(54:34, CD, Eigenveröffentlichung/Just for Kicks, 30.09.2022)
Der englische Multi-Instrumentalist John Holden ist in der Prog-Szene zum ersten Mal 2018 mit seinem Debüt-Album “Capture Light” in Erscheinung getreten und hat sich seitdem als sehr fleißiger Künstler erwiesen. Zwei Jahre später erschien “Rise and Fall”, dem ein Jahr später “Circles in Time” folgte. Und nun also bereits sein viertes Soloalbum, auch dies wieder eine Eigenproduktion, wobei es sich durchaus vorstellen lässt, dass der Musiker aus Cheshire bei einem der üblichen Prog-Labeln unterkommen könnte. Alle acht Songs wurden von ihm komponiert, die Texte stammen von ihm und seiner Frau Elizabeth Holden, und auch für Mixing, Mastering und Booklet Design zeichnet er verantwortlich. Doch es ist keineswegs ein reines Soloalbum, sondern er wird von zahlreichen, durchaus namhaften Musikern begleitet. Es mag auf den ersten Blick überraschend sein, dass bei einem bisher noch eher unbekannten Musiker teils derart prominente Namen in der (nachfolgenden) Liste auftauchen, doch schaut man sich die Vorgängeralben an, wird man feststellen, dass die meisten der Genannten schon früher bei John Holdens Alben dabei waren. Dass sie nun erneut mitwirken, darf als gutes Zeichen gewertet werden. Und für den Künstler selbst, der mit Progressive Rock groß geworden ist, ist es sicherlich eine tolle Sache, dass hier Beziehungen zum Umfeld aus Iona, Mystery, Yes oder Tiger Moth Tales gewinnbringend eingebracht werden konnten.
Und so sieht die Schar der beteiligten Musiker genau aus:
John Holden – guitar / bass / keyboards / percussion / orchestration / programming
Pete Jones – vocals / saxophone / choir
Sally Minnear – vocals / choir
Dave Bainbridge – 12string guitar / electric guitar
Frank van Essen – violin / viola / drums
Iain Hornal – vocals / choir
Jean Pageau – flute
Michel St Pere – guitar solo
Jake Lizzio – guitar solo
Vikram Shankar – piano / synthesizer solo / guitars
Henry Rogers – drums.
Die Erwartungen sind somit durchaus hoch gesteckt, die allerdings nur dann erfüllt werden, wenn man jetzt nicht gleich höchst-komplexen Frickel-Prog erwartet.
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Der Start ins Album ist gut gelungen, denn im knapp elfminütigen ‘Achilles’ wird melodischer Progressive Rock mit Neo-Prog-Elementen und der ausdrucksstarken Stimme von Sänger Joe Payne als Aushängeschild geboten. DER Joe Payne? Genau, THAT Joe Payne, vielen Fans noch als Gesangswunder bei The Enid bekannt. Hier haben die Gitarren auch einiges zu sagen, was in derartiger Dominanz bei den folgenden Songs kaum noch vorkommt. Neben dem Protagonisten sind auf diesem Song Vikram Shankar und Jake Lizzio zu hören. Dazu gesellen sich orchestrale Keyboardarrangements, sodass alles in allem ein abwechslungsreicher Melodic-Symphonic-Prog Song entstanden ist.
Im weiteren Verlauf wird der Prog-Faktor gelegentlich deutlich zurückgefahren. So beispielsweise im zweiten Track, der fast wie eine Volksweise klingt und von der prägnanten Stimme von Sally Minnear (Tochter des legendären Gentle-Giant-Keyboarders Kerry Minnear) geprägt wird. Und auch die Stimme des nachfolgenden Titelstücks weiß zu verzaubern, handelt es sich doch um Tiger Moth Tales Mann Pete Jones, dem der Schreiberling grundsätzlich sehr gerne zuhört.
‘Kintsugi’ steht übrigens für eine traditionelle japanische Reparaturmethode für Keramik – daher auch das Cover Motiv. Beim Title Track gastiert Ex-Iona Drummer Frank van Essen an der Geige und am Schlagzeug. Das Gitarrensolo steuert Mystery-Mann Michel St Pere bei. Es folgt eine Einleitung mit deutscher Stimme, die zu einer Fahrt mit der Wuppertaler Schwebebahn einlädt – eine rein instrumentale Reise übrigens und der einzige Instrumentaltrack auf dem Album. Titel: ‘Flying Train’. ‘Xenos’ ist der vierte Track mit Gesang, und dort wird der vierte Sänger aufgeboten, in diesem Falle Iain Hornal, der unter anderem in der Live-Band von 10CC und ELO mitwirkt. Auch er macht einen guten Job, wobei es hier leicht ins Poppige geht. ‘Against the Tide’ ist eine luftige Non-Prog Nummer, auf der Pete Jones nicht nur den Gesang, sondern auch das Saxofonspiel übernimmt. Auf dem eher kurzen ‘Peggy’s Cove’ bedient Holden sämtliche Instrumente selbst und wird lediglich von Sally Minnear begleitet. Durch synthetisierten Dudelsack hat die Nummer einen leichten Folk-Touch. Das Album wird durch den längsten Track abgeschlossen, das elfeinhalb Minuten lange ‘Building Heaven’ mit der engelsgleichen Stimme von Sally als Leadgesang und allen vier beteiligten Sängern und Sängerin als Background Choir. Feine akustische Gitarre, perlende Keyboards, elegische Symphonic Rock Parts – auch hier kommt der Wohlfühl-Prog Fan auf seine Kosten.
Holden bietet erneut hoch melodischen Prog mit Neo-Prog Anklängen, einigen Ausflügen ins eher Seichte, aber auch Folkiges. Und stets mit feinen Gesangsmelodien versehen und mit einem sehr guten Händchen bei der Auswahl der Sänger bzw. Sängerin. Eine zusätzliche Prise Härte und ein bisschen mehr Mut zu komplexeren Strukturen, die auch mal eher nicht aufs Wohlfühlzentrum abzielen, würden vielleicht guttun – das Potenzial dazu ist an manchen Stellen durchaus zu erkennen. Für den Fan der sehr melodischen Spielart des Progressive Rock ist “Kintsugi” durchaus zu empfehlen.
Bewertung: 10/15 Punkten
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Abbildungen: John Holden