(54:57; CD, Digital; MIG Music, 1995/11.11.2022)
Der Name des Berliner Elektronikmusikers Rolf Trostel tauchte in der Szene in den frühen 80ern zum ersten Mal auf, nämlich mit der 1981er Veröffentlichung seines Debüts „Inselmusik“. Seine Musik ist – wenig überraschend – von der Berliner Schule beeinflusst. Zunächst legte er eine erstaunliche Veröffentlichungsfrequenz vor, denn schon im nächsten Jahr ließ er dem Debüt mit „Two Faces“ und „Der Prophet“ zwei weitere Alben folgen, danach wurde es dann diesbezüglich ruhiger um ihn. 1988 folgte mit „Musique Intemporel“ eine Gemeinschaftsproduktion mit Bernd Kistenmacher und Mario Schönwälder, zwei in der Szene durchaus prominente Namen. Eine gewisse Verbundenheit zu Kistenmacher blieb offenbar bestehen, denn 1995 wurde sein viertes Album „Narrow Gate To Life“ bei dem von eben jenem geführten Label „Musique Intemporel“ veröffentlicht. 27 Jahre später nun eine Neuauflage beim MIG Music Label, das ja seit geraumer Zeit interessante EM Musik wiederveröffentlicht. Die Entstehung der vorliegenden Musik geht noch deutlich weiter zurück und fällt in die Anfang der 80er Jahre sehr aktive Phase des Musikers. Der Titelsong mit einer Spielzeit von knapp mehr als einer Dreiviertelstunde besteht aus fünf Teilen mit den Titeln ‚Intro‘, ‚Hiobs Leiden‘, ‚Hoffnung auf Gerechtigkeit‘, ‚Tore der Finsternis‘ und ‚Gottes Gnade‘ und wurde während eines Konzertes in der Kathedrale St. Pere de Galligants im katalonischen Gerona am 22. Oktober 1983 aufgenommen.
Passend zum Kontext biblischer Themen erhielt diese Auflage einen achtminütigen Bonus-Track mit dem Titel ‚Kyrie 777‘, der im Jahre 2002 komponiert worden ist und die aktuelle Fassung eröffnet. Sehr zur Freude des Künstlers, der diese beiden Titel als sakrale Elektronik Musik bezeichnet. Der Opener enthält Passagen mit gregorianischem Gesang, der sehr geschickt in die elektronische Klangwelt eingebunden wurde und auch musikalisch zum titelgebenden Longtrack passt. Die Musik ist eher ruhig und getragen gehalten und mit dezenter Rhythmik versehen. Es folgt mit dem Titelsong eine lange Reise durch elektronische Klangwelten, die in vielen Teilen eher der Ambient-Ecke als der typischen Berliner Schule zuzuordnen ist, da kaum Sequenzer zu hören sind, sondern stattdessen weite Klanglandschaften mit den diversen Synthesizern, die Trostel damals zur Verfügung standen. Dabei klingt das Ganze gar nicht mal sehr abstrakt, sondern ist mit einer gewissen Wärme ausgestattet. Tyndall oder Adelbert von Deyen mögen auch bisweilen in den Sinn kommen. Stellenweise ist die Musik ausgesprochen leise, erst ganz am Ende wird man durch den Beifall förmlich aus der Meditation gerissen und daran erinnert, dass es sich hierbei um eine Live-Aufnahme handelt. Versehen mit der Atmosphäre der Kathedrale war dies sicherlich ein bemerkenswertes Konzert. Feine Wiederveröffentlichung!
Bewertung: 10/15 Punkten
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Abbildungen: Rolf Trostel