(34:09; Vinyl, CD, Digital; Mute/[PIAS], 20.01.2023)
Laibach ist ein Anachronismus. Zumindest sprachlich. Denn außerhalb Österreichs wird Ljubljana, die Hauptstadt Sloweniens, nur noch sehr selten bei ihrem deutschsprachigen Exonym genannt. Aber auch die Band Laibach kommt einem Anachronismus nahe, denn sie wurde bereits im Jahre 1980 im damals noch existierenden Jugoslawien Titos gegründet. Als musikalischer Teil des interdisziplinären Kunstkollektivs Neue Slowenische Kunst suchten Laibach häufig die Provokation. So spielten sie in der Vergangenheit immer wieder mit ideologischer, politischer und religiöser Symbolik, was v.a. in den 80er Jahren zu einer Ambivalenz in der äußeren Wahrnehmung führte. In Europa oft als neonazistisch oder faschistisch angesehen, wurden sie in Nordamerika meist als Kommunisten betrachtet. Seit dem Auseinanderbrechen Jugoslawiens hat sich diese Wahrnehmung jedoch zusehends verändert, sodass heute v.a. der kulturelle Wert des Projektes Laibach gewürdigt wird. In ihrem Heimatland Slowenien sind Laibach heute praktisch lebender Teil des nationalen kulturellen Erbes. Trotzdem schafften es die Musiker auch in den letzten Jahren noch, regelmäßig provozierend anzuecken. Bestes Beispiel hierfür waren zwei Konzerte anlässlich der Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Endes der japanischen Besatzung Koreas in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang/평양.
Stilistisch waren Laibach im Laufe ihrer mittlerweile über 40-jährigen Karriere recht flexibel. Doch ob Post-Punk, Industrial, Pop, EBM oder Techno. Eines blieben Laibach immer: Teil der musikalischen Avantgarde.
Nachdem die Slowenen mit “Wir sind das Volk” zuletzt ein Platte herausgebracht haben, welche die musikalische Begleitung von Texten Heiner Müllers war und die als Theaterperformance aufgeführt worden ist, bewegen sich die Musiker mit ihrem aktuellen Werk “Love Is Still Alive” weit in Gefilde vor, die im Dunstkreis des Progressive Rocks liegen. Denn die EP ist musikalisch betrachtet eine Reise durch die verschiedenen Genres der Space Music. Passend, wenn man sich einmal die Handlung der Geschichte vor Augen führt:
Nahe Zukunft zu Beginn des dritten Jahrtausends. Der Planet Erde, den wir einst als unsere Heimat kannten, ist nur noch ein toter Felsen, der im All treibt, zerstört durch Kriege, Pandemien und all das Böse, das Menschen tun. Das Gleiche gilt für den Mond, der einst als Sprungbrett in die Weiten des Universums diente, später aber zu einem Zufluchtsort für die letzten Menschen wurde. Jetzt rasen die Überreste der Menschheit in einem einzigen Raumschiff durch das Universum, an Bord die wenigen Glücklichen, die vor der Vernichtung gerettet wurden. Sie sind auf dem Weg zum Mars, wo einst alles Leben seinen Ursprung hatte. Sie mögen ihre Geschichte und ihren Planeten verloren haben, aber solange sie einen Hoffnungsschimmer und ein rotes Licht haben, das in der Dunkelheit leuchtet, werden sie mutig dorthin gehen, wo noch nie jemand zuvor gewesen ist – solange die Liebe noch am Leben ist.
Dass man diesen Plot einmal gelesen hat ist jedoch wichtig, da die acht Stücke, abgesehen vom ersten und vom letzten, weitestgehend instrumental gehalten sind. Den Auftakt macht dabei ‘Love Is Still Alive I (Moon, Euphoria)’, ein Stück, bei dem einem unweigerlich der Jamiroquai-Hit ‘Space Cowboy’ sowie der Film “Cowboys & Aliens” in den Sinn kommen. Denn was man hier von Laibach auf die Ohren bekommt, ist Country- & Western Music mit stark angespacetem Touch. Völlig abgedreht!
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Auch das nachfolgende ‘Love Is Still Alive II (Venus, Libidine)’ weist noch leichte Country-Elemente auf, doch werden diese fortan von Stück zu Stück weniger. Die Space-Elemente jedoch immer mehr. Was dagegen gleich bleibt, ist das Thema des ersten Stückes, das fortan immer wieder neu interpretiert. Und auch die Textzeile ‘Love Is Still Alive’ taucht immer wieder auf. Besonders wirkungsvoll in ‘Love Is Still Alive III (Mercury, Dopamine)’, wo sie von einem Vocoder verfremdet wiedergegeben wird. Pop-, Electronic, Industrial-, Psych- und Krautelemente. Der Flug durch unser Universum gestaltet sich abwechslungsreich und kurzweilig, sodass man, auf dem Mars angekommen, zufrieden auf die zurückgelegte Reise zurückblicken kann.
Bewertung: 9/15 Punkten
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Diskografie (Studioalben):
“Laibach” (1985)
“Nova Akropola” (1986)
“Opus Dei” (1987)
“Let It Be” (1988)
“Sympathy For The Devil” (1989)
“Kapital” (1992)
“NATO” (1994)
“Jesus Christ Superstars” (1996)
“WAT” (2003)
“Volk” (2006)
“Laibachkunstderfuge” (2008)
“Spectre” (2014)
“The Sound of Music” (2018)
“Party Songs” (2019)
“Laibach Revisited” (2020)
“Wir sind das Volk” (2022)
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