(38:13, CD, Digital; Novoton, 21.10.2022)
“Inspired by Charles Baudelaire, John Keats and dirt”, Filmmusik. Electro. Skandinavische Wurzeln. Ein Faible für Laurie Anderson. Diese vom Waschzettel hingeworfenen Verlockungen finden sich ausnahmsweise sämtlich in der gebotenen Musik wieder. Und begeistern, wenn man sich darauf einlassen mag.
Höchste Zeit also, diese Künstlerin mit ihrem bereits vierten Soloalbum endlich kennenzulernen. Mütterlicherseits hat sie norwegische, väterlicherseits britische Wurzeln, wurde in Drammen, Norwegen, geboren und lebt heute in Stockholm. Die Dame hat mit Frances Records ein eigenes Label, produziert andere Künstler und schreibt teils bereits preisgekrönte Soundtracks für Spiel-, Kurz- und Dokumentarfilme.
“The Garden” zieht in einen dunklen Bann durch eine so noch nicht erlebte Kombination aus lakonischem Sprechgesang (vgl. Laurie Anderson) und drakonischem Hohepriesterinnen-Modus in den wirklich gesungenen Passagen.
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‘Lethe’ (der Fluß des Vergessens aus der Unterwelt der griechischen Mythologie) macht mit den teils harschen elektronischen Sounds (John-Carpenter-Fans werden einspeicheln) bekannt. Vor allem aber mit der so wandlungsfähigen wie bezaubernden Sprech- und Gesangsstimme von Frau Nuttall, hier in etwa in der samtenen Tonlage einer Fiona Apple.
Track 2, ‘The ‘Poison Tree’, ist gleich das Lieblings- und Erweckungsstück des Reviewers bezüglich dieses Albums. Spröde Streichersounds liefern den perfekten Hintergrund für den aus Nuttalls hier bei aller Ruhe und reduzierten Tempi ungemein eindringlichen Vortrag mit einer vor Intelligenz sprühenden Phrasierung, den abendfüllende Filme evozierenden Worten und der starken Melodie resultierenden Maelstrom.
Bei der berückenden Meditation über Stille und Schatten ‘Talk To Silence’ rücken die Laurie-Anderson-Reminiszenzen nochmals näher.
‘Inspired By John Keats’ basiert auf Bläser-Samples (ähnlich wie ‘The Poison Tree’ auf verfremdeten Streicher-Klängen und etwas, das wie präpariertes Klavier klingt), dem faszinierenden Sprechgesang der Protagonistin und den Engelschören im Hintergrund.
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Die einzigen (wie immer völlig subjektiven) Kritikpunkte an einem enorm lohnenswerten Album: Es gibt trotz der relativ kurzen Laufzeit ein paar Songs wie etwa ‘Velvet Moon’ oder ‘Deep Blue’, die das ansonsten hohe kompositorische Niveau nicht ganz zu halten scheinen. Aber das ist vermutlich auch gut so, denn acht emotionale Granaten wie ‘Poison Tree’ hintereinander wären kaum auszuhalten. Auch ein guter Film, ein fesselnder Roman oder eine gute Autorenlesung (woran “The Garden” sämtlich erinnert) hat ja eine solche Dramaturgie aus Auf und Ab. Dass aber bei einem derartig Litaratur-inspirierten Werk die Texte der CD nicht beigefügt wurden, ist und bleibt jammerschade.
Bewertung: 11-12/15 Punkten (KR 11-12, MBü 12)
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Abbildungen: Albin Biblom (Cover Artwork) / Katharina Nuttall / Novoton