Duncan Patterson – Grace Road + Nachgehakt

Duncan Patterson feat. Enas Al-Said - Grace Road (unsigned, 21.03.2022) COVER(34:13, Digital, Eigenveröffentlichung, 21.03.2022)
Die Frau ist schön wie die Sünde und singt wie ein Engel (beides ist als Kompliment gemeint). Der Mann ist eine Legende und das nicht nur, weil er einige der ewigen Lieblingssongs des Rezensenten geschrieben hat. Zum Beispiel ‘Shroud Of False’, ‘Lost Control’, ‘Alternative 4’, ‘Flowers’, ‘Lights Out’, ‘Expire’, ‘Terminal’ oder ‘Planetary Confinement’.

Worum geht es überhaupt? Na, um die palästinensische Sängerin Enas Al-Said und um Duncan Patterson, u.a. Íon, Ex-Anathema, Ex-Antimatter. Und um das zweite Solo-Album des Multi-Instrumentalisten und Komponisten aus Liverpool.

Als der Autor ‘The Quiet Light’ erstmals hörte, war es sofort komplett um ihn geschehen. Sowas von. Mehr zu der sakralen Schönheit dieses Songs im Kurz-Interview weiter unten.

Aber auch das Duett ‘The Amber Line’ und der Titelsong sind zum Heulen schön.

Grace Road by Duncan Patterson

So toll, dass Ihr Euch das am besten einfach selbst gebt.
Bewertung: 13/15 Punkten

 

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Nachgehakt bei Duncan Patterson und Enas Al-Said:

 

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Zur englischsprachigen “Original”-Version des Interviews

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Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit, wie seid Ihr Euch über den Weg gelaufen und wer hatte die Idee?

Duncan: Eines Tages suchte ich etwas auf YouTube und stieß auf die Coverversion von ‘Flowers’, die Enas und Ahmad hochgeladen hatten. Ich war davon beeindruckt und postete sie auf meiner Musikseite, dann schickte mir Enas eine Nachricht, um sich zu bedanken, und so kamen wir in Kontakt. Ich lud sie ein, einen Song auf dem Album zu singen, und sie sang schließlich bei allen Liedern mit. Das war ein schönes Stück Glück.

Wie lief die Zusammenarbeit technisch ab, wart Ihr gemeinsam im Articulo 123 Studio in L.A.?

Duncan: Articulo 123 ist hier in Mexiko, Alicia Mitchell hat ihre Parts in L.A. aufgenommen. Enas und ich arbeiten aus der Ferne und schicken Dateien hin und her. Es ist einfach, die Dinge auf diese Weise zu erledigen.

Waren die Gesangslinien durchkomponiert, gab es vielleicht sogar schon Guide Vocals und inwieweit hattest Du, Enas Einfluss auf die Songs?

Enas: Duncan hatte in der Tat eine Vision für die Gesangslinien und schickte sie mir, damit ich sie nachsinge, aber ich hatte auch meine eigene Interpretation. Es war also nicht genau wie die Gesangslinien, die Duncan mir geschickt hat, aber ähnlich.

Duncan, die ersten Antimatter-Alben waren stark von phantastischen weiblichen Stimmen geprägt (Saviour und Lights Out: Michelle Richfield und Hayley Windsor, Planetary Confinement: Amélie Festa. Dein erstes Solo-Album “The Eternity Suite” (2015) lebte u.a. von Gina Rios‘ ausdrucksvollen textlosen Gesang, der, z. B. bei ‘Divine Decree’ wie eine Mischung aus Krysztof Komedas Soundtrack zu Roman Polanskis “The Fearless Vampire Killers” und Arbeiten von Zbigniew Preisner wirkt. Grace Road ist weniger cineastisch, weniger orchestriert, aber von der Schönheit der Melodien möglicherweise noch beglückender. Sollte es diesmal Song-orientierter werden?

Duncan: Naja, “The Eternity Suite” ist ziemlich instrumental und cineastisch, das war die ganze Idee. Ich begann mit der Arbeit an dem, was “Grace Road” werden sollte, bevor ich mit der Arbeit an “The Eternity Suite” begann. Es ist eher songorientiert, da die meisten Songs Texte haben und so arrangiert werden mussten, dass die Gesangslinien und so weiter untergebracht werden konnten. Aber “The Eternity Suite” beeinflusste mich schließlich, mich von Gitarre/Bass/Schlagzeug auf “Grace Road” zu lösen und in eine ätherischere Richtung zu gehen.

»Ich wollte die gleiche Stimmung erzeugen wie die Zwischenräume zwischen den Strophen in Kirchenliedern«

Ich habe eine Ewigkeit kein Album mehr gehört, das sich so wenig darum bemüht, den Hörer von Anfang an zu überrollen, einzulullen und keine Sekunde mehr vom Haken zu lassen. Im Gegenteil: Der Aufmacher ‘Absolut Absolutum’ könnte sich schon fast nicht noch vorsichtiger in die Aufmerksamkeit des Konsumenten hineintasten und lässt häufige Leerstellen in Form von viele Sekunden währenden Generalpausen. Fast, als ob die Musiker den Tönen und ihrer Wirkung selbst zuhören und hinterher staunen. Ich finde das wunderschön, aber ist es nicht auch ein wenig riskant?

Duncan: Es ist riskant, wenn man auf der Suche nach Bestätigung und Popularität ist, aber das ist nicht der Grund, warum ich Musik mache. Viele Leute haben die Zwischenräume auf “Absolut Absolutum” erwähnt, was für mich sehr erfüllend ist, weil ich weiß, dass die Leute darauf geachtet haben und verstanden haben, was ich da veröffentlicht habe. Ich wollte die gleiche Stimmung erzeugen wie die Zwischenräume zwischen den Strophen in Kirchenliedern. Ich habe sogar versucht, einige Field-Recordings aus Kirchen hinzuzufügen, um die Atmosphäre besser einzufangen, aber es klang (zumindest für mich) gezwungen.

‘The Quiet Light’ ist das Schönste, was ich lange Zeit gehört habe. Während Enas singt, dass man darüber spontan religiös werden könnte, das Piano die Melodie trägt und der Bass die ruhigste Kugel aller Zeiten schiebt, taucht im Schlagzeug (hier und ein wenig auch bei ‘Walking Between Worlds’) die Trippieness der großartigen ersten zwei Antimatter-Alben wieder auf. Absicht, Zufall oder bilde ich mir das alles sogar nur ein?

Duncan: Danke Dir. Es fühlt sich ähnlich an wie die Sachen von Antimatter. Das ist die Art von Sound und Vibe, die ich damals anstrebte. Bei “Grace Road” war es nicht meine Absicht, etwas zu erschaffen, das wie das alte Antimatter klingt, sondern ich mache einfach weiter Musik in meinem eigenen Stil.

Wie kann ein Licht überhaupt leise oder still sein?

Duncan: Ich hatte Kerzen in der Kirche im Kopf oder den Sonnenaufgang, wenn die Welt noch schläft. Der ursprüngliche Titel lautete “Ashes”, da ich für diesen Track etwas wollte, das mit Einäscherung zu tun hat, also gibt es auch ein bisschen davon.

Das Cello und die Querflöte auf ‘Walking Between Worlds’ – echte Instrumente oder künstlich erzeugt?
Die männlichen Hintergrundchöre sind sicher “künstlich”, sind die ätherischen weiblichen Enas in Multitracking?

Duncan: Ich erzeuge viele der Klänge, indem ich Dinge zusammenmische. Es gibt einige Flöten- und Cello-Samples aus “The Eternity Suite”, die ich mit Keyboard-Sounds gemischt habe. Auf Walking Between Worlds stammen die weiblichen Stimmen von Enas und Alicia, die männliche Stimme ist von mir und ich habe auch Samples von Kirchenchören verwendet. Ich spiele oft mit Samples und Texturen herum.

Warum labelled Ihr das enorm wohlklingende, mit einem fast greifbaren Raumklang und sehr ästhetischen leichten Hall versehene, von Dir Duncan selbst produzierte Album “LoFi”?

Duncan: Viele der Sounds sind LoFi. Ich habe das verwendet, um die tatsächlichen Sounds zu beschreiben, die ich verwendet habe, nicht als moderne Genrebeschreibung. Ich habe zum Beispiel die meisten Klaviersounds degradiert, ebenso wie einen Großteil des Gesangs und der Chöre. Die Kirchenorgel, die Perkussion, ich könnte noch weiter machen. Es ist möglich, LoFi zu sein und trotzdem schön und glatt zu klingen.

Enas, Du hast die großartige Anneke van Giersbergen als Deine Lieblingssängerin bezeichnet. Gibt es noch mehr Lieblingssänger?

Enas: Es ist wirklich schwer, sich für einige wenige zu entscheiden, es gibt so viele! Aber die, die mich am meisten inspiriert hat, ist Joan Baez mit ihrer wunderschönen, engelsgleichen Stimme, die in die Haut kriecht. Sie ist einfach unglaublich, ihre Einfachheit und Intensität versetzt einen in eine andere Welt. Ich liebe auch Sinéad O’Connor für die Wut und Verletzlichkeit in ihrer Stimme. Lee Douglas (Anathema) war ebenfalls eine große Inspiration.

Es gibt umwerfende Cover-Versionen von Dir von so unterschiedlichen Künstlern und Bands wie z. B. Archive, W.A.S.P. (!), Nirvana, Radiohead, Anathema, aber auch ‘Flowers’ und ‘The Weight Of The World’ von Antimatter. Wie suchst Du die Originale bzw. Vorlagen aus und gibt es auch selbstgeschriebenes Material von Dir in einer Schublade?

Enas: Herzlichen Dank! Mein Mann und ich spielen normalerweise zu Hause zusammen Musik, und wir versuchen, Lieder zu finden, die wir beide lieben und die zu meiner Stimme passen würden. Manchmal fällt mir ein bestimmtes Lied ein, das ich spielen möchte, und ehrlich gesagt sind es meistens seine Vorschläge, die in unserem Kanal landen, weil sie immer so gut sind. Es kommt wirklich ohne Planung. Was Eigenkompositionen angeht, so hoffen wir das! Wir haben noch nichts fertig, aber vielleicht bald. Wer weiß.

Ich selbst habe “Grace Road” nur entdeckt, weil ich Duncan seit Ewigkeiten auf Bandcamp folge – sonst habe ich noch nichts über dieses spontane Lieblingsalbum des Jahres 2022 finden und lesen können. Wie steht es um Deinen und Enas‘ Bekanntheitsgrad generell und wie sind die Rückmeldungen auf diese Kooperation bislang?

Duncan: Das Feedback war großartig, und es ist zu 100 Prozent organisch. Die Aufmerksamkeit der Presse, kam von Journalisten, die die Musik wirklich mögen. Es wurde alles selbst gemacht und auf meinem eigenen Label veröffentlicht, also gab es keine Marketingkampagne oder ähnliches. Ich hatte auch ein paar Leute, die mir über ihre Mailinglisten geholfen haben, das Album zu promoten, was wirklich nett von ihnen war. Darin liegt für mich die Erfüllung, am Rande der Musikindustrie zu existieren. Die Bandcamp-Mailingliste wächst stetig und das Album ist endlich auf Spotify und diesen digitalen Plattformen zu finden.

Das Album ist bislang ein ausschließlich digitales Release. Wie stehen die Chancen, dass sich das ändert?

Duncan: Es wurde auch auf CD veröffentlicht, und dieses Jahr soll es eine Vinyl-Edition geben.
(Die CD wird allerdings nicht über Bandcamp vertrieben, d. Red.)

Ich ahne die Antwort auf die Frage, aber was müsste passieren, damit Ihr über Live-Auftritte nachdenkt?

Duncan: Es wäre toll, mit Enas zusammen live zu spielen, aber das ist im Moment aus verschiedenen Gründen nicht sehr realistisch.

Ist eine Fortsetzung Eurer Zusammenarbeit vorstellbar oder sogar angedacht?

Duncan: Ja, mal ganz sicher. Wir haben die neuen Songs, an denen ich bald arbeiten werde, bereits besprochen.

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Abbildungen: Duncan Patterson / Enas Al-Said