Pariahlord – Vultures

Pariahlord - Vultures (Boersma Records/Nova MD, 02.09.2022) COVER(45:56, CD, Boersma Records/Nova MD, 02.09.2022)
Stoner Rock, gelegentlich changierend zu Doom Metal – und das aus Hagen, Rock City bzw. aus Iserlohn? Aber hallo. Ein so heißes Geballer wie beim auch den Sack aufmachenden Titelstück dieses Debütalbums würde manch einem Wüstengewächs unter den Szenegrößen auch bestens anstehen. Aber es wäre kein Stoner, wenn es beim Drag Race der ersten 1:20 Minuten bleiben würde. Natürlich schmeißt uns der bleiern-schwere Refrain heftig in die Sechs-Punkt-Gurte. Bis die Chose wieder heftig Fahrt aufnimmt…

Klar hat man das so oder ähnlich schon öfter erlebt. Aber wenn die Machart auch nicht auf Deubel komm raus originell ist bzw. sein will, so ist sie stets gewinnend. Bestes Beispiel für diesen persönlichen Charme liefert das wüste Western-Video zum schleppenden ‘Dead Man’s Hand’:

Doch auch das mit einem Black-Sabbath-artigen Bass-Lick anhebende ‘Super Mega Ultra Van’ macht nichts verkehrt. ‘Valley Of The Roses’ hingegen beginnt mit so etwas wie einem Steve-Harris-Intro, auch lecker. Das zweiteilige ‘Halcyon’ hat das bislang tollste Intro aus Bass und Single-Tone gezupfter Gitarre, explodiert aber natürlich auch in einer Lava-Eruption. Heiß.
Bewertung: 12/15 Punkten

Line-up:
Carsten Schmitt – Guitar, Vocals
Jan Kurtze – Bass
Phil Röttgers – Drums

Nachgehakt bei Pariahlord:

Paria(h) bzw. Paraiyar sind die Unberührbaren – was ist dann ein Pariahlord – unter den Einäugigen der König?

Phil: Ein schönes Bild: Die drei Könige mit den drei Augen. Unberührbar, ausgestoßen – alles Adjektive, mit denen sich jeder von uns in irgendeiner Form identifizieren kann. In Bandnamen wird immer viel hineininterpretiert und wie bei so vielem lassen wir da gerne den Interpretationsfreiraum offen und geben keine konkrete Richtung vor. Der Name stand auf jeden Fall schon, als Carsten auf Jan und mich zukam und fragte, ob wir mit ihm zusammen unter dem Namen PARIAHLORD Musik machen wollten. Damals haben uns direkt der Klang und der bereits erwähnte Interpretationsfreiraum angesprochen.

Wir durften uns im September dieses Jahres live in Bonn von der exzellenten Live-Performance der Band überzeugen. Was könnt Ihr uns zur Vorgeschichte der Band und den vorherigen Stationen der Bandmitglieder sagen?

Carsten: Musik mache ich, seitdem ich ungefähr elf Jahre alt war. Damals noch als Drummer angefangen, habe ich mich in Teenager-Jahren der Gitarre gewidmet und bin entsprechend dann Gitarrist geblieben. Ich habe in vielen verschiedenen Bands gespielt, unter anderem mit Phil und Jan zusammen, so hat sich dann auch die Zusammenarbeit bei PARIAHLORD ergeben.

Phil: Ich trommele, seitdem ich ein halbes Jahr alt bin, hatte dann ab dem Alter von etwa zehn Jahren Schlagzeugunterricht und habe in verschiedenen Bands gespielt – Coverbands, Big-Bands, Progbands. Carsten ist seit der Schulzeit einer meiner engsten Freunde und wir haben das erste Mal zusammen Musik in einem Projekt – eine richtige Band war es nicht – namens Krysis gemacht. Das ging auch so in die harte, leicht proggige Richtung. Dann haben wir in unseren Zwanzigern die Akustik-Pop-Band Canadian Indian Summer gegründet, mit unserem Freund Ramy an der Leadgitarre, und Jan am Bass. Die Band hat sich aufgelöst, wir sind Freunde und musikalisch aktiv geblieben und als Carsten dann PARIAHLORD gründete, hat er Jan und mich gefragt, ob wir an Bass und Schlagzeug mitmachen wollen.

Jan: Das Interesse an der Musik war schon immer stark ausgeprägt, doch der finale Schritt, ein Instrument zu erlernen, wurde mit 16 Jahren unternommen. Ich entschied mich für den Bass, doch nach zwei Jahren habe ich zusätzlich Gitarrenunterricht genommen. Die ersten musikalischen Schritte bewegten sich überwiegend im Blues und in der klassischen Musik. Einige Zeit später spielte ich für wenige Jahre Gitarre in einer Punkband und parallel Bass bei Canadian Indian Summer. 2016 schlief die Band mit Phil und Carsten langsam ein und ich kehrte dem Punk den Rücken zu. Monate des Jammens zogen ins Land, bis ich mit Freunden im Frühjahr 2017 die Deutschrockband “Ausfahrt 27” gründete, bei der ich bis heute Bass spiele. In all der Zeit verloren Carsten, Phil und ich uns nie aus den Augen und so kam es, dass Phil und ich von Carsten gefragt wurden, ob wir nicht ein Teil von PARIAHLORD werden wollen würden.

Was sind etwaige musikalische Vorbilder von Euch drei – grundsätzlich und in Hinblick auf diese Band?

Carsten: Also grundsätzlich finde ich es immer schwer, Vorbilder zu nennen oder zu haben. Ich habe viele verschiedene Einflüsse, die mich seit langer Zeit begleiten – angefangen mit den Beatles seit Kindertagen über Prog-Größen wie Tool aber auch viele Acts aus dem Stoner- und Doom Bereich. Da kommt vieles bei mir als Einfluss zusammen, was man an der einen oder anderen Stelle sicherlich raushören kann.

Phil: Als Drummer ist Phil Collins mein größtes Idol, meine Lieblingsband ist immer schon Genesis gewesen. Ein weiterer Drummer, der mich geprägt hat, ist Bill Ward von Black Sabbath. Beide haben gerade in ihren Anfängen sehr jazzig und damit untypisch zu der eher jeweiligen Musik ihrer Band gespielt. Aus dem Stoner-Bereich selbst habe ich keine Vorbilder. Ich mag die Musik, aber höre nicht aktiv bestimmte Bands.

Jan: Ich kann nicht wirklich einen Namen nennen und diese Person als mein Vorbild krönen. Ich bewege mich als Zuhörer durch viele Genre und genieße die vielen verschiedenen Einflüsse. Teilweise sind es nur einzelne Songs, Passagen oder der Klang einer Komponente, die mich inspirieren.

Dass es im Jahr 2022 für viele Locations nicht einfach war, steht außer Frage, aber gerade dann – wenn bspw. sogar eine extra Booking-Mailadresse angeboten wird – sollte man doch wenigstens reagieren, auch damit wir und die lokalen Bands, mit denen wir auftreten wollen, planen können.

Apropos live. Das war ja eine richtige kleine Tour in diesem dafür immer noch extrem schwierigen Jahr 2022. Wie seid Ihr das angegangen? Selbst gebucht? Nur Termine am Wochenende? Oder jeweils Urlaub genommen? Alles Headliner-Gigs? Wie seid Ihr an die anderen Bands gekommen?

Phil: Wir haben meterlange Tabellen und Excel-Listen erstellt, in denen wir alle möglichen und unmöglichen Locations und Bands, die musikalisch zu uns passen, eingetragen haben. Also erstmal Recherche bis zum Erbrechen, dann Kontaktaufnahme, ebenfalls bis zum Erbrechen. In 60-70 Prozent der Fälle bekamen wir auch beim dritten Nachhaken keine Antwort, dann fliegst du als Location oder Band allerdings von unserer Liste oder wirst entsprechend für die Zukunft markiert. Dass es im Jahr 2022 für viele Locations nicht einfach war, steht außer Frage, aber gerade dann – wenn bspw. sogar eine extra Booking-Mailadresse angeboten wird – sollte man doch wenigstens reagieren, auch damit wir und die lokalen Bands, mit denen wir auftreten wollen, planen können.

Wir haben also alles selbst gebucht, der Zeitraum war abgesteckt, als Termine kamen fast nur Wochenenden infrage, da wir alle auch anderen Erwerbstätigkeiten nachgehen und auch noch nicht die Größe haben z. B. Mittwochs einen Laden in Schleswig-Holstein zu füllen. Bis auf den Gig im Blue Bird in Schneverdingen (Grüße an Marco!), wo wir mit den grandiosen Lorimer Burst gespielt haben, waren wir überall Headliner. Da sind wir schon ein bisschen stolz. An die anderen Bands sind wir wie gesagt auch über Recherche gekommen. Wir wollten überall mit einer lokalen Band spielen, da wir halt noch nicht so bekannt sind, dass wir alleine einen Laden in Heilbronn o.ä. füllen. Wobei wir speziell dort, im Emma 23 (Grüße an Annabell und Ozze!) beim letzten Gig unserer Tour (07.01.23), das erste Mal das tolle Erlebnis hatten, dass vollkommen fremde Menschen unsere Texte mitgesungen haben. Einen besseren Tourabschluss konnte es nicht geben.

Im Bonner “Namenlos” am 08.09.2022 (supported von den wunderbaren Astral Kompakt) lief’s ja super für Euch, sowohl was die Zahl wie auch die Reaktionen der Zuschauer anging. Wie war das bei den anderen Konzerten?

Carsten: Das war auf der gesamten Tour total unterschiedlich. Es gab Shows die waren wirklich sehr sehr gut besucht und es gab auch welche, wo es nicht so war. Das waren aber auch richtig gute Auftritte, die dann überraschend intim waren und alle, die da waren, entsprechende Lust hatten, den Abend mit uns zu genießen. In Retrospektive war die Tour schon eine unglaublich wertvolle Erfahrung für uns und bot sehr viel Abwechslung, was die Locations und auch die Städte anging.

Beim wirklich lustigen Video zu ‘Vultures’ schaut Ihr Euch selbst als steinern-missbilligend dreinschauende bis kopfschüttelnde Mucker-Polizei zu. Wie kommt man auf so was, eigene Erfahrung oder eigene Praxis?

Jan: Dass wir uns selbst zusehen haben wir nie bestätigt, zumindest nicht ohne Augenzwinkern. Wir zeigen mit Absicht nicht in den Bildschirm oder weisen darauf hin, was wir uns dort anschauen. Der ganze Stil des Videos ist eher schlicht und unauffällig gehalten, schwarz/weiß in 4:3, um der zuschauenden Person den nötigen Freiraum zu lassen. Der Text in Kombination mit diesem Bild soll zum Interpretieren anregen.

Das vierte Stück auf der CD, ‘This Is The Voice Of’, mit seinem kaum bis gar nicht verständlichen und entsprechend mysteriösen O-Tönen unterbricht den “Flow” des Albums ganz bewusst – tatsächlich hat meinereiner an der Stelle befürchtet, jetzt sei die Musikanlage im Auto endgültig Fritte gegangen. Ist das nicht ein klein wenig riskant – und was steckt hinter diesem Beitrag?

Carsten: Für uns war die Pause ganz bewusst gesetzt, da im Album selber von den Songs her auch ein gewisser Wechsel stattfindet ab diesem Punkt. Das Stück hat einen Bezug zum Folgetitel ‘Vrillon’ und bildet thematisch und auch von den Soundfetzen den Einstieg zum Titel. Riskant würde ich vielleicht nicht sagen, aber für uns ganz bewusst eingebaut, auch und gerade an der Stelle, wo es sich befindet.

Der ebenfalls recht aufwendig gestaltete Clip zu ‘Dead Man’s Hand’ platziert uns Zuschauer in einem klassischen Western-Szenario, inklusive eines für Euch ungut ausgehenden Finales – seid Ihr Fans des Genres?

Phil: Für alte Desert-Rocker mit staubigem Wüstensound liegt das Cowboy-Image nah. Wir kokettieren gern damit, wir planen bspw. für die Zukunft eine “Summertime Cowboys”-Tour und auch für das nächste Album haben wir selbstverständlich schon eine epische Westerngeschichte geschrieben. ‘Dead Man’s Hand’ basiert, wie einige unserer Songs, auf einer historischen Begebenheit. Die greifen wir im Musikvideo leicht verändert auf und inszenieren uns zeitgleich als Cowboys, natürlich immer ein wenig augenzwinkernd, vor allem im von Dir genannten Ende. Die Idee zu dem Comic und dem Stil hatten wir schon länger, umgesetzt wurde das übrigens von meiner Schwester Kate. Die Storyline stammt von mir, “Regie” habe ich geführt. Ich schaue nicht viel fern, aber bei zwei Genres schalte ich blind ein: Horrorfilme und Italowestern.

Grundsätzlich passt Carstens Sprechgesang ja ausgezeichnet zur trockenen Coolness der Kompositionen. Bei ‘Halcyon Pt. II’ aber schreist Du ein paar Mal richtig. Warum genau dort – und könnte das in Zukunft auch mal öfter passieren?

Carsten: In dem Part wo ich schreie geht es bewusst darum, die Verzweiflung der Protagonistin in diesem Song auch stimmlich zu untermauern. Das kann durchaus auch in folgenden Werken mal als Stilmittel eingesetzt werden, sofern es denn dann auch zum Song passt.

Beim gleichen Stück gibt es bei 2:35 nach dem Wort “Thought” für gefühlt eine Sekunde eine Generalpause. Oder anders ausgedrückt, der Rhythmus “stolpert”. Was steckt dahinter? Eine Gedankenpause? Einheit von Form und Inhalt? Oder hat sich der Rezensent einfach nur verhört bzw. hört das Gras wachsen?

Jan: Diese kleine Pause dient der Dramaturgie und der Dynamik. Vor diesem kleinen “Leerzeichen” spiele ich alleine, um dem Text den benötigten Freiraum zu lassen. Nach der Pause steigt Carsten wieder mit seiner Gitarre ein, um den letzten Zeilen der Strophe Nachdruck zu verleihen.

Das Longplay-Debüt habt Ihr bei Martin Buchwalter in den Gernhart Studios aufgenommen. Wie kam es dazu und wie war die Erfahrung für Euch?

Jan: Wir haben uns von Musikerkollegen und -kolleginnen Studios empfehlen lassen oder suchten im Internet nach welchen, die zu unserem Stil passten. Während wir einige Mails schrieben, um ein Kennenlerntermin mit den jeweiligen Produzenten auszumachen, bekamen wir von Martin parallel zu unserer E-Mail an ihn bei Instagram einen wohlwollenden Kommentar zur ersten EP. Nichtsdestotrotz besichtigten wir einige Studios und entschieden dann aufgrund der Symptahie, der Studioeinrichtung und der Lage des Studios, unser Werk bei Martin aufzunehmen. Eine gute Entscheidung, die wir da trafen. (In des Autoren Erinnerung hatte er auch ein wenig Anteil am glücklichen Zusammentreffen von Band und Produzent ;-)).

“Vultures” ist auf Spotify frei verfügbar – auf Eurer Bandcamp-Seite sucht man aber danach und nach einer Bestellmöglichkeit vergebens. Was steckt hinter dieser Vertriebsstrategie?
Wie und wo sollen Interessenten das Album ordern?

Carsten: Hier hatten wir tatsächlich nicht ganz so viel Einfluss drauf und es ist in dem Sinne keine Entscheidung gegen Bandcamp gewesen. Dort findet man zumindest auch noch unsere EP und das wird sich auch erstmal nicht ändern. Interessenten können das physische Werk “Vultures” über diesen Mailorder Online Shop erwerben oder direkt bei uns am Merch-Stand bei den Gigs.

Wie soll es – wenn es nach Euch geht – weitergehen mit dem Pariahlord?

Carsten: Wenn es nach uns geht, dann geht es 2023 munter weiter mit uns – mit vielen Live-Shows, Festivals und den nächsten Schritten. Im Hintergrund schreiben wir bereits neue Songs für das Nachfolgewerk von “Vultures”.

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Abbildungen: Pariahlord