Chaosbay, Soulsplitter, 20.10.2022, Mannheim, 7er Club
»SoulBay«
Gleich zwei Lieblingsbands auf einen Streich in einer intimen Club Show, einen persönlichen “weißen Fleck” auf Deutschlands Venue-Landkarte streichen, alte Bekanntschaften erneuern, neue knüpfen, Herz, was willst Du mehr? Nur ein einziger Wunsch blieb offen: eine Live-Kooperation der beiden auch untereinander eng befreundeten Ausnahme-Combos, Arbeitstitel “SoulBay”. Aber das kann ja noch werden…
Nach angenehmer Anreise und einem bis aufs Wetter und heftigem Angeschnorre unterwegs vor allem architektonisch ergiebigem Fußmarsch ins Zielgebiet Mannheimer Hafen setzte es erstmal – wie erfreulich häufig in jüngster Zeit – eine Runde Geselligkeit und Verkostung selbst gebrauter Bierspezialitäten. Solcherart gestärkt, wenn auch immer noch tropfnass, konnte der Austragungsort in Augenschein genommen werden. Ein herrlich authentischer Rockschuppen ohne Flitter und Firlefanz. Dafür mit sowohl toughen wie charmanten Damen hinterm gut besuchten Tresen, denen man dem Vernehmen nach besser nicht dumm kommen sollte. Und die andererseits beim Ausschank trotz enorm fairer Preise so überhaupt nicht geizten (Codenamen “Weißherbstschorle” oder auch “Jacky Cola”).
“Fish” – wie 7er-Kenner zu berichten wussten der Vater des aktuellen Club-Besitzers und weitere gute Seele des Ladens – schürte nun die Vorfreude mit einer der feurigsten Band-Ansagen, die unsereiner lange gehört hat. Mithin Bühne frei für …
Soulsplitter!
Die, bzw. ihr diabolisches Orchester-Intro (vom Band), eine kompakte Version von ‘The Prophecy’ ließen sich auch gar nicht lange bitten. Gefolgt von dem charakteristischen Splitter-Piano und den Gentle-Giant-Synkopen vom wahrhaft gigantischen ‘The Moloch’. Nachhaltig begeisternd waren hier neben der Güte der Komposition Sami Gayeds Gesangsbeiträge, die nochmal so an Klasse gewonnenen haben, dass man hier Backing Vocals überhaupt nicht vermisst. Und ein nachgerade loderndes Solo von Gitarrist Simon Kramer.
Für das sehr viel ruhigere ‘Glass Bridge’ steuerte Simon achtbaren Hintergrundgesang bei, Sami brillierte mit Kopfstimmen-Parts.
Spannender Zusatzeffekt: Wir standen am vordersten Bühnenrand und hörten so Samis Stimme gleichzeitig über die PA, vermutlich auch das Monitor-Signal und vor allem auch den unverstärkten, “cleanen” Gesang. Ein toller Effekt, fast wie wenn Devin Townsend Akustik-Gitarre spielt (Stereo: ein Kanal mit Effekten, einer clean). Keyboarder Lewin wechselt hier binnen Sekunden auf seinem Nord Stage von 80er Quietsch- zu böse fauchenden Hammond-Sounds.
‘Thrive’ überrumpelte uns nun alle mit ein paar Takten Dixie-Dregs-artigem Country Rock.
Ansage Fenix: “Dies ist ein Heimspiel für uns, unsere Band hat sich 2016 in Darmstadt gegründet.” Außerdem ist es (für Soulsplitter) der letzte Auftritt der Tour. Und man merkte einfach, wie eingespielt und vor allem wie glücklich die Soulsplitters waren. Z. B. bei ‘Incineration’. Simons Tapping-Einlagen erinnerten zu jedermanns Begeisterung an Tony Banks‘ flirrende Keyboards bei so manchem Genesis-Stück.
Lewin lässt heftig die Matte zu seines Kollegen Treiben kreisen, nimmt dazu aber vorsichtshalber vorher die Brille ab. Die beiden steigern sich gegenseitig geradezu in eine Petrucci–Rudess-Einlage, wie wunderbar.
‘The Sacrifice’ vom Überalbum “Salutogenesis” eröffnete wie stets mit hämmerndem Savatage-Klavier und mächtigen Gitarrenriffs und erwies sich erneut als wahre Oper im Elf-Minuten-Format. In Mannheim besonders beeindruckend: Felix‘ herrlich “ploppendes” Bass-Solo, die Hintergrund-Chöre vom Rest der Band zu Samis leidenschaftlichem Gesang und Fenix‘ Drumming, der zuvor absolut stark songdienlich gespielt hatte, aber hier erstmals ein wenig mehr von dem zeigte, was er grundsätzlich alles so drauf hat.
Das Instrumental ‘Gratitude’ vom aktuellen Album “Connection” entfesselte nun die Prog-Geister: Frickelige Gitarren, Polyrhythmik, das Ganze aber eben auch immer noch bemerkenswert nachvollziehbar, melodisch und sogar in die Beine gehend.
U.a. weil Fenix das transparent-orange Kit von Patrick Bernath bespielt hat, blieb es bei einer recht kurzen Umbaupause, bis die Chaosboys auf die Bühne konnten…
Chaosbay
… nur um sich sogleich beim großartigen ‘Y’ fiesen technischen Problemen ausgesetzt zu sehen. Matthias Heisings Bass wollte so gar nicht, wie er wollte. Das führte einerseits zu diversen Problemlösungsversuchen und andererseits zur Demonstration von Sänger/Gitarrist Jan Listings beträchtlichen Moderations- und Improvisationskünsten. ‘Y’. Dennoch. Was für ein Einstieg. “I can’t give you anything. I can give you everything”. Und das können sie wirklich.
Spontan und basslos wurde noch ‘Soldiers’ intoniert. Die Technik-Fuck-ups hatten neben solchen Geschenken aber auch ihren Preis: “Jetzt habt Ihr alles an Ansagen gehört, die ich mir ausgedacht hatte. Der Rest vom Konzert muss also ohne gehen.” Ganz so arg wurde es aber natürlich nicht wirklich, zumal es durch die Leihgabe eines Basses von Veranstalter Stefan aus dem benachbarten Proberaum auch mit solidem Sound-Fundament weitergehen konnte: ‘The Prophet’ von der “Boxes”-EP rockte solide das Haus.
»Könnt ihr noch, Mannheim?«
‘New Age’ entführte uns sodann in die faszinierende Welt des aktuellen “2222”-Konzeptalbums. Und zur verordneten Wassergymnastik: “Jump for me, Mannheim”. Der Bewegungsdrang wurde beim ‘Passenger’ nicht wirklich weniger: “This is what you’ve been waiting for” – we sure have! Growls meet Rap meet blazing choruses.
Jans regelmäßig eingeworfenes “Könnt ihr noch, Mannheim?” wirkte insofern auch nie wie dreiste Anmache, sondern eher wie eine besorgte Nachfrage. Dieser Auftritt verlangte wirklich allen Beteiligten alles ab. Dennoch lautete die Antwort natürlich jedesmal … youknowschon.
Next stations ‘2 Billion’ und ‘What Is War’, dem gerade an diesem Abend nur zu berechtigt angemeldeten Zweifel ‘All This Beauty Can’t Be Real’ sowie dem ewig schönen ‘Home’. Und so weiter und so fort.
Die persönlichen zwei “Magic Moments” eines ohnehin durchweg zauberisch-schönen Konzertabends:
Chaosbay spielen ihren Über-Song ‘Amen’ – und kein Stein bleibt auf dem anderen.
Simon und Fenix gehen an ihrem Merchandise-Stand völlig, aber wirklich hemmungslos auf Chaosbay ab, inklusive Weltmeisterschafts-verdächtiger Air Guitar und Air Drumming – soviel zum Thema “Konkurrenz unter Muckern” und “einer gönnt dem anderen ja nichts”.
Und als es eigentlich gar nicht mehr schöner werden konnte, machten die Zugaben ‘Secret King’ und ‘Lonely People’ den Sack zu.
Oder doch nicht ganz. Wir haben selten erlebt, dass die Musiker nach einem Konzert beim Merch so belagert und in Gespräche einbezogen wurden, wie hier geschehen. Mit dem Ergebnis, dass die Hausherren uns alle LANGE nach dem letzten Stück quasi an den Ohren aus dem offensichtlich viel zu gemütlichen Club zerren mussten…
Live-Fotos: Marco Magin
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Rezension “2222” (2022)
Konzertbericht: 01.10.21, Köln, MTC
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Konzertbericht: 16.01.20, Köln, Tsunami Club
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Rezension “Connection” (2022)
Konzertbericht: 16.01.20, Köln, Tsunami Club
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