Steve Hogarth, 09.12.22, Bonn, Kreuzkirche

Steve Hogarth, 09.12.22, Bonn, Kreuzkirche

“Heavy liqueur” und pure Magie

Auch für Leute, die bei Gott eher an Lemmy Kilmister (R.I.P.) denken, können Kirchen ein schöner und besinnlicher Ort sein. Ein idealer Ort also für einen Musiker, der sich mit besinnlicher Musik gut auskennt. Steve Hogarth ist unter dem Titel “h Natural” mit einer kleinen Weihnachtstournee unterwegs und gastiert hierzulande in zwei Kirchen. Der Christuskirche in Bochum und in der Kreuzkirche in Bonn.

Die imposante evangelische Kreuzkirche in Bonn macht einen ehrfurchtgebietenden Eindruck. Schon von weitem, und wenn man direkt davorsteht und diesen riesigen Kirchturm hochschaut.
Als das beauftragte Betreuerteam schließlich pünktlich zum geplanten Einlass auftauchte, stand vor den Türen der heiligen Halle bereits die Vorband. Eine Blaskapelle, die passend zum weihnachtlich dekorierten Vorplatz mit ein paar Stücken zum Fest das Ambiente noch etwas verfeinern konnte, obwohl es arschkalt war und man eigentlich nur noch rein wollte.

Innen ist die Kreuzkirche schlicht ausgestattet. Eine große Halle in weiß, mit zwei Seitenschiffen und ein einfacher Altar, umfasst von drei riesigen Fenstern im gotischen Stil. Vor dem Altar stand das Keyboard inklusive Stuhl für den Meister bereit. Möglicherweise wäre eine höhere Position nicht schlecht gewesen und hier sind wir auch schon beim ersten Kritikpunkt angelangt. Auf den Tickets standen Reihen- und Platznummern. Man wurde vom freundlichen Personal in seine Reihe gebracht und… wo sind die Platznummern? Es gab keine.

Gut, was soll’s, hauen wir uns auf die Bank, wo Platz ist. Immer darauf vorbereitet, dass schon der nächste Herr darauf bestehen würde, auf Platz Nummer 1 zu sitzen. Nur, wo befindet sich denn Platz 1? Am Gang oder an der Säule? Die Position war auch eigentlich egal, denn die Sicht war so oder so eingeschränkt, vorausgesetzt, man misst nicht 2,10 Meter, saß in der ersten Reihe oder auf dem Balkon.

Es dauerte tatsächlich nicht lange und die erste “Wir haben reserviert!”-Diskussion startete spontan eine Reihe weiter. Nun gut, um Peinlichkeiten nicht viel Raum zu geben und weil man mittlerweile nie genau weiß, wie weit solche Dinge eskalieren können, einigte man sich rechtzeitig, denn Steve Hogarth betrat pünktlich den Altar, während einige notorischen Zuspätkommer noch ihre Platznummern suchten. (Viel Glück!)

Steve Hogarth, 09.12.22, Bonn, Kreuzkirche
Mit ‘Fantastic Place’ startete der bestgelaunte Marillion-Frontman in seine gut zweieinhalb-stündige Performance. Man las es ja schon an einigen anderen Stellen: Marillion und speziell Hogarth sind in der Form ihres Lebens. Beeindruckend nach wie vor, sein Stimmvolumen und die immer noch vorhandene, einzigartige Klangfarbe, die auch im fortschreitenden Alter keinen nennenswerten Verlust zu verzeichnen haben.

Die Setlist bot die gewohnt ausgewogene Mischung aus Marillion-Songs und Coverversionen, wobei er direkt zu Beginn vermerkte, dass er ‘Live on Mars’ zwar singen würde, aber nicht sofort. Hervorzuheben waren in der ersten Hälfte unter anderem eine wunderschöne Version von ‘The Party’, ein bezauberndes ‘Real Tears For Sale’ und ein intensives ‘The Hollow Man’, die bei bestem, glasklarem Sound in der großen Kirche sanft verhallten.

Es folgte eine kurze Pause und dringenden Konsumzwängen musste nachgegangen werden. Allerdings wurde dies einigen, aber ganz besonders denjenigen zum Verhängnis, die auch mal eine Viertelstunde sitzen bleiben können, ohne was zu tun. Die zweite Hälfte startete nämlich etwas früher als erwartet und während Hogarth schon wieder am Keyboard saß, mussten ganze Sitzreihen wieder aufstehen, um Nachzügler rein zu lassen.

Steve Hogarth, 09.12.22, Bonn, Kreuzkirche
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Es folgte mit ‘Sounds That Can’t Be Made’ ein Song, bei dem man nie geglaubt hätte, dass dieser in Soloversion “could have been made”. Aber es war durchaus dank eines mit sägenden Streichern ausgestatteten Instrumentes möglich und es klang sogar gut.
‘Karma Police’ von Radiohead gehört wie Bowies Marsianer zur regelmäßigen Songauswahl und gerade in dieser wunderbaren Umgebung, eingehüllt in eine sanfte Lichtkonstellation, in der sich diese majestätischen Fenster im Hintergrund abzeichneten, machte das Stück einiges her und sorgte durchgehend für Entenpelle.

Dann gab es ein kleines Intermezzo. Leute durften nach vorne kommen und den Weihnachtsbaum, der neben dem Altar stand, zu schmücken. Als Gegenleistung gab es “Heavy Liqueur”. Das war schon verlockend, aber leider war die betreuende Truppe ohne jeglichen Baumzierrat angereist und konnte somit nichts gegen den mysteriösen Schnaps eintauschen. Beim nächsten Mal nehmen wir ganze Kartons mit Weihnachtskugeln mit. Prost!

Steve Hogarth, 09.12.22, Bonn, Kreuzkirche
Als Hogarth ‘Stille Nacht’ zum Besten gab, konnte sich die Menge natürlich nicht halten und sang mit. Das ging in Ordnung, denn es folgte eine wunderschöne Version von ‘Beautiful’ und man war ob dieses Tränentreibers recht zufrieden mit der Welt. Dann aber folgten mit einigen Songs aus seinem Soloalbum, nämlich ‘Cage’ und ‘Really Like’, zwei Mitklatschnummern. Sicher unfreiwillig und nicht so von h gedacht, aber es ist immer wieder dasselbe leidige Dilemma. Klatschen bedeutet in Proggerkreisen ausschließlich Beifall NACH(!) dem Song oder ein ELP-Vinyl mit Marmelade an der Wand zu befestigen. Sonst ist sowas verboten! Und ganz besonders bei solchen Konzerten, in denen es um eine intensive, besinnliche Atmosphäre gehen soll.

Nach diesem kleinen Ärgernis spielte Steve Hogarth, quasi als Wiedergutmachung, eine großartige Version von ‘Neverland’ und den Song des Abends und gleichzeitig wohl besten Marillion-Song aller Zeiten: ‘Afraid Of Sunlight’. Tränen! Pure Magie!
So gut, dass man sogar der Version des unsäglichen ‘Three Minute Boy’ was abgewinnen konnte, bei dem das Publikum zum Schluss die “Ahaaaaa”-Chöre übernahm. Immerhin besser als Klatschen… Das folgte dann im Anschluss und damit genau zu dem Zeitpunkt, wenn es erforderlich ist: Als Beifall!

Die Zugaben ‘No One Can’ und das angekündigte und unerlässliche ‘Life on Mars’ krönten den Abschluss eines ganz besonderen Konzerterlebnisses. Unvergleichlich in dieser sagenhaften Umgebung, einzigartig in dieser magischen Stimmung.Steve Hogarth ist in bester Form, seine fantastische Stimme hat keine Oktaven eingebüßt. Die nächste sich bietende Möglichkeit, dass er solo in einer Kirche auftritt, sollte man auf jeden Fall wahrnehmen und sich so ein Erlebnis nicht entgehen lassen.

Steve Hogarth, 09.12.22, Bonn, Kreuzkirche

Steve Hogarth Setlist Kreuzkirche, Bonn, Germany 2022
Fotos: flohfish


Steve Hogarth, 09.12.22, Bonn, Kreuzkirche
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Rezension: Isildurs Bane & Steve Hogarth – “Colours Not Found In Nature” (2017)

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Veranstalter: MFP-Concerts
Venue: Kreuzkirche Bonn