht sich die “Puzzlebox” aus wie ein kleines “Who Is Who” der Prog’n Jazzszene.

Clint, ich habe wirklich lange nichts von dir gehört. Was hast du die letzte Zeit so gemacht?

Clint: Hallo Carsten, ja es ist wirklich schon eine Weile her, mein Freund! Ich habe mit verschiedenen Musikern gespielt, aufgenommen, komponiert und war auch mit diversen Musikstilen unterwegs. Eine eben solche Band war die Reformation von Flash, an der ich zwei Jahre beteiligt war.
Von da an spielten Mike Hough und ich an der Westküste Amerikas auf Colin Carters jüngstem Soloalbum “One”. Das ist übrigens eine großartige Platte!

Well, mit “Puzzlebox” ist nun ein Album herausgekommen, auf dem du mit wirklich namhaften Musikern zusammen spielst. Ist das eben die Kollaboration, die du vor einigen Jahren nebenbei angekündigt hast?

Clint: Teilweise. Das von dir erwähnte Projekt sollte ursprünglich eine Band mit mir, Pete Banks von Yes, David Cross von King Crimson und entweder Jonathan Mover oder Billy Ficca am Schlagzeug sein. Aber der liebe Pete war krank geworden und konnte nicht mehr mitmachen. Von da an fragten mich David Cross und David Jackson, ob ich daran interessiert wäre, eine Aufnahme zu machen und einen Schlagzeuger meiner Wahl mitzubringen. Wir tauschten Musik über das Internet aus, aber aus der Zusammenarbeit von uns Vieren wurde dann doch nichts, außer einem wunderbaren Album von Cross/Jackson, “Another Day”.

Wie kamst du mit Peter Banks, David Cross und David Jackson in Kontakt?

Clint: Ich traf Pete und seine Band Flash in den frühen 70er Jahren hinter der Bühne im The Marquee Club in London. David Cross und ich trafen uns 1974 Backstage im Cape Cod Coliseum in den USA, wo er mit King Crimson spielte. Und David Jackson muss ich noch persönlich treffen, aber wir haben über Internet und Telefon kommuniziert. Und es sind alles hervorragende Gentlemen und vor allem fantastische Musiker.

Es gibt dann sicher auch die ein oder andere interessante Story rund um das Album?

Clint: Ich kenne die Mehrheit der hier involvierten Musiker seit gaaaaanz langer Zeit und ich hatte noch nie ein eigenes Album gemacht, seit ich 1968 Profi geworden bin. Also habe ich es jetzt einfach getan und einige liebe Freunde gefragt, ob sie daran interessiert wären, mitzumachen. Ich habe meinen alten Kumpel Leonardo Pavkovic von MoonJune gefragt, für den ich ja schon vor einigen Jahren aufgenommen habe. Das Ergebnis nun ist “Puzzlebox”. Ich bin wirklich sehr glücklich darüber, dass das Album erscheinen konnte.
Die Improvisationen mit Marilyn, Dick, Mike und mir waren genau das – aus dem Moment heraus entstanden und überhaupt nicht abgesprochen. Todd Hemleb, der Recording-Engineer, schaltete das rote Licht ein und wir flogen los. Mr. Jackson, Mr. Parkington und Mr. Cross haben alle ihre Parts an verschiedenen Orten aufgenommen – eine internationale Zusammenarbeit von Weltklasse-Musikern!
Improvisationsmusik liegt mir wirklich am Herzen, da sie in der Sekunde beginnt, in der du anfängst, und du nicht weißt, wo du enden wirst und du einfach nur am Hosenboden entlanggleitest – wunderbar!

Eben diese Improvisationen wirken dann auch recht jazzig. War das Absicht oder haben die sich einfach und aus Versehen in diese Richtung entwickelt?

Clint: Das war nicht beabsichtigt, aber bei Musikern dieses Kalibers, von denen einige auch wirklich Jazzmusiker sind, war es klar, dass es in diese Richtung gehen würde. Aber eben mit einem avantgardistischen/freien Touch versehen. Mit all den beteiligten Leuten wusste ich schon, bevor wir anfingen, dass es fabelhaft werden würde!


Dick Griffin


Mike Hough

Wie sind die Aufnahmen konkret entstanden?

Clint: Wie angedeutet sowohl gemeinsam in einem Raum wie auch remote. Wir haben die Basic Tracks in den Pyramid Studios in NYC aufgenommen, wobei die Mehrheit der Musiker wirklich “live” anwesend. Marilyn Crispell, Dick Griffin, Mike Hough, Billy Ficca, Jeff Schiller und ich waren bei verschiedenen Sessions auch live im Studio.
Die einzigen Leute, die über das Internet aufgenommen wurden, waren meine Frau Stephanie Feyne, David Cross, David Jackson, Dan Parkington und Colin Carter. Dank seines Managers George Mizer konnten wir dann auch noch das brillante Solo von Peter Banks integrieren.


Marilyn Crispell

Was ist eigentlich mit Creme, mit der du vor ein paar Jahren den Track ‘One More Red Nightmare’ für meine King Crimson-Hommage aufgenommen hast?

Clint: Das war ein lustiges Nebenprojekt. Wir führten als Cover Band den Cream-Katalog auf und traten in New York und darüber hinaus auf. Du hattest mich gebeten, an der Platte mitzuwirken, was wunderbar war (und danke)! Wir haben den Track auch “live” mit Gitarren-Synthesizer-Overdub aufgenommen. Auch Pat Mastelotto trug ein wenig zu den Aufnahmen bei. Ich habe sowohl David Cross als auch Ian McDonald eine Kopie gegeben… Übrigens hätte auch Ian mit auf “Puzzlebox” sein sollen, aber …
(Ian McDonald verstarb im Februar 2022, d. Red.)

…und TriPod? Mit denen hast du ja einst das Burg Herzberg Festival gerockt.

Clint: Ich erinnere mich sehr gut an dieses Festival – riesiges Publikum, mit meiner gesamten Verstärker-Backline, die dann ausfiel. Gott sei Dank konnte ich trotzdem mein DI an die PA senden.
TriPod war eine großartige und einzigartige Band. Aber in allen Bands sind Menschen involviert, und damit ändern sich die Dinge. Wir haben zwei Europatourneen mit großer Resonanz gemacht, auch Mexiko, USA usw. Das europäische Publikum versteht diese Musik zum Glück, was für einen Künstler sehr beruhigend ist!

Was ist für Puzzlebox konkret geplant? Du sprichst in diesem Zusammenhang von einer Band. Was meinst du genau damit? Sind eventuell Touren geplant?

Clint: Puzzlebox ist eine Band! “Puzzlebox” ist zufällig auch der Titel dieses ersten Albums, aber es ist auch eine Gruppe. Nicht anders als Leslie Wests Debütalbum “Mountain”, das zum Namen der Band wurde. In Bezug auf Tourneen ist es mein Ziel, mit indigenen Musikern aus den verschiedenen Ländern, in denen wir spielen, aufzutreten und Aufnahmen zu machen und so ein globales Netzwerk von Künstlern aufzubauen. Die Hälfte der Show besteht aus Improvisationen und die andere Hälfte aus komponierten Songs mit Gesang.

Was ist für die Zukunft noch geplant? Vielleicht mal wieder ein Besuch in Deutschland?

Clint:: Ich würde mich auf jeden Fall darauf freuen, wieder in Deutschland spielen zu können. Hier gibt es einige der besten Zuschauer der Welt!


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Rezension “Puzzlebox” (2022)

Abbildungen: Clint Bahr