(59:23; Vinyl, CD, Digital; Prophecy Productions, 04.11.2022)
Schön, dass es bei Disillusion mittlerweile etwas “schneller” voran geht. Soll heißen, man muss keine 13 Jahre mehr ausharren, bis ein neues Album erscheint. So lange musste man warten, bis nach dem mutigen Album “Gloria” das großartige letzte Album “The Liberation” erschienen ist. Jetzt sind es “handelsübliche” drei Jahre Wartezeit geworden und obwohl der Vorgänger in der gesamten (Prog-)Metal-Szene berechtigterweise sehr gute bis überschwängliche Kritiken einfahren konnte, schafft es Album Nummer Nr. 4 immer noch, den Qualitätstandard der Leipziger zu halten.
“Ayam” klingt wie ein logischer Nachfolger von “The Liberation”. Die Unterschiede sind also nicht mehr so groß wie zwischen “Back To Times Of Splendor” und “Gloria”. Das muss auch nicht sein, denn weiterhin brilliert die Band um Andy Schmidt mit ihrer außerordentlichen Kombination aus brachialem Metal, emotionalen, warmen Melodien und ausgetüfteltem Songwriting. Der Härtegrad wurde nicht wirklich zurückgefahren. Es gibt immer noch rasend schnelle Riffs und zwischendurch auch immer noch Growls. Stattdessen wirken viele Songs und das Album insgesamt melancholischer, düsterer und speziell die Melodien filigraner.
Die beiden Longtracks ‘Am Abgrund’ und ‘Abide the Storm’ sind eine Berg- und Talfahrt, ein Auf und Ab an Emotionen, voll mit Ideen und kleinen Details. Welche Band mischt Thrash-Riffs mit Trompeten? Die spannende Atmosphäre und die mitreißende Dynamik von ‘Driftwood’ sowie das epische ‘From The Embers’ lassen den eingefleischten, wie erfahrenen (Prog-)Metal-Fan minutenlang in Gänsehaut verweilen. Die besonders sensiblen Zeitgenossen müssten eigentlich auch ein oder zwei Tränchen vergießen, so stark sind einzelne Momente im Sound der 1994 gegründeten Band, die schon lange nicht mehr so einfach in Schubladen passt.
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Und wenn es mit den Tränen bisher nicht geklappt hat, dann aber beim Schlusstrack. ‘The Brook’ wurde inspiriert vom Song ‘Brooks Was Here‘ vom Soundtrack zum Film “The Shawshank Redemption” (Die Verurteilten) von Thomas Newman. Wer den Film nicht kennt: Brooks, ein alter Mann, der sein ganzes Leben im Gefängnis verbracht hat, wird entlassen. Die sich in den Jahren veränderte Gesellschaft draußen erträgt er nicht und er erhängt sich schließlich in seiner Wohnung. Disillusion können Schlusstracks. Schon ‘The Mountain’ war unfassbar intensiv und magisch. Mit ‘The Brook’ ist es nicht anders.
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Die Leipziger gehören nach wie vor zu den spannendsten und besten deutschen (Prog-)Metal-Bands. Mit “Ayam” knüpfen Disillusion fast nahtlos an ihrem Vorgänger an und halten sowohl handwerklich wie auch musikalisch locker ihr Level. Brachiale Härte trifft auf ausgetüftelte Ideen, warme Melodien und düstere Melancholie. Schwer, dieses Jahr in Sachen Prog Metal noch was Besseres zu fabrizieren.
Bewertung: 13/15 Punkten (MBü 13, KR 13)
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Abbildungen: Prophecy Productions und Disillusion